Volleyball-Bundesliga:Verpasste Chance beim Giganten

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Leistungsträger: Herrschings Phillip Trenkler (li.) legte in den ersten beiden Sätzen in Friedrichshafen 42 Prozent perfekte Annahmen hin. (Foto: Günter Kram/oh)

Die Nerven machen nicht mit: Der TSV Herrsching unterliegt kriselnden Friedrichshafenern unnötig deutlich mit 0:3, obwohl man den Favoriten in den ersten beiden Sätzen jeweils in Bedrängnis bringt. Trainer Hauser sieht sein Team dennoch absolut im Soll

Von Kathrin Freiburghaus, Herrsching

Die Zusammenfassung des Dienstausflugs von Herrschings Bundesliga-Volleyballern an den Bodensee klang nach einem ziemlich normalen Abend in Friedrichshafen: 77 Spielminuten, keine Punkte, 0:3. Und würde sie die Wahrheit abbilden, hätte sich am Samstag vermutlich auch niemand sonderlich aufgeregt. Aber sie tat es nicht; es war kein normaler Abend in Friedrichshafen.

Denn es liegt einiges im Argen beim Giganten vom Bodensee. Im Pokal schied er im Viertelfinale aus, in der Champions League ziert er punktlos das Tabellenende seiner Gruppe, und hinter den Kulissen brodelt es. Die Gäste aus Herrsching wussten um all das. Auch die veränderte Atmosphäre entging ihnen bei ihrer Ankunft keineswegs. "Die haben Probleme, man riecht es fast in der Halle, dass da was nicht stimmt", sagte Herrschings Trainer Max Hauser. Folglich hatte sich der TSV nach dem knapp verlorenen Coburg-Spiel viel vorgenommen. Dass die Spieler erstmals nicht in Trachtenoptik, sondern in Blütenweiß aufliefen, hatte laut Diagonalangreifer Daniel Malescha allerdings logistische Gründe: Es sei von jeder Sorte nur ein Trikot-Satz vorhanden.

Die Herrschinger zwangen den VfB im ersten Durchgang (25:27) nach beherzter Aufholjagd auch so in die Verlängerung. Allerdings vergaben sie ihren einzigen Satzball, während Adrian Gontariu den zweiten für den VfB nutzte. Im zweiten Satz (23:25) führte Hausers Team zur zweiten technischen Auszeit gar mit fünf Punkten und erhielt lange einen klaren Vorsprung. Angesichts der Schwierigkeiten, die sein Team mit den Herrschingern hatte, schwankte VfB-Trainer Stelian Moculescu zu diesem Zeitpunkt zwischen Schimpftiraden und ehrlicher Fassungslosigkeit; in der Anfangsphase des zweiten Satzes pfiffen selbst die eigenen Zuschauer.

Herrsching war es somit tatsächlich gelungen, den VfB zu ärgern. Allerdings sind sie am Ammersee mittlerweile selbstbewusst genug, auch Spiele gegen Favoriten mit größeren Erwartungen anzugehen: Etwas Zählbares hatten sie sich gewünscht und wurden enttäuscht, weshalb die Laune auf der Heimfahrt entsprechend ausfiel. "Es ist mehr als bitter, was wir heute gemacht haben", klagte Malescha, "wann, wenn nicht heute, soll man hier Punkte holen?" Auch Zuspieler Patrick Steuerwald trauerte der verpassten Chance nach: "Es war mehr drin. Am Satzende hatten wir immer ein paar unglückliche Aktionen, die man sich gegen den VfB eben nicht erlauben kann, selbst wenn er nicht auf dem Level der letzten Jahre spielt." Im zweiten Satz etwa legte Friedrichshafen eine 6:1-Serie hin und verwandelte Herrschings 20:16-Führung in einen 21:22-Rückstand. Hauser lobte trotzdem, er habe in diesem Satz "sehr guten Volleyball" gesehen, "aber am Schluss waren wir dafür, dass wir so hoch führen, zu nervös und zu emotional". Er sei natürlich genervt gewesen, dass statt seiner Mannschaft der VfB 2:0 in Führung lag. Dass es seinen Spielern ähnlich ging, zeigte der finale Durchgang, in dem sich Herrsching mit 14:25 ergab. "Da war die Luft raus", räumte Mittelblocker Roy Friedrich ein, "wenn man die ersten beiden Sätze so blöd verliert, dann ist man einfach enttäuscht."

Während die Spieler wenig Gutes an der Partie fanden, zog es Hauser vor, die Niederlage dort einzuordnen, wo sie hingehörte: in die Kategorie erwartbar. Zwar harmonierte Moculescus Mannschaft nach wie vor nicht sonderlich, die unbestreitbare Qualität der Einzelspieler in Kombination mit einer großen Portion Erfahrung genügte aber, um den Druck in den entscheidenden Spielphasen so zu erhöhen, dass Herrsching keinen zusätzlichen Rückenwind durch einen Satzgewinn bekam. Dramatische Veränderungen ergaben sich aus dem Resultat nicht: Herrsching rutschte in der Tabelle vom siebten auf den achten Platz ab, hat aber drei Plätze und unverändert sechs Punkte Abstand zum einzigen Abstiegsplatz. Ergebnisunabhängig sieht Hauser das Team im Soll: "Der rote Faden ist erkennbar." Nicht nur Malescha spiele stark, "auch andere Spieler haben sich gut entwickelt". Er hob die Leistung von Außen-Annahme-Spezialist Phillip Trenkler hervor, für den die Scouts in den ersten beiden Sätzen 42 Prozent perfekte Annahmen ausgerechnet hatten: "Er war von Anfang an sehr trainingsfleißig, und es ist schön zu sehen, dass dabei was herumkommt."

Dass Hausers Konzept, Spieler voranzubringen zu wollen, offenbar aufgeht, zeigen nicht zuletzt die drei Nominierungen für die Nationalmannschaft. Neben Libero Ferdinand Tille ist Malescha erstmals dabei. Zuspieler Patrick Steuerwald kehrt nach einer Pause zurück.

Vor allem aber bewies der TSV, dass es ihm mit dem viel beschworenen Spaß an der Sache sehr ernst ist. Denn während die Herrschinger nach ihren Punkten auch auf verlorenem Posten noch gemeinsam tanzten, brachte es Friedrichshafen fertig, selbst beim Jubeln angestrengt auszusehen.

© SZ vom 14.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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