SpVgg Unterhaching:Vom Glück des Sündenbocks

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Der Wiener Lukas Königshofer geht als Nummer eins im Mehrgenerationentor der SpVgg Unterhaching in die neue Saison. Nicht nur er, auch der Verein hegt große Erwartungen.

Von Stefan Galler

Jeder ist seines Glückes Schmied", steht auf dem linken Arm von Lukas Königshofer, auf Französisch "Chacun est l'artisan de sa fortune", mit dem Lebensbaum, den jeder in Händen hält. Rechts trägt er Kirschblüten als Symbol für ewiges Leben. Nur zwei von unzähligen Tattoos, die Königshofers Körper bedecken. Es dürfte Manfred Schwabl egal sein, welche Motive seine Spieler tragen. Eigentlich haben sie - so die Meinung des ehemaligen Nationalspielers - auf solche Spinnereien nämlich zu verzichten. Der Präsident der SpVgg Unterhaching ist bekennend konservativ und kein Freund von wilden Frisuren und sonstigen Extravaganzen. Bei Lukas Königshofer hat er aber ein Auge zugedrückt: "Mein Ösi-Dialekt hat ihn beschwichtigt", sagt der Torwart und lacht.

Der Österreicher, 1,93 Meter groß, geht als Nummer eins in die neue Drittligasaison, die für ihn und die Hachinger am Sonntag mit dem Auswärtsspiel bei Aufsteiger KFC Uerdingen beginnt. Korbinian Müller, 27, hat den Verein verlassen. Er hatte sich über fehlende Wertschätzung beklagt, nachdem er in der vergangenen Saison seinen Platz im Tor an Königshofer abtreten musste. Der gebürtige Tölzer ist nach wie vor ohne neues Engagement: "Ich mache mir aktuell keinen Stress und bin beruflich etwas mehr engagiert", sagt Müller. "Wenn etwas Interessantes kommen sollte, dann bin ich offen. Ansonsten lasse ich alles auf mich zukommen."

"Stärken auf der Linie und im Eins-gegen-eins" - und fliegen kann er auch noch: Torwart Lukas Königshofer. (Foto: Bernd Feil//imago)

Ohne den vermeintlichen Hauptkonkurrenten hat sich also Königshofer, 29, in der Vorbereitung gegen den 18 Jahre alten Herausforderer Nico Mantl durchgesetzt, der allerdings auch wegen einer Schulterverletzung drei Wochen lang mit dem Training aussetzen musste. Dritter Mann ist Rückkehrer Michael Gurski, 39, der von 2001 bis Januar 2004 schon einmal bei der SpVgg war und dessen aktive Karriere 2015 nach seinem Engagement bei Arminia Bielefeld bereits beendet schien. Vergangene Rückrunde feierte er jedoch beim Regionalligisten Eichstätt ein Comeback. Damit stehen praktisch drei Torwart-Generationen bei der SpVgg im Aufgebot. Königshofer fühlt sich in der Konstellation wohl: "Mitch kann uns durch seine Erfahrung sehr gut anleiten, war ja selbst schon Torwart-Trainer in Großaspach. Und Nico wiederum kann ich schon Tipps geben, ich kenne die Situation, wie es als junger Torwart ist."

Rapid und die Stuttgarter Kickers erlebt er im Abschwung. Die SpVgg sei "der absolute Jackpot"

Er selbst stammt aus einer echten Sportlerfamilie: Vater Roland war der erste Radsport-Weltmeister, der aus Österreich kam (in der Steher-Konkurrenz bei der Bahnrad-WM 1989 in Lyon), Mutter Monika stand früher im Tor der rot-weiß-roten Junioren-Handballnationalmannschaft. Sohn Lukas hat die meisten Jahre seiner fußballerischen Ausbildung bei Admira Wacker Mödling verbracht, von der U 17 an spielte er beim FC Kärnten, er schaffte es aber weder dort noch beim Stadtrivalen Austria Kärnten, sich einen Stammplatz in der ersten Mannschaft zu erkämpfen. Das gelang dann später bei Rapid Wien, wo er in der Saison 2011/12 zur Nummer eins aufstieg, in der Europa League gegen Klubs wie Leverkusen, Rosenborg Trondheim oder PAOK Saloniki spielte und schließlich in den Kreis der Nationalmannschaft vorstieß. "Ich habe damals ausgerechnet meinen Lehrmeister Helge Payer abgelöst", erzählt er.

Doch auch beim österreichischen Rekordmeister wurde Königshofer nicht dauerhaft glücklich. Im Frühjahr 2013 verlor er den Stammplatz an den Slowaken Jan Novota, zum Start der nächsten Spielzeit fand er sich plötzlich auf der Tribüne wieder. "Ich weiß bis heute nicht, was damals passiert ist." Ihm sei nur gesagt worden: "Für Rapid machst du kein Spiel mehr." Die Lage sei damals angespannt gewesen, der Klub steckte in der Krise - und dann wurde auch noch der Erzrivale Austria Wien Meister. "Irgendwie haben sie mich zum Sündenbock gemacht."

SpVgg-Trainer Claus Schromm. (Foto: Bernd Feil/imago)

Ein Jahr lang stand Königshofer diese Tortur durch, dann wechselte er zum Halleschen FC in die dritte deutsche Liga. Dort riss sein Kreuzband. 2016 ging er zu den Stuttgarter Kickers in die Regionalliga Südwest (die Müller gerade verlassen hatte, um nach Haching zurückzukehren) und erlebte den Niedergang des ehemaligen Bundesligisten: "Ein richtig guter Verein, aber dann hat man das Budget immer weiter runtergefahren." Für Königshofer war es das Signal, zu gehen. Er kam nach Haching und bezeichnet diesen Schritt als "absoluten Jackpot", schließlich lebe nun seine Freundin endlich bei ihm und er sei nahe an seiner österreichischen Heimat. Sein fünfjähriger Sohn lebt in Wien bei der Mutter, ihn besucht er, so oft es ihm der Trainingsplan erlaubt. "Ich bin total happy, nach dem Chaos der letzten Jahre." Trainer Claus Schromm ist von seiner neuen Nummer eins überzeugt: "Er hat unglaubliche Stärken auf der Linie und im Eins-gegen-eins. Da haut er sich zu hundert Prozent rein, da gibt's nichts zu holen für den Gegner."

Die Atmosphäre im Team sei "sehr speziell", es gebe überhaupt keine Gruppen: "Deshalb kann ich gar nicht sagen, wer meine besten Freunde sind. Wir sind ständig in wechselnden Konstellationen unterwegs." Von der neuen Saison erwartet sich der Torwart einiges: "Es ist eine schwere Liga, aber wir treffen auch auf keine Übermenschen", sagt er und fügt augenzwinkernd hinzu: "Schlechter als Sechzig sind wir bestimmt nicht."

© SZ vom 28.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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