SpVgg Unterhaching:Pädagogisch wertvoll

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„Wenn die Entwicklung so weitergeht...“: Stürmer Daniel Hausmann, links im Bundesligaspiel gegen Freiburg, hat schon acht Saisontore erzielt. (Foto: Claus Schunk)

Hachings U17, einst im Fahrstuhl zwischen Bundesliga und Bayernliga gefangen, hat sich zur Vorzeige-Talentschule entwickelt. Nicht zuletzt dank Trainer Marc Unterberger.

Von Christoph Leischwitz, Unterhaching

Derjenige Erziehungsberechtigte, der noch nie sein Kind mit den Worten "hör auf zu schreien" angebrüllt hat, möge den ersten Stein werfen. Marc Unterberger könnte so einer sein. Er wird selten laut an diesem Samstagvormittag nach Allerheiligen, obwohl er einigen Grund dazu hätte.

Der 30-Jährige ist Trainer der U17 der SpVgg Unterhaching, im Stadion an der Grünauer Allee läuft gerade das Bundesligaspiel gegen den SC Freiburg. Zweimal passiert es dann doch. In der 30. Spielminute fährt Unterberger einen Spieler an, weil der sich mit dem Schiedsrichter angelegt hat. "Hör auf dich aufzuregen, das sind zwei Sekunden Zeit", ruft er ihm zu. Unterberger findet: "Wenn schon Gelb, dann bitte wegen Foulspiel und nicht wegen Dummheit." Das gehöre zum Selbstverständnis: Man wolle seine Autorität behalten und sich nicht ablenken lassen.

Kurz vor Schluss ruft er dem Schiedsrichter zu, dass Haching "keinen einzigen" Freistoß in einer kniffligen Situation bekommen habe. Oder auch Elfmeter - zwei hätten es durchaus sein können. Und jetzt rennt das Team vergeblich an, das Spiel endet 0:1 nach einem Kontertor in der zwölften Minute. Unterbergers Trainerkollege aus dem Badischen schreit übrigens unentwegt. Eigentlich der Normalfall in den Junioren-Bundesligen, wo fast alle großen Karrieren ihren Anfang nehmen - und jeder Spieler eine große Karriere starten will.

Trotz der Niederlage scheinen Unterberger und seine Spieler einiges richtig zu machen in der aktuellen Saison. Zum einen sei Freiburg gar nicht so schlecht, wie es der vorletzte Tabellenplatz suggerierte. "Außerdem werden wir jetzt gerade ein bisschen müde", sagt Unterberger. Weil es sich um einen vergleichsweise jungen Kader handele, "sind wir oft körperlich unterlegen und müssen immer über unsere Grenzen gehen". 15 Punkte haben sie aber schon gesammelt, sie stehen damit auf dem überraschend guten siebten Platz in der Süd-Südwest-Staffel. "Das war ja jahrelang eine Fahrstuhlgeschichte", sagt Hachings Präsident Manfred Schwabl über die U17, die lange zwischen Bayern- und Bundesliga pendelte, aber bei aller gebotenen Vorsicht: Aus diesem Fahrstuhl sei man mittlerweile ausgestiegen. Und Unterberger habe daran einen sehr großen Anteil.

2010 war Schwabl gerade Nachwuchs-Koordinator geworden, Unterberger war eine seiner ersten Verpflichtungen. Es gibt eben nicht nur Spieler- sondern auch Trainerscouting. Zusammen mit Hans Reitinger, der lange im Nachwuchsbereich gearbeitet hat, sah er Unterberger in Taufkirchen zu. "Was mir gefallen hat: Er hat ein Gespür für die Kinder." Und für seine jungen Jahre bringe er auch schon sehr viel Geduld mit. Für 70 Euro im Monat coachte er zunächst die U11 und arbeitete sich langsam nach oben. Jetzt ist Unterberger "wohl der nächste von uns, der den Fußballlehrer machen wird, wir werden das schon bald forcieren", so Schwabl, "ich traue ihm eine erfolgreiche Trainerkarriere zu".

Beim Saisonstart hatte sich Unterberger noch vorsichtig optimistisch gezeigt, aufgrund der Entwicklung der Spieler und der Zugänge könne man vielleicht eine ganz gute Rolle spielen. Jetzt ist das Trainerteam selbst überrascht. Ihre große Stärke sei die Wissbegierde und Fokussiertheit. Gerade nach Niederlagen könne man das an kleinen Details erkennen. "Da gehen manche erst einmal zur Freundin, Bussi Bussi, oder sie holen gleich das Handy raus, oder sie singen unter der Dusche - alles schon erlebt", erzählt Unterberger, "da fehlt dann aus meiner Sicht die Professionalität." Zurzeit passiere das nicht, wofür er die kollektive Empathie verantwortlich macht.

Dabei besteht das Team aus höchst unterschiedlichen Spielern. Auf der einen Seite machen die Jungen, die an ihre Grenzen stoßen, ihre Sache meistens sehr gut. Ein Beispiel ist der quirlige, gedankenschnelle, aber noch 15-jährige Moritz Hohmann. Der defensive Mittelfeldspieler ist so klein, dass er in manch anderem Nachwuchsleistungszentrum wohl schon ausgemustert worden wäre. In Haching vertrauen sie seinem Potenzial. Andererseits gibt es Spieler wie den Angreifer Daniel Hausmann, der schon ungewöhnlich reif wirkt. Acht Tore hat er bereits erzielt. "Zu so einem frühen Zeitpunkt ist das wirklich beachtlich", sagt Unterberger über Hausmann. Das sei zuletzt Karim Adeyemi gelungen, der spielt mittlerweile für RB Salzburg und ist Träger der Fritz-Walter-Medaille, der bedeutendsten Einzelauszeichnung im deutschen Nachwuchsfußball. Schwabl bestätigt, dass man Hausmann "voll auf dem Schirm" habe.

Fehlt Spielern wie Hausmann aber der Anreiz, in Haching zu bleiben, weil die U19 nur in der Bayernliga spielt? "Wenn die Entwicklung so weitergeht, trainiert er oben mit", sagt Schwabl, bei den Profis. Zudem ersetzt die Kooperation mit dem Regionalligisten 1860 Rosenheim die zweite Mannschaft, ihre eigene hatte die SpVgg 2015 abgemeldet. Schwabl freut sich, dass die SpVgg auf zwei verschiedenen Ebenen Perspektiven anbieten kann. In den unteren Jahrgängen machten auch schon wieder einige auf sich aufmerksam. Auch unter den Trainern.

© SZ vom 06.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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