SpVgg Unterhaching:Nicht mehr ganz da

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Angriffe in Unterzahl: Sascha Bigalke (li.) bereitet zwei Tore vor, doch es wären mehr möglich gewesen. (Foto: Claus Schunk)

Die SpVgg Unterhaching lässt sich gegen Preußen Münster eine 2:0-Führung abjagen. Den plötzlichen Kontrollverlust der Schromm-Elf kann sich keiner so recht erklären.

Von Christoph Leischwitz, Unterhaching

Dominik Stahl war gerade alles "egal". Am Samstagnachmittag war die SpVgg Unterhaching trotz allem immer noch Tabellenführer, aber dieser Tatsache setzte der Kapitän sogar noch ein "sch..." davor. Und er war auch sonst sehr kurz angebunden. Warum die Mannschaft irgendwann aufgehört habe, Fußball zu spielen? "Weiß ich nicht." Er verwies auf eine spätere Videoanalyse, dann wisse er es bestimmt. Und was könne man aus diesem Spiel gegen Preußen Münster an Erfahrungswerten mitnehmen? "Erst mal nichts", sagte er und ging in die Kabine.

Stahl war angefressen, da war er nicht der einzige nach dem 2:2 (2:0) gegen Preußen Münster. Er persönlich hatte auch noch einen guten Grund, denn er hatte in der Nachspielzeit den Siegtreffer auf dem Fuß, der fast alles vergessen gemacht hätte. Eine weite Freistoßflanke, eine Ablage von Stephan Hain, dann stand Stahl allein vor dem Tor, mindestens die Hälfte des Kastens stand ihm offen, doch er traf den Ball nicht richtig, der landete beim Torwart. So endete diese Begegnung remis, obwohl Unterhaching bis zur 67. Minute 2:0 geführt hatte, gegen einen vermeintlich harmlosen Gegner.

Nur zweimal kommt Haching in der ersten Halbzeit hinter die Kette: bei den beiden Toren

Eigentlich schien es danach nur zwei Hachinger zu geben, die keinen dicken Hals hatten. Stephan Hain schlich einfach nur schweigsam und mit dem Blick auf den Boden gerichtet in die Kabine. Der eingewechselte Angreifer hatte mit einer unwirschen Grätsche den Elfmeter zum 2:2-Ausgleich verschuldet (82.), er dürfte vor allem mit der eigenen Leistung gehadert haben. Trainer Claus Schromm schien den Ärger schon heruntergeschluckt zu haben, er steckte nur 20 Minuten nach dem Spiel in einem rationalen Analyse-Modus: "Die Grundordnung, in der Münster gespielt hat, hat absolute Stärken", sagte er, "und wir haben es gegen diese Grundordnung zu wenig oft gut gespielt". Mit anderen Worten: Die Hachinger hatten es schon vor der Pause verpasst, ein höheres Zwischenergebnis herauszuarbeiten.

In den vergangenen Wochen hatte sich die SpVgg mit einer sehr guten Chancenauswertung an die Tabellenspitze gespielt. Mit einem gut aufgelegten Jim-Patrick Müller, mit dem abgezockten Sturm-Zugang Dominik Stroh-Engel und insgesamt schon neun verschiedenen, nervenstarken Torschützen geht Schromms Taktik einerseits ganz gut auf: "Wenn wir hinter die Kette kommen und gut positioniert sind, sind wir in der Box sehr viel präsenter als früher", sagt der 50-Jährige im Taktik-Neudeutsch. Genau zweimal klappte das gegen Münster in den ersten 45 Minuten: bei den beiden Toren. Müller traf aus zentraler Position nach einer Spielverlagerung (8.), Stroh-Engel ebenfalls (30.), beide Treffer hatte Sascha Bigalke aufgelegt. Das Problem ist nur: Haching kommt generell sehr viel seltener hinter die besagte Kette und ist deshalb generell seltener präsent im gegnerischen Strafraum als früher. Die Mannschaft hat gerade einmal 19 Tore in elf Partien geschossen, weil die Spielanlage risikoloser ist. Haching greift in dieser Saison meist nur in Unterzahl an, es herrscht nun Geduld anstatt kompromissloser Attacke. "Wenn wir das Spiel unter Kontrolle haben, ist ja alles in Ordnung", sagte Müller. Diese ging aber verloren - warum, konnte hernach keiner so genau sagen. In solchen Fällen eignet sich das Oktoberfest als Ausrede. Nach einem guten Beginn der zweiten Halbzeit "hatte man das Gefühl, dass das ganze Stadion schon auf dem Weg zur Wiesn ist, sowohl die unten als auch die oben" auf den Rängen, sagte Schromm. Man könnte auch sagen: Die Spieler hatten die Lage wohl unterschätzt.

Beiden Gegentoren waren ziemlich genau eine Minute vorher Riesenchancen der Gäste vorausgegangen. Unmittelbar vor dem 1:2 durch den eingewechselten Luca Schnellbacher hatte Torwart Nico Mantl unter Druck einen Pass in die Beine des Gegners gespielt, dann allerdings gegen Rufat Dadashov im Eins-gegen-eins die Nerven bewahrt (65.). Mantl gehört diese Woche zum Kader der U20-Nationalmannschaft, deren Trainer Manuel Baum, übrigens ein ehemaliger Realschullehrer Mantls und zudem ehemaliger Haching-Coach, weilte am Samstag im Stadion. Und unmittelbar vor dem verwandelten Foulelfmeter durch Dadashov hatte Christoph Greger mit einem Sprung einen gefährlichen Schuss abgewehrt. In dieser Phase schwamm die Hachinger Abwehr.

Diese Szenen deuteten an, dass die Verunsicherung, die die Mannschaft in der vergangenen Rückrunde über Monate heimgesucht hatte, offenbar jederzeit wieder zurückkehren kann. Und dass es eben oft nicht ausreicht, zwei Tore zu schießen. "Das müssen und werden wir mitnehmen", sagte Schromm, "wir sind heute nicht belohnt worden, und vielleicht auch zu Recht."

Am Freitag treten die Hachinger im Pokal gegen 1860 München an. Da ist dann wenigstens die Wiesn schon vorbei.

© SZ vom 07.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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