Skicross:Auf Stabilisierungskurs

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Heidi Zacher will sich wieder in der Weltspitze etablieren, Teamkollege Andreas Schauer muss berufsbedingt ein Jahr pausieren. Die beiden Lenggrieser sind die einzigen im deutschen Weltcup-Team ohne Profistatus: Sie arbeitet bei einer Bank, er ist Pilot

Von Ralf Tögel

Heli Herdt klingt fast erleichtert: Nein, sagt er, in diesem Winter steht kein so genanntes Großevent an, und nein, es gibt keine Vorgaben vom Verband. Bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen ist das so, da werden vom Sportlichen Leiter der deutschen Skicrosser Ergebnisse eingefordert, die Währung im Leistungssport sind nun einmal Medaillen. In Sotschi, bei den Olympischen Winterspielen im Vorjahr, fiel die Bilanz der Freestyler, zu denen die Sparte Skicross zählt, gelinde gesagt nicht ganz nach den Vorstellungen der Verantwortlichen im Deutschen Skiverband (DSV) aus. Entsprechend gereizt hatte Alpin-Direktor Wolfgang Maier auf bohrende Nachfragen reagiert und die seiner Ansicht nach "lächerliche" Förderung der neuen Disziplinen, die den Alpinen zugeordnet worden waren, sehr offen kritisiert. Um Medaillen nach Hause zu bringen, das war die Botschaft des Alpin-Direktors, müssten der Deutsche Olympische Sportbund und das Bundesministerium des Innern schon tiefer in die Tasche greifen. Nun also kann Herdt recht entspannt erzählen, dass man in diesem Winter "an den Stärken der einzelnen Athleten" werde arbeiten können.

Ein lauer Winterspaziergang wird diese Saison dennoch nicht werden, Herdt muss mit seinem knappen Budget einiges stemmen. "15 Wettkämpfe sind geplant", sagt der Skicross-Leiter, "das ist für die Athleten körperlich und mental eine ziemliche Herausforderung." Und für ihn eine logistische und finanzielle, erklärt er, denn der Weltcup führt die deutsche Mannschaft unter anderem nach Südkorea, die USA und Kanada. "Das Reisebudget ist heuer doppelt so hoch", sagt Herdt, da kommen die Erfolge des vergangenen Wochenendes gerade recht. Vor allem der vierte Platz der Wahl-Münchnerin Anna Wörner, die für den SC Partenkirchen startet, bringt gleich nach dem ersten Rennen Ruhe ins Team, gleiches gilt für Rang fünf von Daniel Bohnacker. Während Herdt seinen derzeit besten männlichen Athleten unter die ersten Drei in der Welt einordnet, ist das Ergebnis von Wörner überraschend, sie hatte sich in Sotschi ein Kreuzband gerissen und den Schienbeinkopf gebrochen. "Gleich in ihrem ersten Volleinsatz setzt sie ein Ausrufezeichen", freut sich Herdt, der auch von Heidi Zacher in dieser Saison einiges erwartet.

Abgehoben: Heidi Zacher hofft vor allem auf eine verletzungsfreie Saison, im ersten Weltcuprennen am Arlberg reichte es schon mal fürs Viertelfinale. (Foto: Oliver Lerch/Gepa/Imago)

Für die Lenggrieserin war beim Saisonauftakt am vergangenen Wochenende im österreichischen Montafon im Viertelfinale Endstation. Zacher war mit dem elften Platz aber zufrieden. "Es hat gepasst", sagt sie und will "dieses gute Gefühl mit nach Val Thorens nehmen". In dem französischen Wintersportort werden an diesem Freitag und Samstag die beiden nächsten Weltcup-Rennen über die Bühne gehen, Zacher rechnet sich durchaus ein besseres Ergebnis aus. "Mein Ziel ist, bei jedem Weltcup vorne mitzufahren", sagt die Lenggrieserin, die zunächst einmal froh ist, eine einigermaßen störungsfreie Vorbereitung erlebt zu haben. Nach ihrem herausragenden zweiten Platz im Gesamtweltcup 2011 wurde der bis dahin steil nach oben führende Weg der 27-Jährigen durch schwere Verletzungen gebremst. Die folgende Saison verpasste sie wegen eines Spiralbruchs des linken Unterschenkels komplett, seither ist es ein Auf und Ab. Immer wenn sich Zacher wieder herangekämpft hatte, folgte die nächste Blessur. Mit lädiertem Sprunggelenk erreichte sie im vergangenen Februar Platz fünf bei der WM, um sich danach bei einem Sturz im Heimweltcup die Beckenmuskulatur zu verletzen. Aktuell will Teamchef Herdt den Athleten keine Ziele vorgeben, er sagt: "Sie sind alt genug." In dem Wissen, dass er sich in Sachen Ehrgeiz keine Sorgen machen muss. Für Val Thorens ist er zuversichtlich: "Da sind Streckenabschnitte dabei, die Heidi sehr entgegenkommen." Zacher selbst sieht die beiden Heimrennen am Tegernsee Mitte Februar als ihre persönlichen Höhepunkte.

Ihr Lenggrieser Skiklub-Kollege Andreas Schauer wird dann nicht dabei sein. Denn nicht nur der Heimatverein eint die beiden, Zacher und Schauer sind die einzigen deutschen Rennläufer, die nicht bei einer Behörde arbeiten und damit keine Vollprofis sind, wie Teamchef Herdt bestätigt. Freilich genießt Zacher bei der Raiffeisenbank Tölzer Land eine hohe Unterstützung, was auch für den Lufthansa-Piloten Schauer gilt. Doch Schauer muss "lizenzverlängernde Maßnahmen" absolvieren, er verbringt derzeit viel Zeit in Flugsimulatoren. Seit fünf Jahren betreibt der Lenggrieser den Leistungssport neben der Fliegerei, momentan aber hat der Job Vorrang. Zwischen 30 und 45 Tagen würden alleine die Rennvorbereitungen beanspruchen, Zeit, die Schauer momentan nicht hat.

Der 29-Jährige "schaut sich diesen Winter von außen an", wie er sagt, freilich verbringt er jede freie Minute am Olympiastützpunkt in München. Denn er hat ein Fernziel: die Olympischen Spiele 2018 im südkoreanischen Pyeongchang. Schauers Auszeit ist auch für Heli Herdt ein herber Verlust, denn Schauer war in der vergangenen Saison richtig durchgestartet und hatte mit seinem ersten Sieg im Januar eine fast zwei Jahre dauernde Durststrecke der deutschen Skicrosser beendet. Der war ihm im Übrigen in Val Thorens gelungen.

In der kommenden Saison aber will sich Schauer wieder auf seine "große Leidenschaft" konzentrieren: "Im April werde ich mich mit meinem Arbeitgeber zusammensetzen und erörtern, wie das Ganze darstellbar ist." Eine gute Nachricht für Heli Herdt, denn 2017 steht die WM in Spanien auf dem Programm. Die Vorgaben des DSV werden dann wieder steigen.

© SZ vom 11.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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