Rugby:Ave Maria

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Münchens OB Dieter Reiter als Losfee beschert der deutschen Mannschaft pures Glück: Beim Oktoberfest 7s bietet sich ihr ein Duell mit Olympiasieger Fidschi - und die Chance aufs Halbfinale.

Von Sebastian Winter, München

Vor 381 Jahren wurde die marmorne Mariensäule auf dem Münchner Marienplatz eingeweiht, auf der die bronzene Patrona Bavariae thront. Vor 380 Jahren bekam der Sockel noch vier Bronzeputten, deren Inschrift sich in gekürzter Form auf Psalm 91, Vers 13 bezieht: "Super aspidem et basiliscum ambulabis et leonem et draconem conculcabis" - "Über die Schlange und den Basilisken wirst du schreiten und den Löwen und den Drachen wirst du zertreten." Die Inschrift könnte auch ein passendes Motto für das Oktoberfest 7s sein, jenes Siebener-Rugbyturnier, das den schnellen, kampfbetonten Vollkontaktsport mit seinen nicht gerade zimperlichen Hauptdarstellern in diesem Herbst am ersten Wiesn-Wochenende (21./22. September) nach München bringt. Auch wenn dort nur Springböcke (Südafrika), Adler (USA) und Wallabys (Australien) zu finden sind - jedenfalls als inoffizieller Namenszusatz der entsprechenden Nationalmannschaften.

Nichts für Weicheier: Mesulame Kunavula (re.) von Olympiasieger Fidschi schnappt sich den Neuseeländer Scott Gregory im Halbfinale der World Rugby Sevens Series. Fidschi gewann das Turnier. (Foto: imago)

Am Mittwoch war Auslosung, direkt unter der Schutzheiligen Bayerns, bei sengender Sonne. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter, die Losfee an diesem Tag, trug dennoch der Form halber einen blauen Anzug zum weißen Hemd. Der Stadtpatron, der vor eineinhalb Wochen noch mit dem FC Bayern oben auf dem Balkon eine mäßig enthusiastische Double-Feier gemeistert hatte, musste nun ziemlich fingerfertig sein. Es galt, aus einem plexigläsernen Oktagon kleine Rugbybälle herauszuholen, den eingenähten Reißverschluss zu öffnen und Nationaltrikots herauszuziehen. Als Models getarnte Rugbyspieler, manche zweitligaerfahren, zogen sie dann über und lächelten dazu mariengleich.

Alles auf Schwarz: OB Dieter Reiter (links, mit Moderator Jan Lüdeke) zieht als erstes Team Neuseeland, die „All Blacks“. (Foto: Michael Kluzik / oh)

Um es nicht allzu spannend zu machen: Reiter brachte dem Gastgeber Deutschland fast unverschämt viel Glück. Er loste Weltmeister Neuseeland, dessen Finalgegner von 2018, England, Oktoberfest-7s-Titelverteidiger Australien und den letztjährigen Weltserien-Gewinner Südafrika in die Gruppe A, die vom Oktoberfest-7s-Geschäftsführer Michael Weber schnell "Hammer- und Todesgruppe" getauft wurde. Deutschland lotste er als allerletztes Team in Gruppe B, wo der EM-Zweite und große Außenseiter zwar auf Olympiasieger Fidschi trifft, aber eben auch in Europameister Frankreich und den USA auf zwei durchaus schlagbare Gegner. "Das erhöht ein klein wenig die Chance auf ein Weiterkommen", sagte Reiter, der Rugby eher aus dem Fernsehen kennt und sich schon deshalb darauf freut, das größte Turnier auf deutschem Boden zu beherbergen: "Es ist schön, dass wir unser Sportportfolio nicht nur auf Fußball, Eishockey und Basketball gründen. Die Münchner werden es mögen. Auch wenn ich die blauen Flecken bei den Spielern gar nicht zählen möchte."

32 000 Zuschauer erwarten Oktoberfest-7s-Geschäftsführer Weber und seine Mit-Organisatoren im Olympiastadion, die Spiele werden voraussichtlich in 70 bis 80 Ländern übertragen (bei der ersten Auflage 2017 waren es 52), in manchen wie Südafrika, Fidschi oder Australien sind viele Stunden live zu sehen. Viele Fans werden - wie im Rugby üblich - ihre Teams in schrillbunten Verkleidungen anfeuern. Die Stadt schießt für die diesjährige und die künftigen Auflagen des zumindest bis 2022 geplanten Einladungsturniers jeweils 200 000 Euro zum Etat zu, der für 2019 bei knapp zwei Millionen Euro liegen dürfte. So wird das Defizit zumindest gedämpft, das den Veranstaltern vor allem durch die hohen Reise- und vor allem Übernachtungskosten für die Teams entsteht. Diese nächtigen übrigens in der Sportschule Oberhaching und schauen vor dem eigentlichen Turnier auch in acht Schulen in München und dem Umland vorbei, mit denen es bislang Kooperationen gibt.

So soll das Interesse an diesem Randsport mit seinen deutschlandweit rund 16 000 Aktiven in rund 130 Vereinen weiter wachsen. Immerhin versucht die deutsche Nationalmannschaft, seit Jahren in die World Series der besten 15 Nationen aufzusteigen, zuletzt scheiterte sie ganz knapp mit diesem Vorhaben. Auch die Olympiachance für Tokio 2020 ist noch da, allerdings ist England beim nächsten Qualifikationsturnier der große Favorit für den einzigen Startplatz. Danach gibt es nur noch ein weiteres europäisches Qualifikationsturnier - und einen zweiten Platz für Tokio.

Bei den übervollen Bierzelten solle man am ersten Wiesn-Wochenende doch einfach den Weg ins Olympiastadion suchen, meinte Oberbürgermeister Reiter noch. Dann ging er zurück ins kühle Rathaus, während Maria beim beginnenden Glockenspiel weiter in der Hitze glänzte.

© SZ vom 06.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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