SpVgg Unterhaching:Trikot- statt Trainerwechsel

Lesezeit: 3 min

„Wir wissen gar nicht, was wäre, wenn du weg wärst“: Hachings Trainer Claus Schromm hat zuletzt von allen Seiten Unterstützung erfahren. (Foto: Sven Leifer/imago/foto2press)

Hachings Coach Claus Schromm stand im Abstiegskampf nie zur Debatte. Nach dem 3:0 gegen Lotte fühlt er sich gestärkt.

Von Christoph Leischwitz, Unterhaching

Die Bedeutung dessen, was Claus Schromm in den vergangenen Wochen widerfahren ist, lässt sich noch besser einordnen, wenn man den gegnerischen Trainern zuhört. Als Ismail Atalan von den Sportfreunden Lotte nach dem 3:0-Sieg der SpVgg Unterhaching im Presseraum mit seiner Analyse begann, sprach er zunächst davon, dass der Abstiegsplatz eine "Quittung" sei. Dann folgte die Abrechnung. In der Winterpause habe man "Qualität abgegeben und dafür Leihspieler geholt, die in der Jugend-Regionalliga gespielt haben", da brauche man sich nicht wundern, dass die Mannschaft in 37 Spielen nur 30 Tore erzielte. Er selbst hatte vor einem Monat, beim letzten Trainerrauswurf, eigentlich klargestellt: Ich mach's nicht. "Aber meine Kinder haben dann gesagt: Dann macht's ja gar keiner." Atalan ist jener Trainer, der Lotte 2016 in die dritte Liga führte. Danach kamen und gingen vier weitere Cheftrainer. Jetzt steht die Mannschaft mit Atalan vor dem Abstieg.

Claus Schromm ist seit März 2015 Chefcoach, er ist in dieser Zeit einmal ab- und einmal aufgestiegen und wurde auch in den vergangenen Wochen nie infrage gestellt, als die Mannschaft die steilste Talfahrt aller Teams über sich ergehen ließ. In der dritten Liga scheinen nervliche Anspannung und Versagensängste ganz besonders schnell zu Personaländerungen zu führen. In der noch laufenden Saison haben schon zehn Drittliga-Klubs mindestens einmal den Trainer gewechselt. Am Samstag folgte das erlösende 3:0, der Abstieg ist so gut wie sicher abgewendet. "Mir geht es eigentlich ganz gut jetzt", sagt Schromm nach dem Spiel. Beim Präsidenten Manfred Schwabl sei er sich ja sicher gewesen, dass der immer hinter ihm stehe, man kenne sich schon lang. "Ich war nur gespannt, wie der ganze Verein auf so eine Situation reagiert. Wir haben ja gesagt, wir wollen uns ein bisserl anders verhalten als im klassischen Fußballgeschäft." Für Neurologen also uninteressanter.

Lange hatte er diesen so immens wichtigen Sieg recht trocken moderiert, doch in diesem Moment röteten sich Schromms Augen dann doch ein bisschen. "Vom Keller bis zur Geschäftsstelle" sei man nur noch enger zusammengerückt, vom Funktionsteam bis zum Sekretariat also, auch alle Juniorentrainer hätten nur Zuspruch für ihn übrig gehabt, und der seit sieben Monaten verletzte Kapitän Josef Welzmüller habe zu ihm gesagt: "Trainer, bitte, gar nicht drüber nachdenken" - über das Hinwerfen - "wir rocken das zusammen, wir wissen gar nicht, was wäre, wenn du weg wärst."

Die vergangene Woche sei dann besonders "brutal" gewesen, sagt Schromm, doch offensichtlich meint er damit nicht die nervliche Anspannung, sondern die Sorge, vor Rührung nicht in Tränen auszubrechen. Es zeigt sich, dass es auch keine Floskel war, wenn er immer wieder darüber redete, wie eng Trainer und Mannschaft seien, auch inhaltlich. Das führte dazu, dass sie sich auf das Spiel gegen Lotte auf besondere Weise vorbereitet hatten. Um nicht aus der dritten Liga abzusteigen, griffen sie zur Maßnahme, die sie "Elversberg light" nennen, in Anlehnung an jene Zeit, als sie in die dritte Liga aufstiegen: Die Mannschaft teilte sich in sechs Gruppen auf, diese übernahmen dann Trainerarbeit. Die einen analysierten das Aufbau-, andere das Umschaltspiel des Gegners, Standardsituationen offensiv wie defensiv. "Sie haben dann für die Videoanalyse dieselben Szenen rausgeschnitten wie das Trainerteam", erzählt Schromm. In diesem Fall führten flache Hierarchien zu einem hochverdienten Sieg. Dass zum Beispiel Luca Marseiler beim 1:0 (6.) so frei zum Schuss kam, war einstudiert, obwohl die Hachinger in dieser Szene aus einem Standard mit einem Querpass über 20 Meter eine normale Spielsituation kreiert hatten. Dass Routinier Dominik Stahl nach seinem Zehenbruch in der Schlussphase noch "als Stabilisator" (Schromm) eingewechselt wurde, war Wochen zuvor beschlossen worden, für den Fall, dass es in diesem Spiel noch um etwas geht. Stahl hatte dafür auf eine Operation verzichtet (zugleich aber auch deshalb, weil er vergangene Woche zum zweiten Mal Vater wurde und dann nicht im Krankenhaus liegen wollte). Dass Verteidiger Christoph Greger diesmal vor der Abwehr spielte, um eine Art Mittelfeld-Vorstopper-Rolle einzunehmen, und dafür Orestis Kiomourzoglou im Sturm, war gemeinsam beschlossen worden.

Und wie geht es nun weiter nach der Selbstrettung? Schromm fühlt sich abgehärtet. "Was soll jetzt noch kommen?", fragt er. Natürlich werde man einige Dinge analysieren. Zum Beispiel, warum man dieses Mal noch schlechter als sonst aus der Winterpause startete. Schwabl sagte noch, dass die neuen, komplett weißen Trikots seine Idee gewesen seien. Die sähen nach 20 Minuten in jedem Fall so aus, als ob das Team gekämpft hätte. "Das war der Schlüssel", sagte Schwabl grinsend. Zumindest erachtete er das für wichtiger als einen Trainerwechsel.

© SZ vom 13.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: