Surfen:Azoren-Hoch

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Ihre Erfahrungen bei der WM will Rosina Neuerer, 16, nun bei der EM auf der "Stationary Wave" am Münchner Flughafen umsetzen - und sich nächstes Jahr als Profi versuchen

Von Stefan Galler, Aying/Freising

Gründe, diesmal bei der Europameisterschaft am Münchner Flughafen nicht an den Start zu gehen, gibt es eigentlich genug. Erstens muss sich Rosina Neuerer jetzt echt richtig konzentriert um die Schule kümmern, schließlich steht in einem Jahr die Abiturprüfung an und für die Zulassung fehlt ihr noch eine wichtige Hausarbeit. Und dann ist da ja auch noch diese Verletzung, die sich die 16-Jährige bei der Weltmeisterschaft der Wellenreiter auf den Azoren zugezogen hat. Als sie von einer heftigen Welle vom Strand aufs Meer gespült wurde, blieb sie mit einem Bein an der Finne ihres Bretts hängen und zog sich dabei eine schmerzhafte Schienbeinprellung zu.

Und doch reicht ein einziger Grund aus, um diese beiden Argumente für einen Startverzicht bei den offenen kontinentalen Titelkämpfen im Surfen auf der "Stationary Wave" wegzuwischen: "Ich habe einfach wahnsinnig Lust auf diese Veranstaltung", sagt Rosina Neuerer. Und deshalb hat sich die Ayingerin auch in diesem Jahr wieder angemeldet. "Ich erhoffe mir schon etwas, im Idealfall eine Podiumsplatzierung", sagt die Schülerin. Allerdings müsse dafür alles perfekt laufen, zu selten habe sie in dieser Saison auf der sogenannten stehenden Welle geübt. "Am Eisbach war ich ewig nicht mehr, ich bin tatsächlich ein bisschen aus dem Training." Nun will sie unmittelbar vor dem Wettkampf noch auf die Welle gehen. Das Gefühl werde hoffentlich schnell zurückkehren.

Naturgewalt: Bei der WM an der Atlantikküste "waren die Wellen teilweise drei Meter hoch", erzählt Rosina Neuerer. (Foto: privat/oh)

Für Rosina Neuerer, die das Wellenreiten als Zwölfjährige in Bruckmühl an der Mangfall erlernt hat, dürfte sich das Surfen auf der "Stationary Wave" im Rahmen des "Surf & Style"-Festivals am Airport fast ein bisschen mau anfühlen. Bei ihrem Abenteuer auf den Azoren im September hat sie Naturgewalten erlebt, mit denen man als zierliches Mädchen erst mal klar kommen muss: "Teilweise waren die Wellen drei Meter hoch und das bei heftigem Wind und Strömung", erzählt sie. Mitten im Atlantik entwickle das Wetter deutlich mehr Kraft als beispielsweise an der ebenfalls imposanten französischen Küste. Rosina drückt es in der Surfersprache aus: "Das war der kraftvollste Spot, an dem ich bisher war."

Zumindest das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Die Abiturientin überstand die erste Runde auf Rang zwei hinter der Britin Anna Jellema-Butler, wurde in der zweiten Runde Dritte und qualifizierte sich über die Hoffnungsrunde noch für das Achtelfinale. Dort hatte sie dann ein bisschen Pech bei der Auswahl ihrer Wellen, die durchweg zu früh brachen, um ausgiebige Moves zu zeigen. "Die meisten Konkurrentinnen hatten halt auch Trainer am Strand stehen, die ihnen anzeigten, welche Welle sie nehmen sollten", sagt Neuerer, die am Ende immerhin einen geteilten 25. Platz unter 49 Starterinnen belegte. Den Titel eroberte die überragende US-Amerikanerin Caroline Marks vor der Australierin Indira Robinson und Elin Tawharu aus Neuseeland, alles klassische Wellenreiter-Nationen.

Doch nicht nur die sportliche Herausforderung, auch die Atmosphäre wird Rosina Neuerer lange in Erinnerung bleiben. Alleine die Eröffnungsfeier mit einem Fahnenumzug der Nationen sei unglaublich gewesen: "Weil ich die einzige aus unserem Team bin, die in Deutschland wohnt, musste ich während der Fußball-EM die ganzen Fanartikel besorgen", sagt sie. Und dann ist die elfköpfige Mannschaft mit schwarz-rot-goldenen Blumenkränzen und Flaggen durch das Azoren-Örtchen Ribeira Grande gehüpft. "Wir haben uns auch gegenseitig bei allen Wettkämpfen angefeuert, der Teamgeist war toll", erzählt sie.

Für das Mädchen aus dem Münchner Umland steht seit der WM-Erfahrung erst recht fest, dass sie eine professionelle Karriere angehen will: "Nach dem Abi werde ich es ein Jahr lang ausprobieren und so viele Contests wie möglich fahren", sagt sie. Denn zu den Besten der Welt fehlt ihr noch einiges, das fängt schon beim Material an: "Für die Verhältnisse dort war mein Board zu kurz." Besseres Equipment oder das Engagement eines Trainers sind jedoch vom Budget abhängig, und da hofft die 16-Jährige auf Sponsoren.

Dass sie das Zeug dazu hat, bescheinigte ihr der australische Surf-Coach Hayden Scott schon im Sommer 2015, als sie ein fünfmonatiges Camp an der Sunshine Coast in Down Under besuchte. Damals testete sie, wie es so ist, längere Zeit fern der Heimat zu leben. Ihr Fazit: Wellenreiten als primärer Lebensinhalt ist genau ihr Ding.

Dass sie über außergewöhnliches Talent verfügt, zeigt sich auch Jahr für Jahr bei der deutschen Meisterschaft: Im Vorjahr hatte sie sich den Juniorinnentitel gesichert, diesmal reichte es in Seignosse an der französischen Atlantikküste immerhin zu Rang zwei in der U 18 hinter der ein Jahr älteren Lilly von Treuenfels, die in Südafrika geboren ist. Allerdings hatte Rosina auch bei diesem Wettkampf erhebliche Probleme: "Mir ist gleich in den ersten Minuten des Finallaufs die Finne weggebrochen, das war wohl entscheidend", sagt die junge Sportlerin. Ein solches Malheur kostet Geschwindigkeit, der betroffene Surfer schafft es nicht mehr, rechtzeitig die guten Wellen zu erwischen. Auch ihre Freundin Janina Zeitler aus Brunnthal erreichte das Finale, wurde dort Vierte. Bei den Frauen belegte Rosina in einem extrem starken Feld den bemerkenswerten fünften Rang.

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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