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Matthias Bachinger hatte im Frühjahr fast den Glauben an ein Comeback verloren. Die jüngsten Erfolge geben dem Münchner Mut, sein großes Ziel erneut zu erreichen - die Australian Open.

Von Gerald Kleffmann, Bozen/München

Es ist nicht lange her, ein paar Monate nur, da stellte sich der Münchner Matthias Bachinger eine Frage: "Will ich noch mal Gas geben - oder lasse ich es jetzt ausklingen?" Bachinger dachte nach. Mit seinem rotbraunen Seemannsbart sieht er unerschütterlich aus, aber er hat eine grüblerische Seite in sich. Und so rangen die Seelen miteinander, die kampfbereite, die weichere. Am Ende beantwortete er seine Frage mit einem Wort: "Nee!" So wollte Bachinger, 30 Jahre alt, seine aktive Karriere als Tennisprofi nicht beenden. Als Seemann, der einknickt. Er beschloss: Ich wehre mich. Ich glaube an mich, auch wenn es dauert. Ich will wieder aufstehen.

Und genau das versucht er jetzt. Und genau deshalb ist er gerade in Bozen. Um aufzustehen. "Ich bin sicher, ich habe noch ein paar gute Jahre vor mir", sagt er.

In Marburg erreichte Bachinger das Viertelfinale, in Illinois danach sogar das Halbfinale

Solche Sätze klingen gerne selbstverständlich, wenn sie ein Profisportler sagt. Aber sie sind es nicht für jene, die wie Bachinger zwischen zwei Welten changieren, die das Potenzial haben, in sorgenfreie Sphären vorzustoßen, 85. der Weltrangliste war er 2011, in dieser Höhe lässt es sich aushalten. Man spielt große Turniere, keine Qualifikationen, es gibt Fahrdienste, wenn man Glück hat, verliert man zwar, aber man kann es genießen wie 2014, als Bachinger bei den US Open vor 20 000 Zuschauern gegen Andy Murray antrat.

Vergangenes Jahr dagegen fiel Bachinger aus den Top 500, das Knie machte ihm zu schaffen, so ist das Geschäft, eine Verletzung, schon rutscht man ab in den sorgenvollen Bereich. "Mental ist das schwierig gewesen", erklärt Bachinger, der das Pendeln längst verinnerlicht hat zwischen der ATP Tour, der Challenger Tour und kleinen Turnieren wie in Bozen. Deshalb kommt er klar damit. Was nicht heißt, dass er Krisen nicht kennt. Und je älter er wird, desto tiefer fräsen sich die Zweifel vor. Allein ist es dann nur schwer zu schaffen, sich von Gedanken zum Aufgeben frei zu machen.

Aus jetziger Perspektive wirkt alles im Lot, Bachinger ist in der Spur. Am Sonntag gewann er in Südtirol ein 25 000-Dollar-Future, nicht weltbewegend, diese Serie ist eine für aufstrebende Talente von unten, die erste Punkte sammeln wollen, und Gestrandete von oben, die zurück wollen. 50 Weltranglisten-Plätze etwa kletterte Bachinger hoch, um die 350 steht er nun, in Rungg, ums Eck von Bozen, versucht Bachinger nun, seinen zweiten Titel in dieser Woche zu holen. Aber nicht nur darum geht es. Sein Spiel muss im Fluss bleiben, Matchpraxis braucht er mehr denn je. Es kam ja oft genug vor, dass sich Bachinger kreuz und quer durch die Welt mühte, in Happy Valley in Australien, in Saint-Brieuc in Frankreich oder in Rom ankam - und nur zwei Partien, manchmal nur eine gar bestritt und wieder abhauen musste. "Das ist schwer zu verkraften", gesteht Bachinger, der mehrere Säulen hatte, die ihn innerlich stärkten. Seine Trainer Lars Uebel und Lukas Wolff in der Tennis-Base in Oberhaching, klar, aber auch Carlo Thränhardt, der frühere Hochsprung-Champion, der sich seit langem um die Fitness einiger deutscher Tennisspieler verdient macht. Und ein guter Freund half ihm, mit Patrick Rudolf führte er zig Gespräche, in einer Zeit, in der er nicht mehr in den Ergebnisteilen der Medien auftauchte. Ein Muskelfaserriss warf ihn zudem zurück.

Auch damit gilt es umgehen zu können, dass das Interesse da ist, wenn man gut spielt. Spielt man nicht gut oder gar nicht, kann man sich schnell wie ein Vergessener fühlen. Auch wenn Bachinger sicher keiner ist, der jemals unangenehm mit Geltungssucht aufgefallen wäre. Vielmehr wirkte er manchmal zu nett gegenüber den Gegnern und sich selbst, spielerisch hätte er das Werkzeug, sich mal länger in den Top 100 zu halten. Aber Bachinger weiß aus Erfahrung, dass vieles zusammenpassen muss. "Du wartest auf den Klick-Moment", sagt er dazu. Anfang dieses Jahres hätte er fast hingeworfen, obwohl er sich bereit wähnte, verlor er zu oft und oft knapp, was an ihm nagte. Im Juni aber klickte es. In Marburg beim Challenger, die immer hochwertiger werden, kämpfte er sich durch die Qualifikation, gewann zwei Runden. Plötzlich leuchtete das Wort Viertelfinale auf. Bachinger spürte, dass etwas aufging. Dass sich etwas, trotz Tiefs, zum Guten entwickelte. In den USA, in Winnetka, Illinois, erreichte er sofort das Challenger-Halbfinale und bezwang zwei starke US-Talente. "Ich habe wieder Spaß", sagt Bachinger, "ich spiele gut, bin motiviert." Eine Gewähr für Erfolg ist dieser Geist nicht. Aber er ist die Basis, ohne die Erfolg nie funktionieren würde. Dass Kollegen aus der Base, etwa Yannick Hanfmann, ein tolles Jahr spielen, "inspiriert mich zusätzlich".

Bachingers Pläne stehen, er will sie endgültig entschlossen durchziehen, am Sonntag tritt er in der ersten Liga an, für Aachen, Einsätze dort sichern ihm ein Grundgehalt, eine Stütze im Tour-Alltag. Im Januar 2018 will es Bachinger bei den Australian Open in die Qualifikation schaffen, 2015 erreichte er dort überraschend schon mal Runde zwei im Hauptfeld. "Ich will auch das Drumherum mehr genießen", gibt er zu. Bachinger weiß, dass auch er Privilegien hat, er bereist die Welt: "Wenn ich einmal aufhöre, kommt diese Zeit nie wieder."

© SZ vom 09.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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