Schach:Ohne Ausreißer

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Manchmal mache er sich Gedanken über die Sinnhaftigkeit der Liga, sagt Großmeister Gerald Hertneck. (Foto: Claus Schunk)

13 Spiele, 13 Niederlagen: Die Amateure der MSA Zugzwang waren gegen die Schachprofis in der Bundesliga chancenlos - und steigen ab.

Von Karl-Wilhelm Götte, München

13 Spiele, 13 Niederlagen, so lautet die niederschmetternde Bilanz der Münchner Schachakademie (MSA) Zugzwang. Auch das letzte Bundesligaspiel an diesem Sonntag wird die Münchner Denksportler nicht mehr vor dem Abstieg aus dem Schach-Oberhaus retten können. In der Bayern LB Sportarena an der Osterwaldstraße trifft das Zugzwang-Achterteam zum Abschied aus Liga eins zum Mannschaftsduell auf den SV Hofheim.

Der Gegner aus Hessen ist ebenfalls abstiegsbedroht, könnte sich aber mit zwei Siegen theoretisch noch retten. Für die MSA Zugzwang ist nach drei Jahren in der Bundesliga erst einmal Schluss. "Als reine Amateurmannschaft waren wir nicht konkurrenzfähig", resümiert Großmeister Gerald Hertneck und lässt die bisherigen 13 Partien noch einmal Revue passieren.

"Du spielst ständig gegen Gegner, gegen die du keine Chance hast", fasst Hertneck ziemlich frustriert die Saison zusammen. "Es steht schon vor der Saison fest, wer oben und wer unten mitspielt." Dabei hat der Münchner auch den Status eines Großmeisters. Doch Großmeister ist nicht gleich Großmeister. Hertneck eroberte den Titel schon 1991, da war er 28 Jahre alt und in der Blüte seines Schachschaffens. Er war deutscher Nationalspieler und nahm an Mannschafts-Weltmeisterschaften und Schacholympiaden teil. 1994 stand er bei 2615 Elo-Punkten, das ist die Zahl, nach der die Reihenfolge der Weltrangliste gebildet wird. Platz 50 in der Welt belegte Hertneck damals. Er spielte in der Bundesliga in den Achtziger- und Neunzigerjahren für den FC Bayern München und wurde mit dem Klub sechs Mal deutscher Mannschaftsmeister. Auch für die Münchner SC und den TV Tegernsee saß er in der Bundesliga am Schachbrett.

2016 stieg er mit der MSA Zugzwang in die erste Bundesliga auf. Seit 2005 ist er als deren Mitbegründer für die Münchner Akademie und die Schachstiftung tätig. Jetzt ist Hertneck 55 Jahre alt und auf Lebenszeit Großmeister der Zunft. Doch jedes Jahr, das auch ein Großmeister älter wird, nagt an seiner Spielstärke. So überrascht es nicht, dass Weltmeister Magnus Carlsen aus Norwegen erst 28 und der WM-Finalist, der US-Amerikaner Fabiano Caruana, 26 Jahre jung ist. Früher konnten auch ältere Großmeister in der Spitze mithalten. "Jetzt musst du mit 55 jedes Mal deine letzten Reserven mobilisieren", beschreibt Hertneck die missliche Lage.

Carlsen steht übrigens bei 2845 und Caruana bei 2828 Elo-Punkten, Hertneck bei 2491. Er ist damit nach Leon Mons (2545) und Stefan Kindermann (2500) nominell die Nummer drei bei der MSA Zugzwang. Nicht nur bei den führenden Teams in der Bundesliga wie der SG Solingen, dem SV Hockenheim und Seriensieger Baden-Baden tummeln sich jedoch an allen acht Brettern Schachprofis mit Elo-Zahlen von über 2700. Die Bundesliga ist eine lukrative Veranstaltung für weltweit vagabundierende Schach-Legionäre. Von 2000 Euro pro Auftritt ist die Rede. Caruana spielte übrigens dreimal für Baden-Baden und konnte kein Spiel gewinnen; so viel zur stärksten Liga der Welt, in der kaum Deutsche an den Spitzenplätzen sitzen.

"Die Elo-Zahl ist ein guter Maßstab für die Spielstärke, diese Zahlen lügen nicht", sagt Herbert Gstalter, der Vorsitzende der MSA Zugzwang. "Da liegen wir im Mannschaftsvergleich hundert bis 200 Punkte zurück." Hundert Punkte bedeutet, dass der Gegner eine Klasse besser ist. Elo geht auf den Erfinder Arpad Elo aus den USA zurück. Die Punkte basieren auf Gewinnen und Verlieren je nach Spielstärke des Gegners. Seit 1970 stellt der Weltverband (Fide) seine Rangliste nach Elo zusammen. Gerald Hertneck konnte bisher für die MSA Zugzwang von elf Partien keine gewinnen; sieben Mal spielte er remis. "Zuletzt haben wir in Solingen gegen eine Armada holländischer Großmeister gespielt, da hast du keine Chance", sagt Hertneck. Da könne man sich schon Gedanken über die Sinnhaftigkeit der Liga machen.

Bester Spieler der MSA ist Mannschaftsführer Markus Lammers. Meist an Brett acht eingesetzt, gewann der Internationale Meister, der eine Stufe unter dem Großmeister rangiert, vier von elf Partien und holte 6,5 Punkte für seine Mannschaft. "Unsere Spieler sind auf ihrem Elo-Niveau geblieben", analysiert Gstalter, "da gab es kaum Ausreißer nach oben." Man geht jetzt nicht unbedingt traurig zurück in die zweite Liga. "Das wird vor allem billiger", sagt der Vorsitzende. Es gibt nur neun Spiele und die 3000 Euro teure Internetübertragung für zwei Heimspiele fällt weg. Bisher hat nur Christian Schramm seine Demission angekündigt, weil er als Trainer nach Frankfurt geht. So wird auch Hertneck eine Liga tiefer wieder Spiele gewinnen. "Weder Mannschaft noch Vorstand werden das Amateurkonzept ändern", kündigt Gstalter an. Auch bei einem Wiederaufstieg, dessen Akzeptanz man sich zudem zweimal überlegen müsse, würde es keine personelle Aufrüstung geben.

© SZ vom 06.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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