Volleyball-Bundesliga:Willkommen bei den Schuhplattlern

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Herrsching stürzt in seinem packenden ersten Heimspiel Tabellenführer Lüneburg, der zuvor keinen einzigen Satz abgegeben hatte.

Von Raphael Weiss, Herrsching

Irgendwie musste Herrschings Trainer Max Hauser die überschüssige Energie loswerden, die sich über vier Sätze aufgebaut hatte. Schon während des gesamten Spiels war er kaum ruhig zu halten. Die Punkte seiner Volleyballer feierte er ausgiebig: Er riss die Arme nach oben, sprang auf den Stuhl, auf dem er eigentlich hätte sitzen sollen, heizte das Publikum an oder ließ sich zu einem Jubeltanz hinreißen. Doch als seine Mannschaft bei 2:1-Satzführung den 11:11-Ausgleich kassierte, musste Hauser die Spannung irgendwie anders abbauen, also zog er sein T-Shirt nach oben, biss einmal kräftig hinein und riss mit seinen Zähnen daran, wie ein Hund im Kampf um sein Spielzeug.

Es war eine packende Erstliga-Partie mit zwei starken Kontrahenten. Die Herrschinger waren als Underdog in das erste Heimspiel der neuen Saison gegangen. Sie spielten gegen den Tabellenführer aus Lüneburg, der bisher noch keinen Satz verloren hatte. Viele der jungen Herrschinger gaben ihr Heimspieldebüt in der ausverkauften Nikolaushalle. "Ich weiß, dass sie sich sehr darauf gefreut hatten", sagte Hauser, was offensichtlich auch für die Gäste galt. Gut gelaunt klatschten einige Lüneburger Spieler vor dem Start den Rhythmus von Haindlings "Bayern" mit.

Sie behalten die Lederhosen an: Herrschings Team zeigt gute Nerven und darf am Ende jubeln – wie hier Michal Sládeček und Slawomir Zemlik (Mitte v. li.). (Foto: Nila Thiel)

Bei Kapitän Matthias Pompe hielt die gute Stimmung während des ersten Satzes an: In den Auszeiten wippte er grinsend zur Musik und sang mit. Diese Lockerheit fehlte Herrschings Mannschaft zunächst, sie war sichtlich beeindruckt von der Atmosphäre. Im ersten Satz häuften sich die individuellen Fehler, gleich sieben Aufschläge landeten direkt im Netz oder im Aus. Auch der neue Diagonalangreifer Christoph Marks, 20, tat sich zunächst schwer: "Am Anfang habe ich ein bisschen gezittert, aber dann hab ich zwei, drei Dinger reingehauen und konnte alles andere ausblenden." Der erste Satz endete 25:23 für die besser spielenden Lüneburger.

Fortan zeigten die Herrschinger ein anderes Gesicht, sie kämpften, waren konzentriert, motivierten sich gegenseitig. Bald hatten sie sich eine deutliche Führung erspielt, doch beim 17:12 brachen sie ein. Fünf Lüneburger Punkte in Serie bedeuteten den Ausgleich, nach einem Ass von Pompe lagen die Gäste 19:18 vorne. "Das war ein ganz entscheidender Satz. Nach dem hätten wir auch 2:0 zurückliegen können", sagte Hauser. Doch das Publikum reagierte, feuerte die Seinen an, und der TSV Herrsching war diesmal nicht verunsichert. Nach einer Lüneburger Fehlangabe zum 22:20 setzte Libero Ferdinand Tille spontan zum Schuhplattler an. Der Satz endete 25:23. Auch Marks wurde stärker, fast die Hälfte aller Angriffe lief über ihn. "Er ist schlecht gestartet, aber wir haben ihm dann viele Freiräume gegeben. Er braucht einfach Selbstvertrauen, und das werden wir ihm geben", sagte Hauser.

Der dritte Satz war sehr ausgeglichen, doch Herrsching traf in den kritischen Momenten die richtigen Entscheidungen und belohnte sich mit dem 25:22, bevor es zum großen Finale im vierten Satz kam. Im Gleichschritt marschierten die Mannschaften in Richtung Entscheidung. 9:9, 10:10, 11:11, nach Hausers T-Shirt-Biss konnte sich Herrsching kurz absetzten, nur um beim 15:15 wieder eingefangen zu werden. Das Spiel folgte dem immer gleichen Muster: Führung Herrsching, Ausgleich Lüneburg. 16:16, 17:17, bis zum 23:23. Eine extrem packende Partie. Nach dem 24:23 durch den Kanadier Andre Brown hämmerte Marks den Ball zum Sieg. "Es war geil, richtig geil. Hier ist eine Wahnsinns-Atmosphäre", sagte er nach dem Spiel. Auch Klaus-Peter Jung, Geschäftsführer der Deutschen Volleyball-Liga, zeigte sich nach seinem ersten Besuch in Herrsching begeistert: "Dass wir hier beim geilsten Club der Welt sind, war zu hören."

Hauser lobte nach dem Spiel die Team-Leistung: "Das sind Super-Typen. Mir hat es seit der dritten Liga nicht mehr so viel Spaß gemacht zu trainieren. Ich glaube, dass wir heute noch weiter zusammengerückt sind." Am kommenden Wochenende wartet die nächste schwierige Aufgabe auf die jungen Herrschinger gegen die United Volleys Rhein-Main. Für Hauser sind die Frankfurter die Favoriten auf die Meisterschaft.

© SZ vom 30.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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