Segeln:Unter Haien

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„Wir sind definitiv nicht zufrieden“: Das Ziel, unter die besten zehn Crews zu kommen, haben Nadine Böhm und Ann-Christin Goliaß vom Deutschen Touring Yacht-Club mit Platz 21 bei der WM klar verfehlt. Den Nationenplatz holte bei der WM immerhin das zweite deutsche Boot. (Foto: Thomas Zimmermann/Imago)

Vor der japanischen Halbinsel Enoshima kämpfen die deutschen 470er-Crews um die Olympia-Qualifikation. Auch die Starnberger Nadine Böhm und Philipp Autenrieth.

Von Thomas Gröbner

Auf die Frage, wie man mit einem Taifun am Himmel, dem Beben der Erde und den Haien unterm Bug umgeht, hat Nadine Böhm eine recht einfache Formel für sich gefunden. "Man muss den Wind lesen - und für alles bereit sein." Böhm ist seit Wochen zusammen mit den anderen Seglern des deutschen Nationalteams im olympischen Revier in Enoshima. Um bei der WM einen Olympia-Startplatz zu ergattern - aber vor allem, um sich mit dem Meer, dem Wind und den Tücken vertraut zu machen. Denn wer im kommenden Jahr hierher zurückkehren möchte, zu den Spielen in Tokio, der muss zwei Hürden nehmen. Erstens einen Startplatz für die Nation ergattern; in einem zweiten Schritt sich gegen die nationale Konkurrenz durchsetzen, die ebenfalls Anspruch auf den Startplatz erhebt.

Doch es sollte sich herausstellen, dass für Nadine Böhm und Philipp Autenrieth, die beiden Segler vom Starnberger See, noch eine Rechnung offen bleibt. "Nein, wir sind definitiv nicht zufrieden", sagt Böhm. Das Ziel, unter die besten zehn zu kommen, haben sie mit Rang 21 klar verfehlt. Böhm und Ann-Christin Goliaß vom Deutschen Touring Yacht-Club hadern mit ihrem Start, immer wieder waren sie im Gerangel der 40 Boote verkeilt. "Wir hatten keinen Platz, um uns freizusegeln." Den Nationenplatz holte aber immerhin das zweite deutsche Boot, die Berlinerinnen Frederike Loewe und Anna Markfort. Und so werden im nächsten Jahr die Kameraden zu Konkurrenten, die einander überlisten wollen. Drei Regatten bleiben ihnen im kommenden Frühjahr, um die schnellere, die taktisch versiertere Crew zu ermitteln. Denn auf den 470er-Jollen wird das taktische Geschick der Segler besonders belohnt. "Viele Manöver, viel mehr als bei schnelleren Booten sind nötig", sagt Böhm. Taktik, Tüfteln, das Zusammenspiel im Team sind wichtige Faktoren.

Die besten Segler finden eine unsichtbare Route durch Wind und Wellen, der sie an allen anderen vorbei trägt. "Es ist ein Revier, das viele Wege offen lässt."

Und in dem man nie alleine ist. "Haie, richtige Schwärme", begleiten die Boote, erzählt Böhm, manchmal sind es sieben, manchmal zehn. Oben am Himmel braut sich um diese Jahreszeit auch etwas zusammen. Ein Taifun droht, "aber im Moment sieht es aus, als würde er an uns vorbeiziehen", glaubt Böhm. Wirbelsturm "Krosa" soll am Mittwoch auf das Festland treffen. Dazu erschüttern Erdbeben das Land, "aber das gehört hier dazu". Weil die Japaner so gelassen damit umgehen, legt sich auch bei den deutschen Segler schnell die Angst.

Japan, das sei eine andere Welt, sagt Philipp Autenrieth. "Zwar der gleiche Erdball, aber so sehr anders", sagt der Segler vom Bayerischen Yacht Club, so anders als das Heimatgewässer, der Starnberger See. "Alles ist strikt durchgeplant, das macht alles berechenbar." Und das ist auch ganz angenehm zur Abwechslung. Denn Unwägbarkeiten gibt es hier genug.

"Gestrauchelt" sei er mit seinem Partner Simon Diesch, erst spät kamen sie in Fahrt. Dazu quälte sie das "Dauerschwitzen" wegen der hohen Luftfeuchtigkeit - was dann auch auf die Kraft und die Konzentration schlug. Trotzdem retteten sich die beiden gerade noch so in die Gold-Fleet, in der um den WM-Sieg gefahren wurde. Doch davon waren sie weit entfernt. Am Ende stand ein neunter Platz - zu wenig für die Qualifikation. Den Nationenplatz, den sie gegen die anderen europäischen Teams ausfechten müssen, haben sie gerade so verpasst. "Im vorolympischen Jahr sind alle tiptop vorbereitet. Wir ja auch", sagt Autenrieth. Aber gereicht hat es trotzdem nicht. Zwar beginnt am Samstag ein olympischer Probelauf für alle Segler mit Aussichten auf Tokio, bei dem auch die Gastgeber die Organisation und die Abläufe durchspielen. Zu gewinnen gibt es dort allerdings nichts - eine wichtige Leistungsschau ist es trotzdem. "Der Verband beobachtet das Abschneiden ganz genau", ist sich Autenrieth sicher. Eine einzige Chance hat er noch. Der verbliebene Platz für ein europäisches Team wird im Frühjahr bei der Weltcup-Regatta vor Genua vergeben.

Auf die Hoffnung, dass eine Nation zurückziehen könnte und Authenried/Diesch als Nachrücker zu Olympia fahren, daran will der 28-jährige Augsburger nicht denken. "Das ist sehr hypothetisch, darauf wollen wir uns nicht verlassen. Das ist ja das Gute an der Situation: Wir können es immer noch aus eigener Kraft schaffen."

© SZ vom 14.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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