Golf:Griechische Flagge

Lesezeit: 3 min

Wird die Einlaufhymnen, den Fanjubel und den Smalltalk mit den Stars nicht vergessen: Alexander Tranacher. (Foto: privat)

Alexander Tranacher ist Golflehrer in Starnberg - und durfte überraschend mit den besten Profis in Melbourne die Team-WM spielen.

Von Gerald Kleffmann, Starnberg

Alexander Tranacher hat ein Motto, das er gern seinen Schülern vermittelt. "Ich sage immer: find your happy place", sagt der 34-Jährige und lächelt. "Wenn du dein inneres Glück gefunden hast und mit dir im Reinen bist, spielst du besser." Wobei er natürlich eine Einschränkung macht: Man kann Glück nicht erzwingen. Er selbst hat, wie er einräumt, öfter Pech gehabt. Aber manches Mal taten sich eben Türen auf. Dann muss man das Glück umarmen. Tranacher hat dies kürzlich getan. "Es ist eine lustige Geschichte", sagt er und schaut genau so ungläubig, wie es vermutlich jeder tun würde, dem diese Geschichte widerfahren wäre. Sie begann mit einem Anruf.

Tranacher ist Golflehrer von Beruf, er arbeitet seit drei Jahren im GC Starnberg, seine Ausbildung hat er im GC Riedhof absolviert. Auf der drittklassigen Profiserie namens Pro Golf Tour hat er in den zurückliegenden Monaten zwei Turniere gespielt, zweimal den Cut verpasst. In der Weltrangliste ist er um Nummer 2000 geführt, und das unter griechischer Flagge, da seine Mutter von dort stammt. Der Vater ist Österreicher. Im vergangenen Oktober war er zu Hause in seiner Wohnung im Münchner Westen, da klingelte das Telefon. Der griechische Golfverband war in der Leitung. Und fragte, ob er bald schon die Schläger packen wolle. Er könne da ein spezielles Turnier mitspielen, den World Cup of Golf, in Melbourne. "Ich konnte es erst nicht glauben, sagt Tranacher. Er sah kurz nach, wer bei dem Nationenwettbewerb, bei dem immer zwei Spieler ihr Land vertreten, gemeldet hatte. "Absolute Weltklassespieler" hatte Tranacher schnell ausfindig gemacht, etwa den zweimaligen Major-Sieger Martin Kaymer, den Ryder-Cup-Spieler Matt Kutchar aus den USA, den legendären Engländer Ian Poulter.

Tranachers Teilnahme beruhte auf einer Vielzahl schicksalhafter Verkettungen. Der beste griechische Profi Peter Marmis - der Vater Grieche, die Mutter aus Südafrika - stand um Rang 230 in der Welt. Griechenland musste als 31. Nation in der Anmeldeliste auf Absagen anderer Teams hoffen, und dann sagten tatsächlich genügend ab. Als 28. Land rutschte Griechenland rein. Und Karmis stieß zwangsläufig auf Tranacher: Es sind nur die beiden Griechen in der Weltrangliste geführt. "Dort läuft Golf komplett unter dem Radar", weiß er aus Erfahrung.

Vier Tage hatte das Turnier gedauert, "ich habe alles mitgenommen, was ging", sagt Tranacher. Die Vorbereitung war nicht optimal, zumindest unter Profi-Aspekten. Es stand erst noch seine jährliche Golfreise mit Schülern nach Griechenland an, Kofferpacken, dann in der Economy-Klasse über Dubai nach Australien. "Als ich auf dem Bildschirm im Flieger all das Wasser sah, dachte ich nur: Pilot, gib Gas!" Es war seine längste Reise jemals, und in Melbourne folgte Premiere auf Premiere. Ein Essen mit Vertretern der griechischen Golfvereinigung Australiens, Smalltalks mit Kutchar und Poulter, hunderte Fans, die mitmarschierten, Hymnen für die Teams. In Melbourne leben mehr als 150 000 Griechen. Tranacher, in Stuttgart geboren, sieht sich als Grieche durch und durch; er lebte nach der Trennung der Eltern lange in Athen bei der Mutter, begann dort und beim Vater im Schwäbischen das Golfen und spielte sich ins griechische Jugendnationalteam. Als er merkte, er schafft nicht den Sprung auf ein US-College, weil das Geld fehlte, studierte er Golfmanagement in Trier. "Die Resonanz in Melbourne war überwältigend", sagt Tranacher, der spielerisch zwei gute und zwei weniger gute Tage mit Karmis erwischte.

Am ersten Tag wurde nach dem Vierball-Modus gezählt, jeder Profi hatte seinen eigenen Ball, das beste Ergebnis pro Loch zählte. Mit 68 Schlägen standen die zwei plötzlich im Mittelfeld des Tableaus, "das war verrückt, unsere Namen dort zu sehen", sagt Tranacher. An Tag zwei kam ein Absturz, auch, weil es das "schlechteste Wetter war, bei dem ich je gegolft habe". Cool Change nennt sich das Klimaphänomen in Melbourne, binnen Stunden steigen oder fallen hier die Temperaturen auf aberwitzige Weise. Gerade brannte die Sonne, nun blies ein Sturm, es war keine zehn Grad warm. 87 Schläge katapultierten sie weit zurück beim Foursome-Modus (beide spielten abwechselnd einen Ball). Mit einer 68er und 86er Runde landeten Karmis und er auf dem 28. und letzten Rang, aber er, der sich als "kleiner Golfer unter den großen Tieren" betrachtete, schlug sich wacker. "Wir kämpften wie die antiken Griechen", sagt Tranacher, der so leidenschaftlich von seinem Abenteuer berichtet, als sei es gerade erst gewesen und nicht Mitte November. Das liegt nun mal auch daran, dass er immer wieder davon erzählen darf, die griechischen Medien interviewten ihn, seine Schüler in Starnberg fragten ihn aus, und nebenbei, so turbulent ist gerade sein Leben, wird er bald Vater, im März.

Seine Erlebnisse weckten in Tranacher "eine Flamme", wie er es nennt, er will in den nächsten vier, fünf Jahren tatsächlich versuchen, es auf eine der höheren Profitouren zu schaffen. Die rund 10 000 Euro, die ihm als Preisgeld blieben, legte er bereits zur Seite als Kapital für Reisen, Startgelder und Hotels. Seine Arbeit in Starnberg aber bedeute ihm viel, "das will ich auf keinen Fall aufgeben", sagt Tranacher. 15 bis 20 Turniere auf der Pro Golf Tour versucht er 2019 zu spielen, auch über den nächsten Winter, die Challenge Tour wäre das nächste Ziel. "Wenn es am Ende nicht klappt, will ich wenigstens sagen, ich habe alles gegeben", sagt Tranacher und strahlt eine Energie aus, als könne er sofort loslegen.

© SZ vom 19.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: