Schach:Springer zwischen den Ligen

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Die abstiegsbedrohten Frauen des FC Bayern stehen in der ersten Liga vor einem Doppelspieltag - im Schach.

Von Karl-Wilhelm Götte, München

Helene Giss ist Mutter von zwei kleinen Kindern und hat immer wieder Mühe, sich für die Bundesliga-Schachpartien des FC Bayern München die dafür notwendige Freizeit zu organisieren. So konnte sie bei der letzten Auswärtsfahrt nach Bad Königshofen in Unterfranken mit Duellen gegen Königshofen und Hofheim nicht dabei sein. "Ich habe niemanden gefunden, der zwei Tage lang auf meine Kindern aufpassen konnte", erzählt Giss achselzuckend. Auch andere Spielerinnen waren verhindert oder krank. FCB-Mannschaftsführer Holger Werner war nicht zu beneiden; er hatte verzweifelt in seinem 14er-Kader nach einer sechsten Spielerin gefahndet, doch die fand er nicht. Zu fünft mussten sie also jeweils ein Duell kampflos abgeben. Die Münchnerinnen verloren zwei Mal und blieben in der Zwölferliga Tabellenletzter.

Die FC-Bayern-Frauen sind ambitionierte Hobbyspielerinnen, die jedes Mal wieder hoffnungsvoll in die Fremde fahren, doch immer wieder kehren sie mit leeren Händen zurück. Nach der Hälfte der Erstligasaison konnten sie bisher nur ein 3:3-Unentschieden gegen den SK Lehrte verbuchen. Im Grunde sind sie so etwas wie eine Fahrstuhlmannschaft. Mal erste Liga, mal zweite, dann wieder zurück ins Oberhaus - das erlebten die Schachfrauen mit dem prominenten Vereinsnamen in den vergangenen drei Jahren.

"Die Bundesliga ist eine Zweiklassengesellschaft", erläutert Mannschaftsführer Werner. "Da sind jedes Mal die gleichen sechs Teams oben, und die sechs unten spielen immer die drei Absteiger aus." Oben spielen in diesem Jahr Hamburg, Schwäbisch Hall, Baden-Baden und Bad Königshofen. Der kleine unterfränkische Kurort war vor drei Jahren deutscher Meister. Baden-Baden leistet sich in der Chinesin Yifan Hou die weltbeste Spielerin und bezahlt in Alexandra Kosteniuk (Russland) und Mariya Muzychuk (Ukraine) zwei Ex-Weltmeisterinnen. Insgesamt bietet Baden-Baden sieben ausländische Großmeisterinnen auf. Auf den letzten vier Plätzen sind Berlin/Pankow, Karlsruhe, Harksheide und der FC Bayern zu finden - allesamt ohne Großmeisterinnen.

Dass die Münchner, die an diesem Wochenende auswärts gegen Baden-Baden und Karlsruhe spielen, Letzter sind, liegt auch daran, dass sie mit einem Minibudget leben müssen. "Wir bezahlen nur die Spesen, die Fahrt- und Hotelkosten", erläutert Werner. Die Schachabteilung gehört bei Bayern München zum e.V. - ist also keine Profiabteilung wie die Fußballer oder Basketballer. Entsprechend mickrig ist ihr Etat. Dafür haben sie noch Glück, dass sie in Veronika Exler und Elena Boric zwei konkurrenzfähige Spielerinnen im Team haben. Exler, 27, ist Österreicherin und hat den Titel einer Internationalen Frauenmeisterin. Boric ist Bosnierin und wohnt wie Biologiestudentin Exler in Wien. An Brett drei spielt die Italienerin Alessia Santeramo. Dahinter folgt Helene Giss. Die 28-jährige Ärztin spielt Schach, seit sie zwölf ist. "Die meisten Mädchen verlieren in der Pubertät die Lust am Schach", sagt sie. Auch deshalb hat Giss als Jugendliche die nicht ganz so stark besetzten Turniere häufig gewonnen. "Man gewinnt viel schneller, ohne sich dafür anstrengen zu müssen", beschreibt sie den Unterschied zu den Jungen. Sie führt damit einen wesentlichen Grund für die unterschiedliche Spielstärke von Männern und Frauen an.

Giss hat einen guten Vergleich, sie lebt im oberschwäbischen Wertingen und spielt für Dillingen in einem Männerteam - als eine der wenigen Frauen in der Landesliga. "Die meisten Schachtrainer sind auch im besonderen Umgang mit Mädchen im Alter von 15 Jahren nicht spezialisiert", ergänzt Werner. Nach seiner Erfahrung sind Mädchen dieses Alters weniger als Jungen auf Wettkampf und Druck gepolt und hörten auch deshalb häufiger mit Schach auf. So kann er auch fürs Bundesligateam weniger auf vereinseigenen weiblichen Nachwuchs zurückgreifen.

Die Hoffnung auf den Erstligaverbleib hat Werner noch nicht aufgegeben. "Immerhin haben wir schon einen Punkt geholt", sagt der Bayern-Mannschaftsführer, "das war bei unserer letzten Erstligasaison zu diesem Zeitpunkt noch nicht der Fall." Helene Giss ist dagegen eher skeptisch in Sachen Klassenerhalt: "Ich glaube nein", sagt sie nur.

© SZ vom 07.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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