Tennis:Basis-Arbeit

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Lars Uebel betreut im Leistungszentrum Oberhaching das Gros der deutschen Tennis-Profis. Mit Erfolg: In der Weltrangliste geht es aufwärts.

Von Gerald Kleffmann

Roger Federer hat sich neulich gemeldet. Also nicht persönlich, aber über seinen Coach. Ob nicht einer der Jungs aus der Tennis-Base Zeit habe, in die Schweiz zu kommen, fragte Severin Lüthi an. Um mit dem 19-maligen Grand-Slam-Sieger zu trainieren, ehe der zum ATP-Turnier nach Schanghai flog. Schon oft hat der 36-Jährige auf Spieler aus dem Leistungszentrum des Bayerischen Tennis-Verbandes in Oberhaching zurückgegriffen. "Diesmal hat es nicht gepasst", sagt Lars Uebel, 37. Seine Jungs waren alle unterwegs. "Für uns müssen solche Ausflüge ja auch einen Mehrwert haben", sagt der Cheftrainer der dortigen Profis. Damals war es wichtiger, dass der eine oder andere seinen guten Lauf bei Turnieren nicht unterbricht. Auch diese Woche waren einige im Einsatz, bis Sonntag finden noch die mit 43 000 Dollar dotierten Wolffkran Open beim TC Ismaning statt. Der Trend der Oberhachinger ist unverkennbar: Fast jeder kletterte 2017 in der Weltrangliste. Ein Streifzug an der Basis.

Belohnung in Gwangju

Matthias Bachinger. (Foto: Matthias Hauer/Imago)

Am Donnerstag lag Matthias Bachinger flach. Und zwar auf dem orangenen Teppichboden in der Ismaninger Halle. Der Kreislauf sackte weg, Schwindel, Kribbeln im Arm. Nach gewonnenem ersten Satz (7:6) musste Bachinger das Zweitrundenmatch gegen den Polen Hubert Hurkasz aufgeben. Ein mitgebrachter Virus von seiner letzten Reise nach Asien. Kein schöner Moment für den Münchner, der in den vergangenen Monaten, nach verletzungsreicher Zeit, "eine tolle Entwicklung genommen" hat, wie Uebel sagt. Im Juli war er jenseits der Top 400, nun ist er 195. im Ranking. "Matthias hat verstanden, dass seine Karriere endlich ist", sagt Uebel. Bachinger wisse, dass er mehr für seinen Körper tun müsse als mit 21. So greift Bachinger - seine Idee - auf einen Neuro-Athletiktrainer zurück, der an Gehirnsteuerungen tüftelt. Ziel ist es, dass die Muskeln besser zusammen arbeiten. In Gwangju, Südkorea, belohnte sich Bachinger für seine Professionalität und gewann den Challenger-Titel. "Eine Erlösung", sagt der 30-Jährige in Ismaning, nachdem er sich wieder stabilisiert hat. Bei den Australian Open im Januar darf er nun die Qualifikation spielen. "Er kann in die Top 100", sagt Uebel, "er ist ein richtig guter Tennisspieler."

Der Überspringer

Ziehvater mit Ziehkind: Lars Uebel (rechts) mit Yannick Hanfmann beim Turnier in Gstaad. (Foto: Peter Schneider/dpa)

Yannick Hanfmann, 25, verbesserte sich binnen eineinhalb Jahren von Rang 500 auf 132. "Die Entwicklung geht manchmal fast zu schnell, auch wenn ich mich für ihn freue", sagt Uebel. "Wir überspringen notwendige Entwicklungsschritte." Hanfmann, gebürtiger Karlsruher, als US-College-Spieler aktiv gewesen, ist so etwas wie Uebels Ziehkind. Er habe einiges in ihm gesehen, als Hanfmann vor zwei Jahren zur Base stieß. Aber was 2017 ablief, überraschte auch ihn: "Yannick hatte sein erstes Tour-Event, sein erstes Tour-Finale, Davis Cup, Grand-Slam-Einsatz, dazu die Medienpräsenz " - andere brauchen Jahre für eine solche Bilanz. Hanfmann stand bei der BMW Open im Viertelfinale, in Gstaad im Finale (er unterlag dem Italiener Fabio Fognini), kam beim bedeutungslosen letzten Davis-Cup-Einzel in Portugal zum Einsatz (das er verlor). Hanfmann könne mit seinem gesunden Menschenverstand alles gut einordnen, versichert Uebel. Intern arbeitet er mit ihm eher daran, dass Hanfmann noch besser gegen Widerstände anzukämpfen lernt. Nur weil der Gegner etwa nicht passe, könne man nicht ein paar Prozente nachlassen. Jedes Puzzle-Teil sei wichtig.

Ohne ATP-Sieg in den Top 100

Maximilian Marterer. (Foto: Cathrin Müller/Imago)

Die Situation von Maximilian Marterer ist kurios. Der 22-Jährige aus Nürnberg hat noch nie eine Runde bei einem ATP-Turnier gewonnen. Und doch ist er jetzt das erste Mal Mitglied der Top 100 - als Hundertster - und damit achtbester deutscher Profi. "Wir freuen uns darüber", sagt Uebel und verweist auf Marterers clevere Turnierauswahl. Der habe an Selbstvertrauen zugelegt und trete bei Challengers, der Serie unterhalb der ATP Tour, entsprechend auf. Nur: "Als nächsten Schritt muss er sich auf Tour-Level durchsetzen." Neunmal in 2017, 14 Mal insgesamt stand Marterer im Hauptfeld - und verlor immer. "Diese Hürde muss er nehmen", sagt Uebel. Abgesehen davon ist Marterers Bilanz bemerkenswert: Er gewann die Challenger in Banja Luka und Monterrey, erreichte erstmals die erste Runde eines 1000er Turniers, in Cincinnati. Der Linkshänder, am Anfang oft als Kopie von Rafael Nadal als Sparringspartner gebucht, entwickelt eigenes Profil. In Ismaning war er an Position eins gesetzt, konnte wegen Krankheit aber nicht antreten.

Mr. Blackroll

Cedric-Marcel Stebe, (Foto: Jürgen Hasenkopf/Imago)

Cedric-Marcel Stebe ist schon 27, aber im Grund fehlen ihm drei Jahre seiner Karriere. Sie wurden ihm gestohlen, von Verletzungen, die ein Buch füllen. "Er gehört vom Potenzial in die ersten 100", sagt Uebel, "er kann hoffentlich bald auch um die Plätze 50 bis 75 kämpfen." Der Linkshänder, der 2012 sein Davis-Cup-Debüt gab und im vergangenen September in Portugal sein Auftakteinzel gewann, habe sein Schicksal vorbildlich angenommen, sagt Uebel. Stebe pflege akribisch Muskeln und Sehnen, "er ist mit der Blackroll verheiratet, scherzen wir immer". Mit der schwarzen Rolle macht Stebe seine Übungen. Drei Challenger-Titel, ein ATP-Viertelfinale in Genf und Achtelfinale in Hamburg, dazu die zweite Runde bei den US Open - Stebe hat bestätigt, was Uebel so ausdrückt: "Er hat es spielerisch drauf, weiter vorne mitzumischen." In der Weltrangliste nähert er sich als 78. seinem Career High (72./2012).

Oldie but Goldie

Florian Mayer. (Foto: Claus Schunk)

Florian Mayer ist der Dauerbrenner, "der Oldie but Goldie", wie Uebel sagt. Gefühlt bestreitet der Bayreuther nach Tommy Haas die längste Abschiedstournee, mit dem Unterschied, dass er, erstens, wieder ein Jahr weiterspielen wird und, zweitens, "herausragende Ergebnisse" einfährt. Auch wenn der 34-Jährige seit Januar zehnmal sein Auftaktmatch verlor, ist er als 66. fünftbester Deutscher. 2016 siegte er in Halle, 2017 stand er am Hamburger Rothenbaum im Finale. An der Base fügt Mayer sich trotz der erfolgreichsten Vita so ein wie die Jüngeren. "Auch wenn jeder ein Individualunternehmer ist", sagt Uebel, "der Zusammenhalt ist wirklich gut."

© SZ vom 21.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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