Volleyball-Bundesliga:Hauptsache Druck

Lesezeit: 3 min

Am besten spielt Herrsching mit dem Rücken zur Wand. Das reicht beim 1:3 in Friedrichshafen zwar nicht zum möglichen Punktgewinn, gibt aber für die restlichen Hauptrundenspiele Hoffnung.

Von Katrin Freiburghaus, Herrsching

Angesichts der Tabellensituation in der Volleyball-Bundesliga klang es ein bisschen gewagt, als Max Hauser in der Nacht auf Sonntag zerknirscht sagte, "dass es eigentlich schon unser Ziel war, da einen Punkt zu holen". Denn mit "da" meinte der Trainer des TSV Herrsching Friedrichshafen, die Heimat des ungeschlagenen Tabellenersten, der am Samstag bereits vor dem Spiel mehr als doppelt so viele Punkte gehabt hatte wie Herrsching. Angesichts des Spielverlaufs war Hausers Enttäuschung nachvollziehbar, denn nach durchwachsenem Beginn wäre für Herrsching beim 1:3 (19:25, 15:25, 25:23, 29:31) tatsächlich mindestens ein Punkt möglich und nicht unverdient gewesen.

"Der Punkt geht uns schon ab", sagte Hauser, und zwar ausgerechnet beim Versuch, im Viertelfinale der Playoffs einem Duell mit eben jenem VfB Friedrichshafen aus dem Weg zu gehen, der momentan unbezwingbar scheint. Denn so unangefochten die Mannschaft des ehemaligen Bundestrainers Vital Heynen an der Tabellenspitze thront, so gefangen ist Herrsching auf Rang acht, dem letzten Platz, der zur Teilnahme an den Playoffs berechtigt. Die Abstände im Mittelfeld der Tabelle sind minimal. Weil sich die Teams zwischen Platz drei und acht keine Patzer gegen die Abgehängten im Feld leisten und sich in den Duellen untereinander bislang niemand deutlich absetzen konnte, entscheiden Überraschungs-Punkte, wie es einer aus Friedrichshafen gewesen wäre.

Da das Klassement nach der Hauptrunde sozusagen zwischen Platz vier und fünf zusammengeklappt wird, ist Platz acht jener, den in der Endabrechnung niemand innehaben will. Warum das so ist, führte Friedrichshafen am Samstag im zweiten Satz vor, als der TSV schnell hoch zurücklag (2:7, 10:21) und keinen Ansatzpunkt fand, an dem der Primus zu packen gewesen wäre. "Dass man einen Satz komplett untergeht, kann hier schon mal vorkommen", sagte Hauser, "da haben wir dumm gespielt, unklug in den Doppelblock geschlagen und die Quittung bekommen."

Der 0:2-Rückstand schien Herrsching aber zu beflügeln. "Wir haben im Team noch mal besprochen, dass wir absolut nichts zu verlieren haben, danach waren wir im Kopf deutlich freier", sagte Martin Krüger. Herrschings Nummer zwei im Zuspiel vertrat erneut Michal Sladecek, der nur punktuell eingewechselt wurde. Das lag allerdings nicht an der Entzündung in der Schulter, die Sladecek noch immer plagt. "Er wäre grundsätzlich einsatzbereit gewesen", sagte Hauser, "aber ich hatte das Gefühl, dass uns Friedrichshafen sehr genau analysiert hatte, weshalb es nicht schlecht war, etwas zu ändern." Im dritten Satz ging diese Taktik hervorragend auf, auch im vierten lag Herrsching zwar zwischenzeitlich 10:17 hinten, schloss beim 22:22 aber auch dank starker Aufschlagserien von Diagonalangreifer Christoph Marks und Krüger wieder auf.

Mit Blick auf die verbleibenden drei Partien gegen Bühl, beim Letzten Solingen und gegen Düren habe es "ein paar gute Erkenntnisse aus dem Spiel gegeben", sagte Hauser. Darüber hinaus bestätigte seine Mannschaft den Eindruck des vergangenen Wochenendes, dass Sätze in Überlänge offenbar ungeahnte Kraft- und Niveau-Reserven freisetzen. Beim 3:0 in Königs Wusterhausen hatte Herrsching mit 43:41 den zweitlängsten Satz der Liga-Geschichte gewonnen. Auch in Unterhaching, Lüneburg und Rottenburg gingen in diesem Jahr jene Sätze, die wegen des geforderten Zwei-Punkte-Abstands nicht bei 25 Punkten endeten, an Herrsching. Beim VfB setzte sich diese Serie zwar nicht fort, aber auch hier brauchte die Startruppe vom Bodensee immerhin sechs Versuche, um den Matchball endlich zu verwandeln.

"Wir merken selber, dass wir in Druckphasen sehr viel konzentrierter agieren", sagte Krüger, "woran das liegt, wissen wir gar nicht so richtig, aber wir leben von Emotionen und in den engen Phasen ist es sehr viel einfacher, die abzurufen." Auch Hauser ist mit dem Auftreten seiner Spieler unter maximaler nervlicher Anspannung zufrieden. In Königs Wusterhausen ging er so weit, zu sagen, die Verlängerung sei die einzige Phase gewesen, in der ihm das Spiel gefallen hätte. "Wir spielen das grundsätzlich mental ganz gut und sehr konzentriert", sagte er am Samstag, "das ist schon eine Qualität." Dass sich die Friedrichshafener auch von fünf abgewehrten Matchbällen nicht zermürben ließen, war die ihre.

Für die kommenden Wochen ist die Angewohnheit, mit dem Rücken zur Wand die beste Leistung abzuliefern, also kein Nachteil. Denn Coach Hauser legte sich in der Frage, ob es in der Tabelle noch nach oben gehen müsse, fest. "Ab Platz sechs ist in den Playoffs was drin", sagte er, "deshalb haben wir jetzt drei Finalspiele. Wenn wir die gewinnen, sind wir sicher vorne. Und ich bin optimistisch."

© SZ vom 26.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: