Skicross:Der Reiz des direkten Duells

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Als Alpinfahrerin fiel Celia Funkler im Parallelslalom auf. Dann wechselte die 19-Jährige vom TSV 1860 München zum Skicross - und löste in ihrem zweiten Weltcup-Rennen das Olympia-Ticket.

Von Jonas Kraus, München

Oft heben die vier Rennfahrerinnen gleichzeitig ab, Schnee staubt auf, bei weiten Sprüngen kreuzen sich dann gelegentlich sogar ihre Fluglinien. Dazu die hohen Steilkurven, die häufigen Kollisionen. Stimmt schon, räumt Celia Funkler ein, Skicross sehe wirklich spektakulär aus, oft aber spektakulärer, als es tatsächlich sei. Am Wochenende hat sie sich eine Schulteckgelenksprengung zugezogen - beim Trockentraining. Für besonders gefährlich hält sie ihren Sport dennoch nicht. "Nur meine Mutter kann manchmal gar nicht hinschauen", erzählt sie lachend. Natürlich wird die Mama auch mitfiebern, wenn ihre Tochter am 23. Februar beim olympischen Skicross im südkoreanischen Pyeongchang an den Start gehen wird.

Die Verletzung sei bis dahin verheilt. Celia Funkler ist 19 Jahre alt, niemand hatte vorher ernsthaft damit gerechnet, dass sie in ihrer ersten Weltcup-Saison eine große Rolle spielen würde - auch sie selbst nicht. "Ich war vor der Saison für den Europacup eingeplant", erzählt sie. Doch dann bestritt Funkler, die für den TSV 1860 München startet, eine derart starke Vorbereitung, dass die Trainer nicht an ihr vorbeikamen. "Die haben mich gefragt, ob ich mir einen Start im Weltcup zutraue." Lange überlegen musste sie nicht. Ihr erstes Rennen im französischen Val Thorens beendete sie auf Rang 15, bei ihrem zweiten Start in Arosa (Schweiz) raste sie auf Rang sieben und schaffte prompt die Olympia-Qualifikation.

Schultereckgelenksprengung? Beim Trockentraining? Egal. Ist bis Olympia verheilt

Dabei hatte bis vor drei Jahren nichts auf eine Karriere im Skicross hingedeutet. Funkler bestritt Schülerrennen im Alpin-Bereich, fiel dort vor allem durch gute Technik auf. Doch schon damals setzte sie vor allem im Parallel-Slalom Akzente. "Dieses Gefühl beim direkten Duell, das mag ich einfach." Ihre guten Leistungen in dieser Disziplin blieben nicht unentdeckt, weshalb sie zur Saison 2014/15 zum Skicross wechselte. "Bei uns passt sie als Typ einfach perfekt rein", freut sich Heli Herdt, der Sportliche Leiter der Skicrosser, dem vor allem die Unbekümmertheit der jungen Weltcupfahrerin imponiert.

Der Start in die neue Disziplin lief alles andere als optimal. In ihrer ersten Saison stürzte Funkler schwer, ihr riss dabei das Kreuzband im rechten Knie. Sie haderte kurz ("das war allein mein Fehler"), kämpfte sich dann aber schnell zurück. Ein erneuter Wechsel zu den Alpinen stand trotz der Verletzung nie im Raum. "Dafür macht mir Skicross einfach viel zu viel Spaß".

Über gute Platzierungen im zweitklassigen Europacup erkämpfte sich Celia Funkler ihr Startrecht bei den Olympischen Jugendspielen 2016 in Trondheim, wo sie bis ins Finale kam und den vierten Platz belegte. "Das war schon echt cool, so viele Athleten aus verschiedenen Ländern auf einem Haufen", erinnert sie sich. Dass die Jugendspiele nur ein Vorgeschmack auf Pyeongchang waren, ist ihr bewusst: "Ich glaube, dass da alles viel größer wird."

Im Windschatten der Weltspitze: Celia Funkler hinter Fanny Smith, Kelsey Serwa und Sandra Näslund, drei Medaillenanwärterinnen bei den Olympischen Spielen. (Foto: Matthias Hauer/imago)

Olympische Spiele können durchaus einschüchternd wirken. Auf einen Schlag fokussiert sich ein weltweites Millionenpublikum auf eine Sportart wie Skicross, die während der Saison meist ein Nischendasein in der deutschen Sportöffentlichkeit fristet. Diese Gedanken blendet Funkler jedoch komplett aus, auch wenn sie eine der jüngsten Athletinnen im Feld sein wird. "Olympia ist der Traum jedes Sportlers, ich freu mich einfach drauf."

Die Winterspiele sind aber nicht die einzige Herausforderung, die Celia Funkler 2018 meistern will - im Mai stehen für sie die Abiturprüfungen an. Ihre Schule, das Skigymnasium in Berchtesgaden, ist zwar darauf eingerichtet, dass die Schüler Leistungssport und Abschluss unter einen Hut bringen können, doch sie gibt zu: "Ganz einfach ist es zurzeit nicht immer. Man muss seine freie Zeit schon gut nutzen."

Für die Zeit danach hat die junge Sportlerin schon einen genauen Plan: "Ich will ins Spitzensportprogramm der bayerischen Polizei." Um dort aufgenommen zu werden, muss man Mitglied in einem bayerischen Verein sein, deshalb hat sie sich dem TSV 1860 München angeschlossen. Eigentlich kommt sie aus Tuttlingen in Baden-Württemberg. Die Münchner Löwen wird es freuen. Sollte ihr Slalomfahrer Linus Straßer die Qualifikation verpassen, haben sie in Südkorea trotzdem ein vielversprechendes Talent am Start.

Eine genaue Zielsetzung gibt es für die Fünftplatzierte der Junioren-WM natürlich nicht. "Sie ist eine junge Athletin, für sie geht des darum, Erfahrung zu sammeln", sagt Herdt. Stichwort Erfahrung: Dass Celia Funkler im Weltcup immer mit Skicross-Star Heidi Zacher, 29, vom SC Lenggries unterwegs ist, sieht sie als riesen Vorteil. "Da kann ich mir so viel abschauen, sei es, wie sie auf dem Ski steht oder auch, wie sie ein Rennen angeht", schwärmt Celia Funkler und schiebt nach: "Wo sie ist, will ich auch mal hin." Dass Funkler langfristig diesen Weg gehen kann, glaubt auch Heli Herdt: "Celia setzt immer um, was die Trainer ihr vorgeben. Wenn sie so weitermacht, kann sie es weit bringen."

Das Vorbild der Münchnerin Funkler (rechts) ist aber Teamkollegin Heidi Zacher (links), die größte Medaillenhoffnung im DSV-Team. (Foto: Daniel Goetzhaber/imago)

Noch ist Celia Funkler naturgemäß nicht so weit wie ihr Vorbild Zacher, die in Pyeongchang zu den Kandidatinnen auf die Goldmedaille zählt. Dennoch schafft sie es bereits, mit der erweiterten Weltspitze mitzuhalten. "Das liegt vor allem an ihrer guten Technik, die sie sich bei den Alpinen angeeignet hat", erklärt Herdt, "das ist die Grundlage, um erfolgreich zu sein."

Sowieso ist der Unterschied zwischen den Disziplinen für Funkler nicht sonderlich groß: "Ich schaue immer auf mich selber, egal ob ich alleine am Start stehe oder zu viert. Was die anderen machen, kann ich sowieso nicht beeinflussen." Dass sie bisher noch in keinen der nicht seltenen Massenstürze verwickelt war, bezeichnet sie als "Glück" - und hofft, dass das auch bei Olympia so bleibt.

Bevor Funkler nach Südkorea aufbrechen kann, muss sie aber erst ihre Schulterverletzung auskurieren. Die kommenden vier Weltcups wird sie verpassen, was Herdt "ärgerlich" findet, aber verkraftbar. Funkler bekomme so den Kopf wieder frei und "kann sich um die Schule kümmern".

© SZ vom 11.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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