Fußball-Trainer Daniel Weber:Abstand gewinnen

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Sechs Monate und einen Tag lang hat die Familie Weber ihren Horizont erweitert. Nun will Vater Daniel zurück zum Fußball. (Foto: Privat)

Nach dem Tod seines ältesten Sohns reist der langjährige Coach des VfR Garching mit seiner Familie ein halbes Jahr um die Welt. Sie kehren heim in einen Alltag, der ein anderer ist als zuvor.

Von Stefan Galler

Spätestens als sein vierjähriges Töchterchen anfing, in Restaurants auf Englisch den Cappuccino für ihren Papa zu bestellen, wurde Daniel Weber zweierlei klar. Erstens, dass sich Kinder überall auf der Welt zurechtfinden, selbst wenn sie die Sprache zunächst nicht beherrschen - man muss sie nur machen lassen. Zweitens, dass er mit seiner Familie doch schon ganz schön lange von zu Hause weg war. Seit zwei Wochen ist der ehemalige Trainer des Fußball-Regionalligisten VfR Garching nun mit seiner Frau und den beiden Kindern zurück in der bayerischen Heimat. Nach exakt sechs Monaten und einem Tag endete ihre Weltreise.

Im Frühjahr 2019 hatte der Erfolgscoach, der den VfR in zwölf Jahren von der Bezirksliga bis auf Rang vier der Regionalliga geführt hatte, seinen Abschied zum Saisonende angekündigt. Wenige Monate davor war sein Sohn Emil, der von Geburt an schwerbehindert war, an den Folgen einer Virusinfektion gestorben, mit noch nicht einmal fünf Jahren. Für Weber das Signal, sich bei nächster Gelegenheit mit aller Kraft auf seine Familie zu konzentrieren.

Wie könnte man das besser machen als auf Reisen? Weil Emils jüngere Geschwister noch nicht schulpflichtig sind, entschieden sich Weber und seine Frau zu einer ausgedehnten Weltreise. "Jetzt kann ich sagen, es hat sich tausendprozentig gelohnt", resümiert Weber. "Vor allem unser zweijähriger Sohn ist oft zu kurz gekommen, hat nie meine Aufmerksamkeit in dem Maß erhalten, wie sie ihm zusteht, durch den Fußball und die Pflegebedürftigkeit von Emil."

Nachdem er mit Garchings Fußballern im Mai am letzten Spieltag der Saison 2018/19 den Klassenerhalt geschafft hatte, begannen die Vorbereitungen für das große Abenteuer, das den 46-Jährigen und seine Familie in acht Länder auf vier Kontinenten führen sollte. "Ich hatte meinen inneren Auftrag erfüllt, den Verein, den ich bis in die Regionalliga gebracht hatte, gesund und munter zu übergeben. Dann hatte ich Zeit, ein bisschen runterzukommen. Und danach begann die große Challenge, was man auf so einer Reise eigentlich alles braucht und was überflüssig ist."

Politisch sicher sollten ihre Ziele sein, keine Malaria-Risikogebiete, und nirgends sollte es unter 20 Grad haben, auch das war eine ihrer Vorgaben - alleine schon, weil man dadurch jede Menge Gepäck einsparen konnte. "Das hat auch ganz gut geklappt, sieht man von einem Wettereinbruch im Süden Australiens einmal ab, als wir an der Great Ocean Road nur noch zwölf Grad und Regen hatten." Dass ihr Weg eine Naturkatastrophe kreuzen würde, ahnten sie natürlich ebenso wenig wie dass sich gegen Ende ihrer Reise die ganze Welt verändern sollte.

Im Süden Afrikas begannen die Webers ihren Trip, in Namibia, wo sie während ihres vierwöchigen Aufenthalts auf eigene Faust den Etosha-Nationalpark erkundeten und auf wild lebende Giraffen und Elefanten trafen. "Nach so einem Erlebnis ist es kaum vorstellbar, wieder in einen Zoo zu gehen", sagt Daniel Weber. Weiter ging es nach Südafrika, in ein Land, vor dem er wegen der hohen Kriminalitätsrate durchaus Respekt gehabt habe, sagt der frühere Torwart. "Aber wir haben alle Tipps, die uns gegeben wurden, beherzigt und sind uns sehr sicher vorgekommen, sogar in Kapstadt." Einer der Höhepunkte dort sei das Public Viewing des Rugby-WM-Finales gewesen. "Megacool, vor allem natürlich, weil Südafrika am Ende auch noch gewonnen hat", erzählt Weber.

Als "chaotisch, laut, hektisch" habe er dann den Abstecher nach Mauritius erlebt. Von wegen Südseeparadies: Ein einziger der vielen Strände, die sie besucht hatten, sei den Bildern aus den Reisekatalogen nahegekommen. Singapur im Schnelldurchgang folgten sieben beeindruckende Wochen in Thailand. Dort begann dann allerdings auch ihr Wettlauf mit der Corona-Pandemie: "Kaum waren wir wieder weg, begannen in Thailand die Beschränkungen", erinnert sich der gebürtige Rheinländer. "Meine Frau ist Medizinerin, sie hat damals schon erwartet, dass da etwas Großes auf uns alle zukommt."

In Australien hatten die Webers dann zunächst mit einer ganz anderen, nicht minder gefährlichen Bedrohung zu kämpfen: Die Buschbrände färbten den Himmel über Melbourne gelb. "Da wusste ich, wir müssen hier weg." Tausend Kilometer legte die Familie zurück, ehe sie in Adelaide ankam, wo sie dann doch noch unbeschwerte Wochen verbrachte - auch wenn der geplante Besuch bei den Australian Open der Tennisspieler ausfallen musste.

Kaum hatte die kleine Reisegruppe aus Deutschland den Kontinent wieder verlassen, erschwerten auch die Australier wegen des Coronavirus die Reisevoraussetzungen. In Neuseeland lief es ähnlich: "Wir waren vier Wochen dort mit dem Wohnmobil unterwegs. Leute, die wir dort kennengelernt haben, durften später den Campingplatz nicht mehr verlassen."

"Co-Trainer im Profibereich wäre toll": Weber als Coach des VfR Garching. (Foto: Imago/Zink)

Letzte Station Florida

Ihre letzte Station war nach einer insgesamt 21-stündigen Reise von Auckland über Houston der US-Bundesstaat Florida, wo das Virus den Webers dann doch noch richtig in die Quere kam, nicht nur, weil die Basketball-Profiliga NBA ihren Betrieb einstellte, wo sie doch eigentlich so gerne zu einem Spiel der Miami Heat gegangen wären. "Als die Strände zugemacht wurden und Trump ankündigte, keine Flieger mehr aus Europa einreisen zu lassen, war mir klar, dass dann auch schon bald keine Linien mehr in die andere Richtung fliegen würden", berichtet der 46-Jährige. Tatsächlich wurde die umgebuchte und um neun Tage vorverlegte Rückreise zu einer mittleren Odyssee, die die Familie über Lissabon und Marseille in die Heimat führen sollte.

Hier wollen die vier nun erst einmal wieder im Alltag Fuß fassen. Wobei: Was heißt schon Alltag in dieser Zeit? Auch die Webers haben sich zunächst einmal bewusst abgeschottet, was schwer fällt, wenn man viele Freunde ein halbes Jahr lang nicht gesehen hat. "Das macht uns traurig", erzählt der Familienvater, "aber wir hatten auf der Reise auch in den letzten Wochen noch so viele Kontakte, dass wir einfach niemanden gefährden wollen." Seine Frau hat, obwohl noch in Elternzeit, bereits jener Münchner Klinik ihre Hilfe angeboten, in der sie angestellt ist.

Daniel Webers weiterer Berufsweg ist dagegen noch unklar. "Ich bin jetzterst einmal das wackelige Glied in der Familie", sagt er selbst. Abgesehen davon, dass derzeit nicht absehbar ist, wann überhaupt wieder Fußball gespielt wird, sind viele Klubs um ihre Finanzen besorgt - an die sportliche Zukunft denken da die wenigsten. "Die Vereine halten sich bedeckt, da heißt es Ruhe bewahren." Während der Reise hätten ihn nur "kleinere Anfragen" erreicht. "Es war nichts dabei, was ich dringend hätte machen müssen." Gerüchten, er würde seinem Freund Michael Köllner zu den Münchner Löwen folgen, erteilt er eine Absage: "Wir sind immer in Kontakt und hatten früher mal eine Zusammenarbeit geplant. Aber über Sechzig haben wir noch nie geredet." Und auch die "Romantiker" (Weber), die ihn gerne wieder beim VfR Garching sehen würden, muss er enttäuschen, obwohl weiterhin enger Kontakt zum Verein bestehe.

Auch die Frage, ob er nun doch seine Ausbildung zum Fußballlehrer angehen will, was die Voraussetzung dafür wäre, irgendwann einen Cheftrainerposten im Profibereich anzustreben, ist unbeantwortet. Ursprünglich habe er in diesem Frühjahr tatsächlich zum Eignungstest antreten wollen, verrät er, doch unglücklicherweise war dieser dann vorverlegt worden in jene Zeit, als er noch auf Reisen war. "Ich hätte von Neuseeland aus heimfliegen müssen, meine Familie wäre weiter nach Florida - und dann hätte ich nach dem Eignungstest einen neuen Flug nach Miami buchen müssen." Davon nahmen die Webers Abstand, zu groß wäre der finanzielle und logistische Aufwand gewesen, und von 64 Bewerbern wären auch nur 20 genommen worden. Letztlich eine gute Entscheidung - denn am Tag nach dem Test ließ Trump in den USA die Rollläden runter. "Ich wäre nicht mehr zu meiner Familie gekommen", sagt Weber.

Ob er es im nächsten Jahr probieren will, hat er noch nicht entschieden, selbst wenn man mit Fußballlehrer-Lizenz auch im Jugend- und im höheren Amateurbereich womöglich bessere Chancen auf ein attraktives Engagement hätte. Denn der A-Schein-Inhaber hat klare Vorstellungen davon, was er machen möchte: "Co-Trainer im Profibereich wäre toll. Oder Chef in der Regionalliga oder bei der U23 oder U19 eines Profiklubs mit Nachwuchsleistungszentrum", sagt er. Die nötige Gelassenheit, alles auf sich zukommen zu lassen, hat sich Daniel Weber in den vergangenen Monaten während seines Trips rund um den Globus wohl angeeignet.

© SZ vom 02.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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