Tennis:Nr. 140 lebt

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Endlich! Peter Gojowczyk ballt nach dem Sieg gegen den Rumänen Marius Copil die Faust. Für den 27-Jährigen war der Vier-Satz-Sieg sein erster Erfolg überhaupt im Hauptfeld von Wimbledon. (Foto: Roland Harrison/imago)

Peter Gojowczyk steht erstmals in der zweiten Runde von Wimbledon. Nach vielen Verletzungen sendet der Dachauer beim wichtigsten Grand-Slam-Turnier der Welt ein kräftiges Signal - und genießt.

Von Matthias Schmid, London

Für die meist englischsprachigen Betreuer der ATP-Tour-Webseite ist Peter Gojowczyk nicht nur wegen seines unaussprechlichen Nachnamens ein Spieler, mit dem sie sich offenbar nicht allzu oft beschäftigen. Sonst hätten sie bei dem gebürtigen Dachauer mal nach einem neuen Bild gefragt oder selbst einen Fotografen vorbeigeschickt. Auf der Homepage der Tennis-Tour prangt noch immer ein Bild, das Gojowczyk mit zusammengebundenen Haaren zeigt. Dabei hat sich der 27-Jährige schon vor Jahren von seinem Zopf getrennt. Aber vielleicht finden die ATP-Verantwortlichen in diesen Tagen von London, wo gerade das dritte Grand-Slam-Turnier des Jahres gespielt wird, Gelegenheit für ein aktuelles Foto. Denn Gojowczyk hat seinen Aufenthalt in der englischen Hauptstadt erst einmal verlängert. Bis mindestens Donnerstag wird er in Wimbledon bleiben, wo an diesem Mittwoch seine Zweitrundenpartie gegen den Weltranglisten-19. Roberto Bautista Agut ansteht.

Der Erfolg in der ersten Runde bringt ihm fast so viel, wie er im ersten Halbjahr verdient hat

Gojowczyk, aktuell Nummer 140 im Ranking, hat beim bekanntesten Tennisturnier des Planeten erstmals eine Partie im Hauptfeld gewonnen, es war sein erstes Match überhaupt im erlesenen Feld der besten 128 Spieler. In den vergangenen Jahren waren die All England Championships für ihn schon beendet, ehe sie überhaupt richtig begonnen hatten. Er verlor nämlich meistens in der ersten Runde der Qualifikation. "Hervorragend" sei es gelaufen, sagte Gojowczyk deshalb auch, als er am Montagabend an dem runden Tisch in dem kleinen Interviewzimmer des Lawn Tennis and Croquet Clubs Platz nahm. Noch interessiert sich nur eine kleine Gruppe von Journalisten für seine Geschichte, die aus der zweiten Reihe des Profitennis erzählt, wo die Leidenschaft für den Sport genauso groß ist wie bei Roger Federer oder Rafael Nadal, aber die Herausforderungen vielleicht noch größer.

Gojowczyk und die anderen, die sich jenseits von Ranglistenplatz 100 bewegen, spielen nicht nur um Punkte und ein wenig Ruhm, sondern vor allem um ihre Existenz. "Wenn man wenig gewinnt, verliert man nicht nur sein Selbstvertrauen, sondern auch seine Sponsoren", erzählt Gojowczyk. Er hat in den vergangenen Jahren auch von der Unterstützung durch seine Eltern leben müssen. Das Preisgeld für den 7:6 (5), 2:6, 6:3, 6:1-Sieg gegen den Rumänen Marius Copil kommt ihm da ganz gelegen. 74 000 US-Dollar bringt der Erfolg, das ist fast so viel, wie Gojowczyk im gesamten ersten Halbjahr verdient hat, Steuern und das Gehalt für Trainer und Physiotherapeuten noch nicht abgezogen.

Gojowczyk will nicht jammern. Aber seine Geschichte zeigt, wie schwierig es ist, sich nach Verletzungen wieder zurückzukämpfen. Auf Platz 79 der Weltrangliste stand er einmal. Drei Jahre liegt es zurück, als er Nadal einen Satz stibitzte und im Davis Cup den Top-Ten-Spieler Jo-Wilfried Tsonga in fünf Sätzen bezwang. Statt auf dem Platz verbrachte er in den vergangenen Jahren aber mehr Zeit in Arztpraxen. Zweimal musste er sich operieren lassen, weil ihn ein sogenanntes Morton Neurom an beiden Füßen plagte. Seine Verletzungspausen summierten sich auf mehr als ein halbes Jahr. Die Tour für immer zu verlassen, war dennoch "nie ein Thema für mich", sagt Gojowczyk. "Schon nach kurzer Zeit ist mir die Decke auf den Kopf gefallen, weil ich wieder raus wollte."

Deshalb kann er nun auch Siege wie diesen in Wimbledon besser genießen als früher. "Ich wollte unbedingt eine Revanche haben gegen Copil, nachdem ich gegen ihn im Qualifikationsfinale von Paris noch verloren habe", sagt Gojowczyk. Er weiß, dass es nicht selbstverständlich ist, auf der großen Bühne vorspielen zu dürfen. Vielleicht ist sein Aufenthalt im Südwesten Londons nach dem Match gegen den Weltranglisten-19. Bautista Agut beendet. Ein Haus wie die Spitzenspieler in der Nähe der Anlage an der Church Road kann er sich eh nicht leisten. Viel zu teuer, sagt er: "Ich wohne in einem Hotel in der Stadt."

Vielleicht klappt es aber zumindest mit einem neuen Foto auf der ATP-Homepage. Die Macher sollten sich beeilen. Peter Gojowczyk denkt darüber nach, sich die Haare wieder wachsen zu lassen.

© SZ vom 05.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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