Volleyball-Bundesliga:Hängende Haarspitzen

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Weil sie erst sehr lässig sind und später unkonzentriert, verlieren die Alpenvolleys gegen Giesen einen Punkt - dieser könnte noch wichtig werden im Kampf um Playoff-Platz eins oder zwei.

Von Sebastian Winter, Innsbruck/München

Am Mittwoch spielten die Profis der Hypo Tirol Alpenvolleys Haching vor ihrer Heimpartie gegen Giesen Fußball. Im Katz-und-Maus-Spiel zeigten sie flüssige Passstafetten, sie tunnelten sich, schäkerten. Auf der anderen Seite des Netzes dehnten sich die Spieler aus Giesen, und manch einer hat etwas irritiert zu diesem Grüppchen geschaut, das da den Ball zirkulieren ließ. Das etwas andere Aufwärmprogramm hat schon Tradition bei den Alpenvolleys, "es ist ein Ritual, ein wenig Entspannung vor dem Anpfiff", sagt ihr Trainer Stefan Chrtiansky.

Andererseits ist das so eine Sache mit solchen fachfremden Mobilisations-Ritualen: Manche Trainer schätzen sie ganz und gar nicht, ihre Schützlinge könnten sich dabei ja die Beine verstauchen oder brechen. Und die gegnerische Mannschaft, zumal wenn sie krasser Außenseiter ist wie Giesen, ist vielleicht noch etwas motivierter, wenn sie sieht, wie locker-lässig der Favorit sich da auf seinen Job vorbereitet - auch wenn er sich natürlich noch gedehnt und gekräftigt hat.

„Das darf unserer Profitruppe nicht passieren“: Zwei Punkte sind für Trainer Stefan Chrtiansky und Winterzugang German Johansen zu wenig. (Foto: Amir Beganovic/imago)

Am Ende jedenfalls haben die Alpenvolleys, der vormalige Tabellenführer der Volleyball-Bundesliga, die Partie mit Ach und Krach 3:2 (29:27, 22:25, 25:13, 23:25, 15:8) gegen den Tabellenzehnten gewonnen. Weil sie dadurch einen Punkt verloren haben, sind sie nun nur noch Zweiter hinter Friedrichshafen, das Herrsching recht uncharmant mit 3:0 abfertigte. Allerdings hat Friedrichshafen ein Spiel mehr absolviert. Und das, nachdem Chrtianskys Mannschaft vom 7. November bis zum unerwartet dramatischen Duell gegen Giesen - mit Ausnahme eines einzigen Spieltags - ununterbrochen an der Ligaspitze war. "Das ist ein verlorener Punkt und darf unserer Profitruppe nicht passieren", sagte Alpenvolleys-Manager Hannes Kronthaler und schob noch eine ziemlich haarsträubende Erklärung hinterher: "Man hat gemerkt, dass die Haarspitzen nicht bis zum Obersten angespannt waren. Im Unterbewusstsein spürst du das an den Nackenhaaren, ob du voll motiviert bist." Kronthaler, früher selbst mehrfacher österreichischer Volleyball-Meister und Rekordnationalspieler seines Landes, dürfte dieses Gefühl nur allzu gut kennen.

Am "Ladies Day" in der Innsbrucker Olympiahalle (freier Eintritt für Frauen!) hatten die Alpenvolleys vor 800 Zuschauern schon im ersten Satz ihre liebe Mühe mit Giesen, das zugleich immer besser in die Saison kommt. Gerade so mit 29:27 gewann ihn der Favorit, schon da deutete sich an, dass es keinesfalls ein locker-lässiger Abend werden würde für Kapitän Douglas Duarte da Silva und seine Kollegen. Danach trumpfte vor allem Jérôme Clère bei den Grizzlys, wie sich die Niedersachsen nennen, auf. Von 61 Angriffsbällen schlug er 32 erfolgreich ins gegnerische Feld - die Alpenvolleys spielten quasi nur gegen den Franzosen. Auf der anderen Seite kam Kirill Klets auf 26 Punkte im Angriff, dafür war seine Aufschlag- und Blockquote sehr dürftig. Und der mal geniale, mal indisponierte Brasilianer Hugo da Silva hatte ganz und gar keinen genialen Abend erwischt.

So verloren die Alpenvolleys den zweiten Satz, um im dritten Durchgang Giesen mit 25:13 regelrecht wegzubürsten. Danach wurde es wieder ein Zitterspiel, das für die Alpenvolleys bitter endete im vierten Satz - auch weil sie an dessen Ende drei Eigenfehler produzierten. Immerhin ärgerten sie sich danach so sehr über sich selbst und den verlorenen Punkt, dass sie im fünften Satz kurzen Prozess mit den Giesenern machten. Die hatten ihnen trotzdem den Abend verdorben, was man auch am sehr verhaltenen Jubel der Alpenvolleys nach dem Matchball sah. "Giesen war unglaublich stark", nahm Coach Chrtiansky seine Spieler in Schutz, "die zwei Punkte sind okay. Bei uns hat einfach die Konstanz gefehlt." Immerhin sei man zu Hause weiterhin ungeschlagen. Am Sonntag kommt allerdings schon der nächste Gegner der Kategorie "Pflichtsieg", in Unterhaching (17 Uhr, Utzweg) treffen die Alpenvolleys in ihrem wegen des Schneechaos Mitte Januar verlegten Spiel auf die Talente des VC Olympia Berlin.

Drei Punkte sind dort Pflicht, um mit Friedrichshafen Schritt zu halten. Sollten die Alpenvolleys Playoff-Platz eins oder zwei erreichen, würden sie starke Konkurrenz wie Berlin, Frankfurt oder Düren im Viertelfinale umschiffen. Das sollte Anreiz genug sein, um der Kaderschmiede mit betonfesten Haarspitzen zu begegnen.

© SZ vom 08.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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