Ski alpin:Immer volles Tempo

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"Wer bremst, verliert": Mit Platz 14 beim Weltcupauftakt rechtfertigt Lena Dürr ihren Ruf als hoffnungsvollstes deutsches Alpin-Talent.

Michael Neudecker

Sölden - Lena Dürr stand da eine Weile, sie lächelte schüchtern, sie steht dort ja nicht so oft: in der Leader's Box eines Ski-Weltcuprennens, dort also, wo die aktuell führende Fahrerin steht, damit sie von den Kameras gefilmt werden kann. Lena Dürr war gerade ein beeindruckender Lauf gelungen, 1:13,57 Minuten, es sollte die schnellste Zeit in diesem zweiten Durchgang des Riesenslaloms von Sölden bleiben. Lena Dürr überholte so noch neun Fahrerinnen, ehe sie die Box verlassen musste. Am Ende war sie 14., für Startnummer 34 ist das sehr ordentlich. Zumal, wenn man einen Durchgang mit nur einem Stock bestreiten muss.

"Ja, ich bin schon ganz zufrieden", sagte sie später, als sie im Zielraum stand, ihren Ski fest umklammert. Lena Dürr, 19, aus Germering, ist keine, die sich in den Vordergrund drängt. Sie freue sich über das Rennen, klar, "auf jeden Fall" hatte sie ja in den zweiten Durchgang gewollt. Der zweite Durchgang, das ist die Zielsetzung bei jungen Läuferinnen wie Lena Dürr, die bei ihren ersten Rennen noch weit hinten starten. Eine hohe Startnummer ist meist ein gewaltiger Nachteil, zumal im Riesenslalom, wo die Fahrlinie an den Toren schnell zerfurcht ist.

Und dann passierte ihr im ersten Lauf auch noch ein Missgeschick, dass das vorzeitige Ausscheiden bedeuten hätte können: Kurz nach dem Übergang in den Steilhang blieb sie an einem Tor hängen und verlor einen ihrer beiden Stöcke. Die Stöcke sind enorm wichtig, für die Balance bei hoher Geschwindigkeit.

"Die Lena ist sehr stabil", sagt Tom Stauffer, der neue Cheftrainer der deutschen Frauen, er habe keine Bedenken gehabt, sie könne nach dem Verlust ihres Stockes rausfliegen. Er hatte recht: Bei fast jedem Tor kam Lena Dürr mit der Hand in den Schnee, aber sie blieb souverän. Am Ende rettete sie sich als 26. ins Ziel; nur die besten 30 qualifizieren sich für das Finale. Im Finale dann zeigte sie, weshalb sie im Deutschen Ski-Verband (DSV) als derzeit hoffnungsvollstes Nachwuchstalent der Frauen gilt.

Schon vergangene Saison deutete sie immer wieder ihre Perspektive an: Beim Weltcup in Maribor wurde sie Neunte im Riesenslalom - als Achte wäre sie direkt für Olympia qualifiziert gewesen. Im Europacup, der Nachwuchsklasse im Ski alpin, gewann sie die Gesamtwertung, "da hat sie bewiesen, dass sie eine kommende Fahrerin ist", sagt Stauffer. Durch den Gesamtsieg hat sie nun ein persönliches Weltcup-Startrecht in allen Disziplinen, und es ist durchaus möglich, dass sie es auch nutzt: Lena Dürr ist schließlich eine der wenigen Nachwuchsfahrerinnen überhaupt, die in allen vier Disziplinen antritt.

Ihre Stärken hat sie zwar im Riesenslalom und Slalom, im Europacup aber punktete sie auch in Abfahrt und Super-G. Kann sein, sagte sie noch vor dem Saisonauftakt von Sölden, dass sie diese Saison auch im Weltcup bei einer Abfahrt startet. Genau das unterscheidet Lena Dürr von vielen anderen begabten Skirennfahrerinnen: Sie scheut die hohen Geschwindigkeiten der Abfahrt nicht. Auf ihrer Homepage hat sie ein Profil angelegt, unter Lebensmotto steht dort: "Wer bremst, verliert."

Zunächst aber muss sie die Schule zu Ende bringen: Sie besucht das Germeringer Carl-Spitzweg-Gymnasium, im März schreibt sie dort ihr Abitur (Leistungskurse Bio und Spanisch). Zwar hätte es der DSV gerne gesehen, wenn sie ans Skigymnasium Berchtesgaden gewechselt wäre, und erst vor kurzem hat sie sich die Schule dort auch angeschaut, "aber für das halbe Jahr zu wechseln, das hätte sich nicht mehr gelohnt", sagt Lena Dürr. Sie blieb in Germering, auch auf Anraten ihres Vaters, des ehemaligen Abfahrers Peter Dürr. Auf ihren Reisen durch den Skizirkus hat sie nun auch immer ihre Schulunterlagen dabei; was hinzukommt, wird ihr ins Hotel gefaxt.

Für die Zeit danach hat sie sich schon beim Zoll beworben, als Absicherung neben dem Profisport, wie auch ihre Kolleginnen des Weltcupteams das handhaben. An ein Studium denkt sie nicht: Wenn das Abitur vorbei ist, der Stress und all das, was sie manchmal vom Skifahren abgehalten hat, dann, sagt sie, "werd' ich erst mal richtig trainieren".

© SZ vom 26.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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