TSV 1860 München:Ausnahme von der Regel

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Alles wieder gut: Die Aufregung um 1860-Stürmer Stephan Hain (Mitte) hat sich gelegt, der Profi durfte am Sonntag für die Amateure spielen. (Foto: J. Simon)

Das 4:0 der Regionalliga-Reserve gegen Heimstetten behält Gültigkeit - für den SVH ist die Sache damit nicht erledigt.

Von Matthias Schmid, München

Wolfgang Schellenberg hat die ganze Aufregung am Sonntagnachmittag und am Montagmorgen mit einem gewissen Amüsement verfolgt. "Ich war ganz entspannt", sagt der Sportliche Leiter der Nachwuchsabteilung des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München. Er war sich sogar hundertprozentig sicher, dass Stephan Hain in der Regionalliga-Partie von 1860 II gegen den SV Heimstetten spielberechtigt war: "Wir haben das bereits am Freitag von unserem Anwalt juristisch prüfen lassen, nachdem klar gewesen war, dass er eine Option für die zweite Mannschaft werden könnte", sagte Schellenberg am Montag. Stürmer Hain war am Samstag im Spiel der Profis bei Eintracht Braunschweig in der 71. Minute eingewechselt worden und stand tags darauf in der Startelf der Reserve. Als Trainer Daniel Bierofka nach dem 4:0-Erfolg seiner U21 damit konfrontiert wurde, dass er mit der Hereinnahme Hains womöglich einen Regelverstoß begangen haben könnte, reagierte er überrascht. "Mir hatte man im Klub gesagt, dass er spielen dürfte", sagte der ehemalige Bundesligaprofi. In der Pressekonferenz war allerdings Schellenberg nicht anwesend, der die Verwirrung hätte auflösen können, es war überhaupt niemand im Raum, der die scheinbar schlüssige Argumentation eines Heimstettener Funktionärs schnell widerlegt hätte, wonach Hain am Sonntag für die Amateure nicht hätte spielen dürfen. Im Gegenteil. Nun waren alle Beteiligten irritiert, alle Klarheiten gründlich beseitigt.

Heimstetten nahm auf §11, Nr. 3 der Spielordnung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) Bezug. Darin steht, dass ein Spieler einer Lizenzmannschaft für das nächste Pflichtspiel der zweiten Mannschaft nicht spielberechtigt ist. Also hätte Hain nach seinem Kurzeinsatz bei den Profis am Sonntag nicht spielen dürfen. Der Fall schien klar, auch weil Regionalliga-Spielleiter Josef Janker zunächst nicht widersprach, sondern ankündigte, dem Verband den Sachverhalt vorlegen zu wollen. Das genügte den akut abstiegsbedrohten Heimstettenern, um ihre deutliche Niederlage auf dem grünen Rasen in einen Sieg am grünen Tisch umzudeuten.

Am Montag folgte die Ernüchterung. Janker teilte Heimstetten mit, was Schellenberg längst gewusst hatte: Paragraf 11 endet nicht bei Nr. 3. Unter Punkt 4, Absatz 2, wird die Beschränkung teilweise aufgehoben, weil sie nur für den Einsatz von Spielern aus Lizenzklubs in Ligen "unterhalb der 5. Spielklassenebene" gilt, wie es da heißt - die Regionalliga aber ist vierte Ebene. "Der Verdacht hat sich also nicht bestätigt, wie auch unsere internen Prüfungen gezeigt haben", sagt Thomas Müther vom Bayerischen Fußball-Verband (BFV).

Auch wenn Heimstetten nun doch keine Punkte zugeschrieben werden, will sich der Klub juristisch beraten lassen; für den Verein ist die Angelegenheit noch nicht beendet. Unterstützung erhält SVH-Manager Michael Matejka vom ebenfalls abstiegsbedrohten Ligarivalen VfR Garching und dessen Abteilungsleiter Franz Hölzl. Gemeinsam wollen sie die Irritationen zum Anlass nehmen, um die Geschehnisse auf eine moralische Ebene zu hieven. Hölzl und Matejka verfolgen dabei keine Partikularinteressen, sagen sie, es geht ihnen um das große Ganze. Sie prangern Ungerechtigkeit an, weil ihrer Meinung nach die Profiklubs bevorzugt würden. "Den kleinen Klubs in der Regionalliga und dem ganzen Amateurfußball liegt am Herzen, dass es künftig einheitliche Regelungen und Fristen für alle Klassen gibt", sagt Hölzl. Er kennt den Paragrafen-Wirrwarr mit den vielen Absätzen und Ausnahmen nur zu gut aus eigener Erfahrung, es gibt in Bayern allein drei verschiedene Spielordnungen. "Wozu?", fragt auch Matejka. Verständlich ist es ihnen beiden jedenfalls nicht.

Vor zwei Wochen zum Beispiel erzielten die Fürther Stephan Schröck und Marco Stiepermann die Tore beim 2:1-Sieg gegen den VfR Garching, nachdem sie am Tag davor noch in der zweiten Liga aufgelaufen waren. "Diese Ausnahme gilt aber nur für die Profis", kritisiert Hölzl. Während Hain, Schröck und Stiepermann am nächsten Tag wieder spielen dürfen, müssen Amateurspieler, die beispielsweise aus dem Kreisligakader in der Regionalliga eingesetzt werden, anschließend zwei Tage pausieren, auch wenn sie nur eine Minute in der ersten Mannschaft ausgeholfen haben. Sogar zehn Tage müssen Spieler aussetzen, wenn sie in der Bayernliga in der ersten Hälfte mitspielten. Hölzl fragt: "Wo liegt denn da die Logik und die Gerechtigkeit?"

© SZ vom 14.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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