Tanzen:Rekorde im Viervierteltakt

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Die Boogie Magic's um die erfolgreichen Teenager Theresa Sommerkamp und Elian Preuhs dominieren die deutschen Meisterschaften in Bad Füssing wie noch kein Verein vor ihnen.

Von Andreas Liebmann

Manchmal, wenn Elian Preuhs nach einem Schultag, dem Essen und anschließendem Lernen nicht unmittelbar vom Schreibtisch ins Bett fiel, verschickte er eine Kurznachricht. Ob die Empfängerin nicht doch noch kurzfristig Lust hätte, mit ihm tanzen zu gehen? Theresa Sommerkamp hatte fast immer Lust. Doch es war viel zu selten der Fall, dass er eine dieser Nachrichten verfasste.

Seit dem Kindergartenalter tanzen die beiden 19-Jährigen miteinander, in ihrem Fall hieß das irgendwann, mindestens fünfmal pro Woche gemeinsam zu trainieren. So wurden sie Boogie-Woogie-Jugendweltmeister. Doch Elian Preuhs ist nicht nur im Sport ehrgeizig. Mit näherrückendem Abitur stellte er fest, dass er Schule und Tanzen nicht parallel mit vollem Einsatz hinbekommen würde, also beschlossen die beiden eine einjährige Auszeit. "Theresa hat die Zeit ganz gut zu nutzen gewusst", berichtet Preuhs. Nicht dass sie sich von ihrem Partner hätte erholen müssen, doch es habe allerhand private Dinge gegeben, zu denen auch sie während ihrer Turnierkarriere zu wenig gekommen sei. Preuhs selbst nutzte die Auszeit, um seine Schullaufbahn mit einem Einserschnitt zu beenden.

Insofern war es mehr als erstaunlich, dass ihre beiden Namen am vergangenen Sonntag auf dem Wanderpokal für deutsche Meister eingraviert wurden. Fast ein Jahr lang hatten sie vielleicht ein, höchstens zwei Mal pro Woche gemeinsam getanzt, keine Auftritte gehabt. Ihnen fehlte Routine. Sie hatten seit Sommer zwar wieder aufgeholt, sich an ihren Leistungssport herangearbeitet, neue Figuren geübt, dennoch hätten sie sich vor der Fahrt zu den deutschen Meisterschaften in Bad Füssing gesagt: "Das ist nicht unser Jahr." Sie seien entspannt gewesen, sagt Elian Preuhs, nicht frei von Erwartungen, aber frei von Druck. 2020 hätten sie dann angreifen wollen. Sie seien ja erst 19, hätten sie sich gesagt, sie hätten Zeit. Ihre Hauptkonkurrenten sind über 30. Nun standen ihre beiden Namen auf diesem Pokal, aber natürlich nicht all die Geschichten, die hinter ihrem Sieg standen, oder besser: all die Geschichten, die sie mit ihrem Verein geschrieben hatten. Zum Beispiel ist das Tanzpaar am Sonntag zum fünften Mal in Serie deutscher Meister geworden, viermal in der Jugend und nun gleich im Anschluss in der Main Class, also bei den Erwachsenen. Damit sind sie die jüngsten deutschen Meister in der Geschichte dieser Klasse. "Es war schon sehr emotional", sagt Preuhs.

Theresa Sommerkamp und Elian Preuhs haben mit ihrem Verein Geschichte geschrieben. (Foto: Anita Windsberger / oh)

Die Meisterschaft war ohnehin eine besondere. Einige Tage zuvor war Wolfgang Steuer gestorben, der Rock 'n' Roll und Boogie Woogie nicht nur rund um München gefördert und geformt hat wie kein anderer, auch als Weltverbandspräsident. Sommerkamp und Preuhs hatten schon als Kinder bei ihm erste Auftritte bekommen. In Bad Füssing wurde ihm in einer Schweigeminute gedacht, Moderator in der Halle war Elians Vater und Trainer Johann Preuhs, der Steuer als Gründer der Boogie Magic's Hohenbrunn über Jahrzehnte eng verbunden war. Und dann stand auch ihr persönliches Jubiläum an: Wenige Tage später, an diesem Donnerstag, jährt sich ihr erstes gemeinsames Turnier exakt zum zehnten Mal. Damit waren die Teenager mit Ausnahme der Senioren das dienstälteste Paar im ganzen Feld, wie Preuhs schmunzelnd berichtete. Es ist ihre elfte Turniersaison.

Aber das war es noch nicht mit den Rekorden, im Gegenteil. In der Vorrunde tanzten sie direkt neben den Favoriten Valerie Reiß und Christoph Pecher von der Boogieschmiede Kirchdorf, den Lokalmatadoren. Sie gingen mit vier Punkten Vorsprung in Führung, der sich in der Slow-Endrunde, in der sie etwas Pech hatten mit dem zugelosten Lied, halbierte. Vor dem schnellen Finale, dem Abschluss des Turniertags, lag dann enorme Spannung in der Luft, denn nachdem ihre Boogie Magic's im November schon den deutschen Titel der Formationen geholt hatten, war es nun den WM-Zweiten Nicola Götzner und Paul Siegl gelungen, die Jugendklasse zu gewinnen - als Nachfolger von Sommerkamp/Preuhs. Bei den Senioren hatten sich Cornelia Versteegen und Stephan Eichhorn den Titel für Hohenbrunn geschnappt, zum sechsten Mal in Serie. Auch ein Rekord. Und es war klar: Würden Sommerkamp/Preuhs ihren Vorsprung ins Ziel tanzen, wäre dies das erste Mal, dass ein Verein alle vier Titel erobern würde. Und genau das gelang.

Alle Sieger samt Trainerehepaar Preuhs. (Foto: Anna Sommerkamp)

Elian Preuhs hat nun wieder mehr Zeit. Bis zu sieben Mal pro Woche trainiert er, während er sich beruflich zu orientieren versucht. Eines seiner Projekte: Er selbst will die kommende bayerische Meisterschaft veranstalten, nächsten April in Oberpframmern, wo seine Familie lebt. Eventmanagement könnte ja ein möglicher Beruf werden. Übrigens: Auf jenem Wanderpokal stand auch schon mehrmals der Name Doris Preuhs, seine Trainerin und Mutter. Man ahnt es: Auch das gab es noch nie.

© SZ vom 04.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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