SpVgg Unterhaching:Luftgitarre bei Windstärke zwölf

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Jubel über den späten Matchball: Lucas Hufnagel (links) nutzt Sascha Bigalkes siebte Torvorlage der Saison zur Entscheidung. (Foto: Christoph Worsch/imago)

Claus Schromms Mannschaft setzt sich nach fünf Aluminiumtreffern in einem wilden Duell mit 5:4 in Jena durch, ist seit zehn Spieltagen ungeschlagen und nun Vierter in der Dritten Liga.

Von Stefan Galler, Unterhaching

In der Nachspielzeit klatschte auch Finn Poraths Schuss an den Pfosten - der fünfte Aluminiumtreffer der Unterhachinger Drittligafußballer an diesem Nachmittag. Wie so oft schaltete Stephan Hain am schnellsten und drückte den Abpraller über die Linie, es wäre das zehnte Tor des Spiels gewesen, doch der Assistent an der Linie hatte zu Unrecht die Fahne gehoben. Das Zittern ging also noch ein paar Augenblicke weiter, dann war es amtlich: Haching hatte das vermutlich spektakulärste Drittligaspiel der vergangenen Jahre beim FC Carl Zeiss Jena mit 5:4 (2:2) gewonnen.

Claus Schromm, Trainer der SpVgg, steckte sichtlich im Zwiespalt der Gefühle. Einerseits musste er froh sein, dass dieses Spiel, das hin und her wogte wie ein Segelboot bei Windstärke zwölf, am Ende für sein Team ein gutes Ende gefunden hatte. Andererseits wirkte er beinahe verstört ob der teilweise skurrilen Fehler, die sich seine Abwehrreihe leistete. Denn eigentlich hätte dieses Spiel niemals so eng sein dürfen, die Rot-Blauen waren die klar bessere Mannschaft, verpassten es aber immer dann, wenn sie im Vorteil waren, den entscheidenden Stoß zu setzen. "Wir hatten eine Vielzahl von glasklaren Chancen und waren ein bisschen selbst schuld, dass es am Ende so hitzig und eng geworden ist", urteilte Schromm. Dazu kamen die unerklärlichen Fehler in der Hintermannschaft: "Was wir in der Defensive gemacht haben, gerade was die Staffelung anbelangt, das hat uns unglaublich in die Bredouille gebracht."

Richtig los ging das Spektakel nach einer Viertelstunde: Sascha Bigalke brachte einen Freistoß von der Torauslinie auf der rechten Seite zur Mitte, Innenverteidiger Marc Endres hielt nur den Fuß hin und sammelte anschließend die Kollegen beim Torjubel zum kollektiven Luftgitarrespielen um sich (16.). Luca Marseiler hätte dem Spiel mit dem möglichen 0:2 eine klare Richtung geben können, doch er visierte beim Eins-gegen-Eins frei vor Jena-Torwart Jo Coppens nur den rechten Pfosten an. Der Ball sprang zu ihm zurück und er verfehlte per Kopf das leere Tor, allerdings auch attackiert von einem Verteidiger (30.). Statt 0:2 hieß es nur sechs Minuten später 1:1, weil Dominik Bock die Kugel aus spitzem Winkel vollspann ins kurze Eck drosch, Torwart Lukas Königshofer hatte ihm eine kleine Lücke gewährt.

Fast absurd, dass sich die Abfolge ein paar Minuten später wiederholte: Erneut traf Marseiler den Pfosten, diesmal von der linken Seite; kurz darauf netzte Jena ein, nämlich in Person von Philipp Tietz, dessen Kopfball-Bogenlampe über Königshofer hinweg zum 2:1 für die Gastgeber ins Tor flog (41.). Doch nun stellten die Hachinger klar, dass sie sich dieses Spiel nicht mir nichts, dir nichts aus der Hand nehmen lassen wollten: Direkt vom Anstoß weg lief der Gegenangriff über die rechte Seite, Marseilers Hereingabe nahm Stephan Hain an und schloss überlegt per Flachschuss zum 2:2 ab. "Es war unglaublich wichtig für uns, dass uns dieses Tor gelungen ist und wir nicht mit einem Rückstand in die Pause gehen mussten", fand Trainer Schromm. Und gab im Nachhinein preis, was er sich von der zweiten Halbzeit erwartete: "Dass es nicht 2:2 ausgehen würde, war glasklar, das hat jeder Zuschauer und jeder auf dem Feld gespürt."

Wie Recht er doch hatte mit diesem Gefühl: Jena eröffnete den Torreigen, als Julian Günther-Schmidt sein Team mit einem Sonntagsschuss aus 20 Metern zum zweiten Mal in Führung brachte (53.). Dann erhöhte Haching wieder die Schlagzahl, zunächst klärte Kevin Pannewitz gegen einen Schuss des in der Pause für Dominik Stahl (Schleudertrauma und Schulterprellung) eingewechselten Max Dombrowka auf der Linie; doch Haching gab die Situation noch nicht auf, Markus Schwabl brachte die Flanke von rechts, Stefan Schimmer köpfte den Ball an den - na klar - Pfosten, und Hain staubte in bester Torjägermanier ab - 3:3 (60.). Eine gute Minute später fiel die Kugel Hain dann abermals vor die Füße, eine Schwabl-Hereingabe hatte Keeper Coppens nach vorne abgeklatscht und der bärtige Mittelstürmer ließ sich nicht lange bitten - Saisontor Nummer zwölf für den besten Schützen der dritten Liga.

Doch auch dieses 4:3 genügte den Gästen nicht zum Erfolg: Königshofer leistete sich einen fast absurden Fehler, als er bei einem Pass voll in den Boden trat, der vor ihm stehende Felix Brügmann wuchtete den Ball mit seiner ersten Ballberührung ins Netz - 4:4 (69.). Es folgten ein Lattentreffer des eingewechselten Jim-Patrick Müller (77.) und der verwandelte Hachinger Matchball: Bigalke gab seine siebte Torvorlage in dieser Saison und Lucas Hufnagel, der nach längerer Verletzungspause wieder fit ist, drosch den Ball aus 13 Metern zentral zum 4:5 in Jenas Tor (81.).

Haching hält nach 16 Saisonspielen bei sagenhaften 32 erzielten Treffern, ist seit zehn Spielen ungeschlagen. Doch das alles zählte für Hachings Trainer nicht, er war damit beschäftigt, das Erlebte zu verarbeiten: "Die Jungs haben brutal daran geglaubt. Ein verrückter Nachmittag."

© SZ vom 26.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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