Fußball:Stinkstiefelfreie Zone

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Im Aufschwung: Der einstige Fußball-Drittligist TSV Großhadern führt die Kreisligatabelle an.

Von Stefan Galler, München

Heimspiel des TSV Großhadern gegen den FC Wacker München Anfang November. Ein rassiges Kreisligaderby, die Haderner sind favorisiert gegen den wieder einmal schwächelnden Traditionsverein aus Sendling. Bis zur Pause dreht der TSV einen Rückstand in ein schmeichelhaftes 2:1. Trainer Markus Diebel kommt ein paar Augenblicke nach seinen Fußballern in die Kabine. "Und was sehe ich? Die Jungs haben schon mal ohne mich begonnen, die schwache Leistung der ersten Hälfte zu analysieren, und sich gegenseitig für die zweite Halbzeit gepusht", erzählt der Coach. Auf dem Platz setzen die Spieler ihre Vorsätze dann um, sie gewinnen das Derby 4:2 und führen ihre Erfolgsserie fort. "Noch in der letzten Saison wären wir wahrscheinlich in der zweiten Halbzeit auseinandergefallen", vermutet Diebel.

Es zeichnet sich mehr und mehr ab, dass der TSV Großhadern im vierten Jahr seiner Kreisligazugehörigkeit endlich stark genug sein könnte, um zumindest die Rückkehr in die Bezirksliga zu bewerkstelligen. Er hat ja schon ganz andere Zeiten erlebt. Bis vor neun Jahren spielte er noch in der Landesliga. 1986/87 war er unter anderem gegen Sechzig sogar mal für ein Jahr in der drittklassigen Bayernliga unterwegs.

Eine Woche nach dem Duell gegen Wacker, das ja eine ähnliche Historie aufweist, siegte der TSV Großhadern 6:0 bei der Reserve des TSV Neuried, am vergangenen Wochenende gab es ein 3:3 gegen den NK Hajduk München. Nach zwölf Partien ist das Team nun ungeschlagener Tabellenführer, hat 32 von 36 möglichen Punkten eingesammelt. "Erstmals seit Jahren haben wir die Mannschaft zusammenhalten können", erklärt der Trainer, der selbst seit dem Jahreswechsel 2017/18 das Kommando beim TSV hat.

Läuft: Dreimal holt Großhadern (hier Kohdar Daqo) beim 3:3 gegen Hajduk München einen Rückstand auf - und bleibt damit ungeschlagen. (Foto: Claus Schunk)

Damals trennte sich der Verein von Manfred Wolke. Abteilungsleiter Günther Niebler erinnerte sich an den langjährigen Haderner Verteidiger Diebel, der seinerseits gerade beim Kreisklassisten Fortuna Unterhaching nach acht Jahren seinen Hut genommen hatte. "Ich wollte eigentlich pausieren, aber als mein Herzensverein anfragte, konnte ich nicht Nein sagen", erklärt Diebel, der als Aktiver vor seiner Zeit in Großhadern lange Jahre in der Jugend und bei den Amateuren der SpVgg Unterhaching gespielt hat.

Diebel, 43, machte sich sogleich ans Werk, schließlich war das erklärte Ziel, eine bezirksligataugliche Mannschaft zu formen. "Ich habe dann, so hart muss man das sagen, die Stinkstiefel eliminiert und einige junge Spieler an die erste Mannschaft herangeführt." Zunächst ohne den erhofften Erfolg. In der Saison 2018/19 wurde der von vielen Verletzungen geplagte TSV nur Sechster.

Im Sommer kamen nun ein paar Neue, Stürmer Andreas Weber wurde zum spielenden Co-Trainer ernannt; das Team wuchs schnell zusammen und agiert jetzt endlich als Einheit: "Ich habe den Jungs gesagt, ihr müsst nicht die beste, sondern eine Mannschaft sein. Ich glaube, das haben sie verinnerlicht", sagt Diebel. Auch Spartenchef Niebler ist zufrieden: "Ein gutes Jahr hat Markus Eingewöhnungszeit gebraucht, jetzt funktioniert es. Und er hat die richtige Mischung gefunden aus Freundschaft und der nötigen Strenge, schließlich müssen die Spieler auch kapieren, wie weit sie gehen können." Dass sich die Mannschaft nun auch im Wettkampf so gut versteht, kommt für den Abteilungsleiter ein wenig überraschend: "Beim Weggehen waren sie immer schon gute Freunde, aber kaum standen sie auf dem Platz, haben sie sich nur noch angeschrien." Jetzt kämpfe endlich jeder für jeden, das sei auch ein Verdienst des Trainers.

„Als mein Herzensverein anfragte, konnte ich nicht Nein sagen“: Seit fast zwei Jahren ist der ehemalige Verteidiger Markus Diebel nun Großhaderns Trainer. (Foto: Claus Schunk)

Die Stützen der Mannschaft sind im Mittelfeld Routiniers wie Kapitän Michael Pautz, 26, oder Rückkehrer Tobias Taverna, 27, sowie Verteidiger Cedric Rawyler, 31, der zentrale Mann in einer sehr stabilen Deckung. Und vorne läuft das Sturmduo Albert Rudnik (zehn Einsätze, 13 Tore) und Khareem Zelmat (zehn Einsätze, sieben Tore) zu großer Form auf. "Letzte Saison ist Albert Rudnik von einigen unserer Fans beleidigt worden, jetzt feiern sie ihn und das ganze Team", sagt Coach Diebel. Der ehemalige Grünwalder Rudnik hat früher in der Jugend-Bundesliga und ein Jahr beim Regionalligisten VfR Garching gespielt, ehe er über Umwege nach Großhadern kam. Und einige Stammkräfte sind zurzeit noch nicht mal dabei. Maximilian Gula etwa fällt mit einer Knieverletzung bis Saisonende aus, sein Bruder Alexander Gula kann wegen einer schweren Blessur im Sprunggelenk frühestens im Frühjahr wieder eingreifen.

Und so ist der Klub mit der ruhmreichen Vergangenheit endlich wieder auf dem Weg nach oben. 2016 war er knapp aus der Bezirksliga abgestiegen, nachdem er ein Jahr zuvor nur wegen eines Formfehlers des Verbandes die Klasse gehalten hatte. Damals lenkte Herbert "Berti" Sammer noch die Geschicke der Großhaderner Fußballer, er ist dem Verein heute nur noch freundschaftlich verbunden, hat aber kein Amt mehr inne. Auch ohne Mäzen Sammer, der die Klubkasse immer wieder auch aus eigener Tasche aufgefüllt hat, steht der Klub heute solide da: "Wir sind vielleicht nicht auf Rosen gebettet, aber andererseits auch nicht arm", sagt Abteilungsleiter Niebler, der klarstellt, dass es beim TSV keine Grundgehälter, aber Punkteprämien für die Spieler gibt. Umso ärgerlicher finden er und Trainer Diebel, dass die Haderner in der Kreisliga schon als "Söldnertruppe" beleidigt wurden. "Das ist eine Unverschämtheit, die Spieler identifizieren sich alle total mit dem Klub", sagt Diebel.

Die Bezirksliga muss nicht unbedingt Endstation sein, findet der Coach: "Hadern gehört eigentlich in die Landesliga, aber da müssten wir auch finanziell besser aufgestellt sein." Abteilungsleiter Niebler sieht es ähnlich: "Die Bezirksliga wäre optimal, da gibt es viele Derbys." Zur Landesliga will er sich jetzt noch nicht konkret äußern. Erst wenn dieses Thema relevant werden sollte.

© SZ vom 21.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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