SV Pullach:Das erste Bohrloch im Brett

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Dankbarer Abnehmer: Leon Ritter (links), Zugang aus der A-Jugend des FC Deisenhofen, verwertete eine Vorlage von Henri Koudossou (rechts) zum 2:1-Siegtor. Es war Ritters erster Treffer bei seinem Bayernliga-Debüt. (Foto: Claus Schunk)

Dem runderneuerten Bayernligisten gelingt im Spiel eins nach Frank Schmöller ein überzeugender Auftritt. Gegen Kirchanschöring lässt das Team von Spielertrainer Alexander Benede fußballerische Klasse aufblitzen.

Von Fabian Dilger, Pullach

Saison eins und Spieltag eins in der Zeitrechnung des neuen SV Pullach. Die Raben gibt es zwar als Verein seit 1946, aber in der jüngeren Vergangenheit und damit im kurzlebigen Gedächtnis der Fußballgemeinschaft verkörperten besonders zwei Personen den Isartaler Fußball: Frank Schmöller stand die vergangenen sechs Jahre als Trainer an der Seitenlinie, Theo Liedl war der Manager der sportlich erfolgreichen Bayernliga-Jahre. Jetzt steht der neue Trainer als Spieler selbst auf dem Platz, und auch der Manager ist ein anderer. Alexander Benede als Coach und Robert Bäumel als Planer gestalten den Pullacher Umbruch. "Für mich war das natürlich eine wahnsinnig aufregende Sache, ich war auch wirklich nervös", sagte Benede nach seinem Debüt. "Wir haben alle auf den Saisonstart hingefiebert", sagte Bäumel. Beruhigend für die neuen Chefs: Gleich am ersten Spieltag holte Pullach mit einem 2:1 (1:1) gegen den SV Kirchanschöring den ersten Sieg.

Die Testspiele sind vergessen. "Das spielerische Element war immer zu erkennen", sagt Benede

Und wie sah er aus, der neue SV Pullach? Überraschend schön. Nach der Vorbereitung hätte man ja durchaus Arges erwarten können, einen Umbruch, der einem die Luft abdrückt und ins Ohr flüstert: "Die letzten Jahre waren so schön, aber gewöhn' dich dran, ab jetzt wird alles anders." In den vergangenen Spielzeiten waren die Raben erfolgsgewohnt, Meister wurde man und dreimal Zweiter, der Regionalliga-Aufstieg scheiterte nur daran, dass der Klub kein entsprechendes Stadion hat. Aber neben der Funktionärsebene erlebte auch die Mannschaft einen Umbruch. Stützen wie Kapitän Christoph Dinkelbach, Daniel Leugner oder Lukas Dotzler verabschiedeten sich, in fünf Testspielen holte der SV nur ein Unentschieden. Und dann war da noch dieses Spiel gegen Türkgücü. Dieses Spiel, das mit einem Ergebnis endete, wie man es sonst nur im Jugendbereich sieht, als Pullach eine absurd hohe 0:12-Niederlage kassierte. Glück für die junge Pullacher Mannschaft, dass sich die meisten atemlosen Fanmeinungen mit dem neuen Münchner Powerhaus beschäftigten und die Geprügelten gar nicht bedachten. Benede wollte aber den reinen Ergebnis-Eindruck der Vorbereitung auch gleich relativieren: "Das spielerische Element war in allen Vorbereitungsspielen bis ins letzte Drittel zu erkennen. Nur haben wir keine Verträge zum Abschluss gebracht. Das haben wir heute hinbekommen."

Dafür zahlten die Kirchanschöringer dann beim ersten Punktspiel die Prämie. Pullach war das gesamte Spiel über die aktivere Mannschaft. Benede hatte die Traunsteiner, verstärkt mit dem ehemaligen Pullacher Dinkelbach, vor der Partie als eine der stärkeren Mannschaften in der Liga erwartet - die Offensive gehörte aber fast durchgängig dem Heimteam. Eine ruhige Anlage im Spielaufbau mit Bemühen um spielerische Lösungen sah man von Pullach, ein Anzeichen für den "attraktiven, schönen, mutigen Offensivfußball", den der neue Trainer am liebsten spielt.

Nach einer halben Stunde zog Pullach genau einen solchen Spielzug auf, wie man ihn vorher trainiert habe, sagte Benede: Ein gefühlvoller Schlenzer hinter die Abwehr, der freigespielte Henri Koudossou konnte bis in den Strafraum durchziehen und überlegt querlegen, Zugang Nureddin El Sayed musste bloß noch einschieben. Dann wachte Kirchanschöring kurz auf: Vier Minuten später wurde die oft hoch stehende SV-Abwehr einmal ausgehebelt, Manuel Jung erwischte den Ball und legte in die Mitte zu Manuel Omelanowsky. Der umkurvte den Torwart, legte sich dabei fast auf den Boden, aber schob dann doch stolpernd zum Ausgleich ein.

In der zweiten Hälfte bereitete Pullach dann Probleme, was noch am ausbaufähigsten im Offensivspiel scheint: die Gefährlichkeit in und um den Strafraum herum. Die Isartaler nahmen sich so viele Spielanteile, wie sie wollten, der letzte Pass in den Strafraum oder ein Schuss von jenseits der 16-Meter-Linie kamen aber fast nie zustande. So wie bei Max Zander, der im Strafraum eigentlich frei war, den Abschluss dann aber zu lange verzögerte (69.). Vier Minuten vor Ende war es wieder Koudossou, von Benede zum Rechtsaußen umfunktioniert, der das Siegtor vorbereitete: Pass nach außen, Direktabnahme Koudossou, der punktgenau den eingewechselten Leon Ritter im Strafraum fand. Ritter, letztes Jahr noch A-Jugendlicher beim FC Deisenhofen, legte den Ball unhaltbar direkt ins linke Eck.

"Jetzt fällt schon ein bisschen Ballast ab", sagte Benede nach dem ersten Sieg. Bei der Saisonvorschau bleiben sie in Pullach vorsichtig. "Es wäre vermessen zu sagen, dass wir uns die gleichen Ziele setzen wie in den letzten Jahren", sagt Bäumel. "Die Bayernliga wird ein Mordsbrett", glaubt Benede, von den jungen Spielern könne man keine Konstanz erwarten. "Wenn wir am Freitag nach Wasserburg fahren und die uns die Leviten lesen, dann hab ich dieselbe Thematik wieder", sagt Benede. Sicher dürfte aber sein: Ein 0:12 wird der neue SV Pullach mit solchen Leistungen nicht mehr befürchten müssen.

© SZ vom 15.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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