Handball:"Dass man so lange Ungewissheit hat, nervt mich am meisten"

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"Für mich wäre die zweite Liga das Sahnehäubchen, aber kein Primärziel": Frederik Hartz, 22, Handballspieler und Medizinstudent. Ob er beim TuS bleibt, darüber sollen demnächst Gespräche stattfinden. (Foto: Johannes Simon)

Nach dem Punktabzug, der den TuS Fürstenfeldbruck wohl seiner Aufstiegschance beraubt, fordert Rückraumspieler Frederik Hartz mehr Transparenz vom Verband - und mehr Professionalität vom Verein

Von Ralf Tögel

Als Handballer Frederik Hartz, 22, das letzte Spiel der Hinrunde in der 3. Liga Süd gespielt hatte, konnte er mit einem guten Gefühl in die Weihnachtspause gehen. Der TuS Fürstenfeldbruck war mit zwei Punkten Rückstand auf Tabellenführer Balingen sehr aussichtsreich im Kampf um den Aufstieg notiert. Kurz darauf wurden den Bruckern 13 Punkte abgezogen, weil sie nach Ansicht des Deutschen Handballbundes (DHB) einen Spieler mit einem ungültigen Pass eingesetzt hatten. Der Verein hat Einspruch eingelegt, das Verfahren läuft. Trotzdem gehen die Brucker nun auf einem Abstiegsplatz in die Rückrunde, die am Samstag (19.30 Uhr) mit dem Heimspiel gegen Hochdorf beginnt. Das Befinden der Spieler hat sich geändert, wie Hartz der SZ bestätigt.

SZ: Herr Hartz, wie waren die Feiertage?

Frederik Hartz: Einen Tag vor Weihnachten wurde die Tabelle geändert, der Zeitpunkt war natürlich unglücklich. Ich habe versucht, das die letzten Tage auszublenden, und nicht mehr auf die Tabelle geschaut.

War der Punktabzug ein Schock?

Man hatte ja schon eine leichte Vorahnung, dass irgendwann die Punkte abgezogen werden. Ich habe schon vorher versucht, es zu vergessen, auch weil sich das ja einige Monate hingezogen hat und zum Schluss einfach nur noch nervig war.

Der TuS hat Einspruch eingelegt. Haben Sie noch Hoffnung?

Es besteht die Chance, dass es im Nachhinein wieder zurückgenommen wird. Das wird sich in den nächsten Wochen zeigen.

Wie groß ist die Frustration?

Im Unterbewusstsein ist man natürlich frustriert, denn eigentlich spielen wir um den Aufstieg und stehen jetzt plötzlich da unten. Aber wir haben uns vorgenommen, uns davon so gut es geht zu lösen und die alte Tabelle im Hinterkopf zu behalten.

Müssen die Ziele neu definiert werden?

Wir haben uns schon in der Hinrunde von Aufgabe zu Aufgabe gehangelt und auf jedes einzelne Spiel statt auf die Tabelle geschaut. Es macht jetzt keinen Sinn, den Punkten hinterherzutrauern.

Gibt es eine Trotzreaktion?

Das Wichtigste ist nun, den Kopf oben zu lassen und die Spannung hoch zu halten, um die Saison vernünftig zu Ende zu spielen. Aber man muss sich schon die Frage stellen, was man noch erreichen kann. Denn wenn es dabei bleibt, ist der Aufstieg rechnerisch schon gar nicht mehr möglich, und auch Platz sechs, der für die erste DHB-Pokal-Runde qualifiziert, ist weit weg. Unsere Zielsetzung ist jetzt von der Tabelle gelöst, wir wollen erst einmal im Januar alle Spiele gewinnen. Auch alle Heimspiele zu gewinnen, ist so ein Ziel.

Also erst mal kleinere Brötchen backen?

Nicht unbedingt. Wir dachten immer schon in kleinen Schritten, mit Platzierungen sind wir schon immer recht vorsichtig umgegangen.

Das klingt alles sehr überlegt. Sind Sie nicht einfach nur wütend?

Klar ist es unschön, dass dieser Fehler passiert ist, vor allen Dingen für Trainer und Mannschaft, die um ihre gute Arbeit gebracht werden. Aber auch für alle Beteiligten, die jedes Heimspiel in der Halle stehen und sich für den Verein einsetzen. Aber dass man so lange Ungewissheit hat, das nervt mich am meisten.

Im Vorjahr hat der TuS aus wirtschaftlichen Gründen auf die Relegation verzichtet, jetzt dieser Fauxpas. Machen Sie dem Verein keinen Vorwurf?

Ich glaube, die Verantwortung liegt irgendwo zwischen BHV, DHB und Verein. Zudem ist die Passregelung für das Sonderdoppelspielrecht für Kaderspieler sehr undurchsichtig gestaltet. Der Verband tut gut daran, hier für mehr Transparenz und Klarheit bei den Klubs zu sorgen. Dennoch darf ein solcher Fehler natürlich nicht passieren. Ich glaube, dass beim TuS manchmal die Aufgabenverteilung nicht hundertprozentig eindeutig ist, dass man in der Kommunikation innerhalb des Vereins besser werden muss.

Der Verein hat in den vergangenen beiden Spielzeiten eine rasante Entwicklung hingelegt, die Halle ist voll, es wird sehenswerter Sport geboten. Gerät das alles in Gefahr?

Man muss schon aufpassen, dass man diese Entwicklung jetzt festigt. Der Aufstieg, der glückliche Klassenerhalt im ersten Jahr, die extra gute zweite Saison, die Zuschauerzahlen, Medienpräsenz, das ganze Standing vom Verein: Dass hier etwas zusammenwächst, ist bei allen spürbar.

Die logische Folge wäre der Aufstieg.

Drittligahandball in München ist etabliert, aber den Weg in die zweite Liga anzugehen, finde ich persönlich zu früh. Weder sportlich noch im Umfeld sind wir ein Zweitligist, so weit sind wir noch nicht.

Warum?

Ich habe eine Saison bei Bad Schwartau in der zweiten Liga mittrainiert und auch ein, zwei Spiele machen dürfen. Da gab es ganz andere Strukturen, da fehlt uns Erfahrung, auch ein, zwei Personen mit Erfahrung in diese Richtung. Es fehlt einfach Zeit, so etwas muss sich entwickeln, da sehe ich uns noch nicht.

Beste ht dann nicht die Gefahr der Stagnation, dass das Interesse schwindet?

Wenn wir jetzt nicht aufsteigen, sehe ich das nicht so tragisch. Der Aufwand ist viel höher, als man sich das so vorstellt. Es sind mehr Spiele, weitere Fahrten. Die zweite Liga ist schon deutlich professioneller. Man sagt nicht ohne Grund, dass die zu den fünf, sechs besten in Europa zählt.

Nun geht es plötzlich um den Klassenerhalt, es wird ernst, Fehler können üble Konsequenzen haben. Der TuS hat eine der jüngsten Mannschaften in der Liga, hält sie das aus?

Um den Klassenerhalt mache ich mir gar keine Sorgen. Auch wenn die Punkte weg sein sollten, was ja noch nicht endgültig entschieden ist, wird in ein, zwei Monaten der Abstand nach unten groß sein. Weil wir ganz einfach die Klasse haben, dass wir die nächsten Spiele auch gewinnen.

Ist es schwer, sich dafür zu motivieren?

Klar kann man sagen, das Mannschaftsziel ist nicht mehr zu erreichen. Man kann sich aber auch persönlich als Spieler Ziele setzen, etwa sich weiterzuentwickeln.

Das klappt?

Ich denke schon. Die Stimmung in der Mannschaft ist einfach mittlerweile so gut, dass wir die Situation erkennen und darüber sprechen können. Im Training war der Punktabzug kaum mehr ein Thema, ich habe auch niemanden wahrgenommen, der sich hängen lassen hat.

Trotzdem: Zum zweiten Mal werden die Spieler um eine große Chance gebracht. Kommt einem da nicht der Gedanke an einen Vereinswechsel?

Ich glaube, es gibt schon einige Spieler, die gerne zweite Liga spielen und sich noch mehr auf den Handball konzentrieren würden. Bei mir persönlich steht mein Medizinstudium an erster Stelle. Ein Zweitliga-Jahr würde ich aber auf jeden Fall immer annehmen, allein um die Erfahrung noch mal zu machen, um in vollen Hallen zu spielen, auch um das Niveau auszutesten. Aber dann müsste ich für dieses Jahr mein Studium zurückstellen. Für mich wäre es ein Sahnehäubchen, aber kein Primärziel.

Dann spielen Sie nächste Saison wieder beim TuS?

Da will ich mich jetzt noch nicht festlegen, es kann immer was passieren. Ich studiere Medizin und bin dementsprechend eingespannt, im Sommer ist Halbzeit, dann habe ich noch drei Jahre. Ich lasse das jetzt erst mal auf mich zukommen.

Ist der Verein schon an Sie herangetreten?

Ja, Gespräche sind angekündigt. Das ist auch besser geworden, dass frühzeitig über die nächste Saison gesprochen wird. Das habe ich am Anfang hier vermisst. Aber es ist wichtig, früh einen festen Plan zu haben, wie das personelle Grundgerüst für die nächste Saison aussehen wird. Das entscheidet sich im Januar oder Februar.

Was haben die vergangenen drei Jahre beim TuS bei Ihnen hinterlassen?

Es hat mir wirklich Freude gemacht, dass ich diesen Aufschwung miterleben durfte. Jetzt ist es wichtig, diese Entwicklung zu festigen. Man darf sich nicht ausruhen oder resignieren wegen dieser zwei verpassten Aufstiegsmöglichkeiten. Das Potenzial ist da. Jetzt man muss auch das Umfeld dementsprechend weiter vorantreiben und professionalisieren, um in den nächsten drei, vier Jahren die klaren Strukturen für Zweitligahandball in München zu schaffen.

© SZ vom 14.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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