SpVgg Unterhaching:Zauberei mit Lerneffekt

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Richtig wichtig: Dominik Stahls Kopfballtreffer zum 3:1 vor der Pause bringt Hachings Überzeugung zurück. Stahls Nebenmann im Mittelfeld, Ulrich Taffertshofer, gratuliert, Stephan Hain (v.li.) besorgt später den Rest. (Foto: Sven Leifer/imago)

Die SpVgg Unterhaching ist dem Chemnitzer FC beim 4:2-Heimerfolg spielerisch hoch überlegen, macht es aber trotzdem spannend. Die Gegentore fallen zu leicht, eigene Chancen verstreichen.

Von Andreas Liebmann, Unterhaching

Plötzlich sprintete Claus Schromm los. "Hey!", brüllte er, dann noch mal: "Hey!" Sein Mund war so weit geöffnet, als wolle der Trainer der SpVgg Unterhaching die ganze Tribüne verschlucken, zu der er gerade blickte. Er fuchtelte mit den Armen. Ein paar Minuten zuvor war er schon einmal so plötzlich losgespurtet, da waren die Gäste aus Chemnitz über ihre rechte Seite zu einem Konter durchgebrochen, und Schromm lief bis zum Ende seiner Coaching-Zone mit, als wolle er den Spielzug höchstselbst unterbinden. Die Sache ging gut, die Flanke in den Strafraum kam nicht an. Nach gut einer halben Stunde hatten die Gäste in einer ähnlichen Szene aber doch den Anschlusstreffer zum 2:1 erzielt, und nun, kurz vor der Halbzeitpause, war es Schromm zu leise geworden im Sportpark. Er forderte die Fans vehement auf, Stimmung zu machen. Der harte Kern der 3000 Zuschauer folgte der Aufforderung, und nur wenig später hatten sie Grund zum Jubeln: Alexander Winkler trat einen Freistoß in den Strafraum, Dominik Stahl verlängerte den Ball mit dem Hinterkopf zum 3:1-Pausenstand. "Da seht ihr mal, was passiert, wenn die Fans auch da sind", hielt der Stadionsprecher fest.

Man dürfe es nicht übertreiben, mahnt Bigalke. Öfter mal "auf die Kiste draufhalten", rät Hain.

Fast zwei Stunden später war der erste Stock des VIP-Hauses im Unterhachinger Sportpark gut gefüllt. Spieler und Funktionäre eroberten das Buffet, Schromm tafelte auf dem Balkon in der Sonne, nur Präsident Manfred Schwabl fehlte. Er stand am anderen Ende des Stadions im Biergarten und unterhielt sich mit den Anhängern. Die Laune war gut, der 4:2-Sieg hatte alle zufriedengestellt, "ein Wahnsinnsspiel", fand Schwabl. Und doch war er etwas hin- und hergerissen. Was, wenn die Sachsen kurz vor Schluss noch den Anschlusstreffer erzielt hätten, sagte er nachdenklich. Gelegenheiten dazu gab es. Der lange kaum geforderte Torwart Korbinian Müller parierte ein, zwei Mal stark.

Das Spiel war schwierig in Worte zu fassen. Auch Schromm hatte in der Pressekonferenz von mehreren "Baustellen" gesprochen nach einer Partie, die vielleicht 8:3 hätte enden können, und von der er sicher war: In der vergangenen Saison hätte sein Team sie wohl 6:0 für sich entschieden.

Wer wollte, konnte sich eine Szene aus der zweiten Halbzeit als exemplarisch für die Kräfteverhältnisse beider Teams herauspicken: Da war Hachings Linksverteidiger Max Dombrowka mit dem Ball quer über den Platz auf die rechte Außenbahn gespurtet. Er passte zu Sascha Bigalke, um nicht versehentlich den ersten Spielzug ohne dessen Mitwirkung zu produzieren; er erhielt die Kugel per Hacke zurück; wieder gab er sie Bigalke, der diesmal an der Außenlinie seinen Gegenspieler mit einem kurzen Lupfer auf Maximilian Bauer narrte. Schließlich fuhr der Chemnitzer Maurice Trapp mit offener Sohle gegen Bauer dazwischen und sah dafür Gelb. Die Hachinger tricksten, sie ließen den Ball kreiseln, sie kreiselten selbst, sie hatten Spaß - und die Gäste wirkten hilflos. Selten, dass sie sich mit solchen Fouls behalfen, meist kamen sie gar nicht erst in Zweikämpfe.

"Wir sind viel hinterhergelaufen", monierte Chemnitz' Trainer Horst Steffen, "haben die Räume zu wenig verdichtet". Jene Räume, die Aufsteiger Haching dann zu seinen Offensivkombinationen nutzte.

Wer wollte, konnte zur Einordnung dieser Partie aber auch die beiden Chemnitzer Treffer betrachten und sie mit all den vergebenen Hachinger Chancen vergleichen. Zweimal war es den Gästen gelungen, den Ball aus dem Zentrum zu einem freien Außenspieler zu bringen, der jeweils Zeit hatte, ihn nach innen zu flanken, wo beide Male Miroslav Slavov zum Kopfball hochstieg (35., 61.). Rumms, Tor, einfach und völlig humorlos. "Willkommen in der dritten Liga", sagte Schromm. Die Treffer hätten sich nicht angedeutet, "aber das ist ein richtig guter Spielzug". Den müsse man besser verteidigen, "besser zustellen". Seine Spieler müssten wissen, dass Nachlässigkeiten in dieser Liga "brutal bestraft" würden.

Hachings Sieg war trotz allem hoch verdient und künstlerisch wertvoll. In der eigenen Hälfte war Stahl der dominierende Ballverteiler, in der gegnerischen war es Bigalke, der mit Übersicht und frechen Ideen das Spiel steuerte. Und ganz vorne lauerte Stephan Hain, der das 1:0 machte, das Chemnitz nach Trainer Steffens Ansicht "eine Menge Mut genommen" hatte. Natürlich hatte Bigalke es vorbereitet, sich über rechts im Zusammenspiel mit Alexander Piller durchkombiniert und den Ball perfekt in Hains Lauf gespielt (19.). Das 2:0 ein Eigentor, erzwungen durch Thomas Hagns Hereingabe auf Hain (34.). Das 4:2 schließlich ein von Hain verwandelter Strafstoß (65.). Zuvor war der Schütze selbst beim Torschuss gefoult worden.

Die dominierenden Angreifer waren hernach durchaus selbstkritisch. "Man ärgert sich schon", sagte Hain. Über zu leicht kassierte Gegentore, aber auch die zu vielen ungenutzten Chancen. Er selbst habe bisweilen einen Haken zu viel im Strafraum gemacht, und die Gegner wüssten auch, dass sein Team "tendenziell lieber einmal zu oft quer spielt". Also: Lieber gleich "auf die Kiste draufhalten". Ähnlich sah es der quirlige Sascha Bigalke. "Dass wir offensiv einen ganz guten Ball spielen, wissen wir", untertrieb er, diesmal habe das mit wenigen Ballkontakten oft gut geklappt. Das sei das Ziel gewesen. Aber man müsse dringend konsequenter werden, forderte er, in der Verteidigung und beim Torschuss. Auch er müsse "häufiger selbst den Abschluss suchen", statt immer den letzten Steilpass durchstecken zu wollen. "Das dürfen wir nicht übertreiben", urteilte er.

So endete eine durchaus beeindruckende Hachinger Vorstellung mit Bigalkes Fazit: "Auch das war wieder ein Spiel, aus dem wir viel lernen können."

© SZ vom 28.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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