Garching:Zwischen Jugendfreunden und der neuen Liebe

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Zweiter Aufschlag: Als Doppelspezialist hat sich Alexander Satschko eine späte Karriere erarbeitet - und im Februar seinen ersten ATP-Titel. (Foto: imago sportfotodienst)

Tennisprofi Alexander Satschko spielt für Garchings Herren 30 in der Bundesliga. Am Sonntag steht er aber wohl nicht zur Verfügung. Er debütiert im Doppel bei den French Open - mit 34 Jahren

Von Sebastian Winter, Garching

Alexander Satschko fliegt an diesem Freitag nach Paris, der Liebe wegen. Seine neue Liebe heißt Doppel, der 34-Jährige hat sie erst im Herbst seiner Karriere so richtig gefunden. Und jetzt startet er zum ersten Mal überhaupt bei den French Open, an der Seite seines Interimspartners Benjamin Becker, dem 41. der Einzel-Weltrangliste, der einst in der dritten Runde der US Open Andre Agassi aus dessen letztem Profiturnier warf. Pfingstsonntag ist Auslosung, doch für Satschkos Verein, den Ski- und Tennisklub Garching, ist das heikel: Denn der gebürtige Deggendorfer spielt seit dieser Saison beim Aushängeschild des Vereins, den Herren 30, in der Bundesliga. Und an diesem Sonntag hat der Aufsteiger sein erstes Heimspiel gegen Lohfelden. Jetzt überlegen beide Seiten tatsächlich, ob der Tennisprofi zu diesem Spiel mal schnell für einen Tag zurückkommen soll nach München. "Wir entscheiden das kurzfristig", sagt Satschko.

Doch wie passt das überhaupt zusammen, dass einer, der in der Doppel-Weltrangliste auf Platz 84 steht (aus Deutschland sind nur Dustin Brown und Andre Begemann besser), der schon in Wimbledon und bei den Australian Open spielte, nun zur neuen Nummer eins der etwas reiferen Garchinger Männer geworden ist? "Es passt logistisch und menschlich", sagt Satschko. Er wohnt am Arabellapark in München, kaum zehn Minuten von Garchings Tennisplätzen entfernt, außerdem kennt er viele seiner STK-Kollegen, wie den Mannschaftsführer Felix Hutt und Oliver Jöhl, von früher. Mit der Nummer drei Maximilian Schmuck hat er mal zusammen eine WG gebildet. "Für mich ist das super, ich kenne die Jungs aus Jugendzeiten", sagt Satschko, der froh ist, nicht mehr Hunderte Kilometer reisen zu müssen am Wochenende, wie vergangene Saison, als er noch für Solingen in der zweiten Bundesliga spielte - übrigens mit seinem eigentlichen Doppelpartner Gero Kretschmer, mit dem er am 8. Februar in Quito seinen ersten ATP-Doppeltitel gewann.

Auch die Garchinger sind froh, Satschko verpflichtet zu haben, sie könnten kaum einen besseren Lehrmeister finden, vor allem für das Doppelspiel. Dass er als ehemaliger Weltranglisten-259. auch ein sehr passabler Einzelspieler ist, steht außer Frage. Aber irgendwann hat er festgestellt, "dass es im Doppel besser lief. Das ist ein ganz anderer Sport, für mich ein völlig neuer Lebensabschnitt", sagt Satschko, der Spätstarter, der sich über Challenger-Turniere in die Weltrangliste spielte und erst jetzt richtig aufblüht. In einem Alter, in dem andere ihr Karriereende vorbereiten: "Im Doppel spielt nicht mehr die Ausdauer die größte Rolle, sondern die Reaktionszeit", sagt Satschko. Doppel könne man auch mit 38, 40 Jahren spielen. Und es komme nicht nur auf Schlaghärte an, sondern mehr noch als im Einzel auf die Winkel, die Taktik, das ausgebuffte Spiel. "Alexander hat eine unfassbar analytische Herangehensweise", sagt Hutt, der erstaunt war, dass aus dem Weggefährten von einst plötzlich ein Doppel-Spezialist geworden ist: "Er ist nur 1,80 Meter groß und wirkt eher wie ein spanischer Sandplatz-Spieler."

Schon im Winter trainierte Satschko bei den Garchingern, brachte ihnen clevere Returns bei, den richtigen Einsatz von Stopps, fiese Crossbälle. Und wann die I-Formation sinnvoll ist. Bei der I-Formation steht der Partner bei eigenem Aufschlag nahe des Netzes in der Feldmitte und nicht eher am Rand. Er duckt sich, wenn der Aufschlag über seinen Kopf hinwegzischt. Und verwirrt den Return-Spieler. Denn der weiß nicht mehr so recht, ob er nun den schwierigen Longline-Passierball spielen soll, oder doch den gängigeren Crossball.

Die Garchinger haben viele Hebel in Bewegung gesetzt, um Satschko zu verpflichten, "wir haben all unser Einkaufspotenzial darauf konzentriert", sagt Hutt, viel vom ohnehin nicht gerade üppigen Etat ist für die anderen also nicht übrig geblieben. Nur die beiden topgesetzten Garchinger bekämen überhaupt Geld für ihre Einsätze. Andererseits ist Satschko ein Glücksfall für den STK, "er ist ein sehr offener, bescheidener Typ, der sich integriert", sagt Hutt. Was man nicht von allen Nummer-eins-Spielern der höchsten deutschen Liga, ob nun Herren oder Herren 30, behaupten kann.

Satschko würde den Garchingern jetzt liebend gerne helfen, aber nun sind ihm nicht nur die French Open in die Quere gekommen, sondern auch eine Entzündung der Quadrizeps-Sehne, die er schon länger mit sich herumschleppt. Deswegen fiel er beim Saisonauftakt in Biberach am vergangenen Sonntag auch für das Einzel aus, das Doppel verlor er mit Hutt, "auf einem Bein spielend", wie der STK-Mannschaftsführer sagt, in zwei Sätzen.

Am Mittwoch war Satschko ein wenig auf dem Laufband, die Entzündung behindert ihn immer noch etwas. Doch er hofft, rechtzeitig fit zu werden, und er freut sich auf Paris, seine Premiere in Roland Garros. Vielleicht bezwingt er dann wieder absolute Weltklasse-Spieler, Feliciano Lopez, Fernando Verdasco, wie schon in Quito mit Kretschmer, mit dem er für die French Open aber zu wenig Punkte gehabt hätte. Ein paar Weltranglistenpunkte braucht Satschko ohnehin noch für die US Open, dort würde er eine weitere Premiere feiern. Er kann ja mal in Paris seinen Interimspartner Benjamin Becker fragen, wie das so war im Jahr 2006 im Arthur Ashe Stadion: Als der Qualifikant aus Deutschland vor mehr als 20 000 emotionalen Zuschauern Andre Agassis Tenniskarriere beendete - mit einem Ass.

© SZ vom 22.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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