SpVgg Unterhaching:Schlag ins Gesicht

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Unfassbar: Stefan Schimmer ließ eine von Hachings zahlreichen Gelegenheiten gegen Jena liegen. (Foto: Claus Schunk)

Jena gewinnt durch ein Tor in der 87. Minute in Unterhaching 1:0 und weiß selbst nicht, wie das geschehen konnte. Im Sportpark geht die Abstiegsangst um, die Fans attackieren das Team.

Von Stefan Galler, Unterhaching

Nach Spielende kam es zu Szenen, die man so im Unterhachinger Sportpark wohl noch nie gesehen hat: Einige Fans auf der Südtribüne beschimpften die Spieler, Markus Schwabl und Marc Endres stellten sich der Konfrontation, laute, nicht druckreife Worte flogen am Zaun hin und her. Die Kontroverse war eine Folge der Fassungslosigkeit, die allenthalben im Stadion herrschte. Trotz drückender Überlegenheit verlor die SpVgg das Drittligaheimspiel gegen den FC Carl Zeiss Jena, einen Konkurrenten im Abstiegskampf, durch ein spätes Gegentor mit 0:1 (0:0). Dabei hätte womöglich schon ein Remis zum Klassenerhalt gereicht, weil man damit den Verfolger auf Distanz gehalten hätte. Doch nun wird es richtig eng, nur drei Zähler und das im Vergleich zur Konkurrenz bessere Torverhältnis trennen die Rot-Blauen noch von der Regionalliga. "Drei Punkte brauchen wir noch", sagte Präsident Manfred Schwabl sichtlich gezeichnet nach dem Spiel. "Ich bin jetzt kurzzeitig enttäuscht, aber ich werde mich aufrappeln und wieder vorangehen", sagte der SpVgg-Chef. "Das war heute eine richtige Watschn. Wir werden uns auch von dieser wieder erholen."

Sie spielen gepflegte Pässe, haben gute Kombinationen im Repertoire, und auch das Defensivverhalten stimmt. Und doch fehlt der Unterhachinger Mannschaft etwas, das ein elementarer Bestandteil dieses Sports ist: Sie haben verlernt, wie das Toreschießen geht. Auch gegen Jena wussten die Gastgeber das Publikum im Sportpark durchaus zu begeistern - zumindest bis zum gegnerischen Strafraum. Denn bei den Abschlüssen der Unterhachinger herrschte so manches Mal Fassungslosigkeit unter den 3250 Besuchern. Beispiel 21. Minute: Markus Schwabl flankt den Ball zur Mitte, aus dem Rückraum kommt Max Dombrowka herangerauscht, sein Schuss geht unter Torwart Jo Coppens hindurch, doch Verteidiger Dennis Slamar klärt kurz vor der Linie. Beispiel 28. Minute: Dombrowka bedient Stefan Schimmer mit einem perfekten Zuspiel, der Stürmer steht ganze alleine vor dem Jenaer Tor - und schießt links vorbei.

Schon zur Halbzeit wussten die Gäste aus Thüringen vermutlich nicht, wie sie die ersten 45 Minuten ohne Gegentreffer überstanden hatten. Doch Haching machte nach der Pause praktisch nahtlos weiter. 50. Minute: Orestis Kiomourtzoglou wird im Strafraum angespielt, verpasst jedoch den richtigen Moment zum Abschluss. 70. Minute: Lucas Hufnagel gibt den Ball von rechts herein, perfekt temperiert für den heranrückenden Dominik Widemann, doch dessen Direktabnahme misslingt völlig. 77. Minute: Widemann zieht aus 15 Metern ab, Coppens pariert spektakulär. Es war in der Tat grotesk. Aber man hätte fast erahnen können, dass es wieder zäh werden würde mit dem Toreschießen, nachdem Jim-Patrick Müller schon nach gut 20 Minuten angeschlagen vom Feld musste. Jener Müller, der vor einer Woche beim 1:1 im Auswärtsspiel gegen Fortuna Köln eine 821 Minuten andauernde Serie ohne Tor beendet hatte. Stephan Hain, der beste Liga-Torjäger der Hinrunde, humpelte gut einen Monat nach seiner Syndesmoseverletzung immer noch auf Krücken durch den Sportpark; auch Sascha Bigalke (Wadenprobleme) fehlt der Hachinger Offensive. Rechnet man das Toto-Pokalspiel gegen Würzburg dazu, dann ist Haching nun in sieben Heimspielen ohne Torerfolg geblieben.

Dass es dann noch nicht einmal zum vierten Heim-0:0 der SpVgg in der Rückrunde reichte, lag an einer Unkonzentriertheit drei Minuten vor Schluss: Jenas Florian Brügmann legte vor, sein Bruder Felix traf von links den zweiten Pfosten, und der Ball hoppelte ins Tor. Es war die einzige zwingende Offensivaktion der Gäste in der gesamten Partie. "Ich weiß gar nicht, wie glücklich ich sein muss oder kann, dass wir dieses Spiel gewonnen haben", sagte Jenas Trainer Lukas Kwosniak, dem der Erfolg beinahe peinlich zu sein schien. "Es tut mir unendlich leid für diesen sympathischen Verein", sagte er. Es klang wie ein Abgesang auf die SpVgg.

Deren Kapitän Alexander Winkler war ebenfalls konsterniert: "Wir haben wieder eine riesige Chance liegen gelassen. Ich verstehe den Frust der Fans, ich könnte jetzt auch alles rausschreien." Die katastrophale Chancenverwertung sei "Unvermögen", nun habe man "drei Endspiele", so Winkler. Auch Trainer Claus Schromm wirkte nach der Partie angeschlagen wie selten zuvor: "Dass Jena nicht sein starkes Konterspiel aufziehen konnte, lag an uns. Auch dass wir eine Vielzahl an Chancen hatten, lag an uns. Aber das Ergebnis auf der Anzeigetafel ist sehr negativ." Schromm, der unmittelbar nach dem 0:1 von einem Zuschauer harsch kritisiert worden war, appellierte an den Zusammenhalt: "Wir dürfen unsere Emotionen jetzt nicht gegeneinander ausleben."

© SZ vom 29.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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