Fußball-Regionalliga:Mit stumpfen Waffen

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Servus, macht's gut: Ludwig Trifellner verabschiedet sich vom VfR Garching. Sollte sein Rat gefragt sein, stehe er dem Verein aber zur Seite. (Foto: Markus Fischer/Passion2Press/Imago)

Dass Ludwig Trifellner nicht mehr Sportlicher Leiter des VfR Garching ist, liegt in erster Linie an der Corona-Krise. Dem Klub wünscht er im Abstiegskampf nur das Beste. Für sich selbst hat der 62-Jährige aber andere Pläne.

Von Stefan Galler, Garching

Fast anderthalb Stunden ist man zwischen Kufstein und Garching unterwegs. Diese Strecke dreimal wöchentlich zu bewältigen - und das jeweils hin und zurück - ist keine Kleinigkeit. Ludwig Trifellner hat sich dennoch immer gerne ins Auto gesetzt, um von seinem Wohnort zu jenem Regionalliga-Fußballverein zu kommen, bei dem er bis Mitte der Woche Sportlicher Leiter war. Dass er diesen Job nun aufgegeben hat, hängt auch damit zusammen, dass er in den vergangenen elf Monaten die Inntal- und die Salzburger Autobahn kaum mehr zu Gesicht bekommen hat: Durch die Folgen von Corona ist nicht nur der direkte Kontakt zum Verein erschwert worden, zum Beispiel durch die Beschränkungen beim grenzüberschreitenden Verkehr. Auch die Tatsache, dass der Lockdown den Amateursport und damit die Regionalliga Bayern lahmlegt, machte die Sache für Trifellner immer komplizierter.

"Ich habe viel erlebt, aber das übersteigt alles, was man sich vorstellen kann", sagt der 62 Jahre alte ehemalige Torwart. "Du kannst nichts planen, weder im wirtschaftlichen, noch im sportlichen Bereich. Und wenn du etwas ins Auge fasst, ist 14 Tage später schon wieder alles anders." Das habe dazu geführt, dass er sich zuletzt die Sinnfrage gestellt habe: "Es macht dich verrückt und geht an die Substanz aller."

Der Verein hat keine Sponsoren - und braucht deshalb auch keinen Sportchef, sagt Trifellner

Konkret habe er im Herbst zum wiederholten Mal einen Kader zusammengestellt, ohne über ein Budget zu verfügen, weil die Geldgeber wegen der Krise ihr Engagement derzeit ruhen lassen. Dabei sieht er darin eigentlich nicht seine Aufgabe: "Der Verein hat derzeit keine Sponsoren, und wenn kein Geld da ist, ist eigentlich auch kein Sportchef nötig", sagt Trifellner. Es sei schließlich nicht seine Aufgabe, kostenlose Spieler zu suchen.

Und so habe er noch seine Pflicht erfüllt, den Kader für die Restsaison, von der niemand weiß, wann sie stattfinden wird, zu komplettieren. Er holte Torwart Cedomir Radic vom Bezirksligisten BCF Wolfratshausen und Mittelfeldspieler Valentin Vochatzer vom baden-württembergischen Oberligisten FC Villingen. "Ich wollte den Klub nicht hängen lassen. Aber jetzt habe ich um Vertragsauflösung gebeten. Damit sich der VfR die 2,50 Euro für mich sparen kann, wollte ich es nicht aussitzen." Er würde dem Verein aber beratend zur Seite stehen, sagt der ehemalige Trainer des SV Lohhof, mit dem er 1999 Bayernligameister wurde - falls Bedarf bestehen sollte: "Offiziell bin ich raus. Aber Vorstand Uwe Cygan kann mich jederzeit anrufen."

Beim VfR hatten sie am Jahresende die übliche Zahl an Vereinsaustritten. Nur eben keine Neu-Eintritte

Der Vorsitzende des VfR kann die Entscheidung seines Sportlichen Leiters gut nachvollziehen, zumal er ihm beim besten Willen keine Perspektiven für die nähere Zukunft aufzeigen konnte, zu ungewiss sei die Lage: "Ich sehe es bei den Mitgliederzahlen im Gesamtverein: Wir haben jedes Jahr eine hohe Fluktuation, auch wegen der vielen Studenten. Auch diesmal gab es viele Austritte, aber eben keine Neu-Eintritte", sagt Cygan. Ohne Einnahmen und Sponsorenzahlungen sei es ihm schlichtweg zu unsicher, Klubmittel in die Fußballsparte zu pumpen: "Das Geld gehört ja nicht mir. Ich werde bestimmt nicht All-in gehen, damit wir auf Teufel komm raus den Klassenerhalt schaffen", sagt der VfR-Präsident. Am 15. Februar soll laut dem Bayerischen Fußball-Verband (BFV) über ein Ende der Spielpause entschieden werden. Dann will sich Cygan mit Coach Benjamin Flicker und dessen Trainerteam über die Zukunft austauschen.

Die sportliche Situation ist angesichts von sieben Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz und 13 Zählern zum rettenden Ufer für das Regionalliga-Schlusslicht alles andere als aussichtsreich. Allerdings hat der VfR gegenüber den Konkurrenten noch bis zu fünf Spiele nachzuholen - weil kein anderes Team im Herbst so sehr von Corona-bedingten Spielausfällen betroffen war wie Garching. "Wir waren 14 Tage in Quarantäne, dann hat es wieder unsere Gegner erwischt. Alleine die Spiele gegen Aubstadt und Memmingen sind jeweils dreimal ausgefallen", erinnert sich Ludwig Trifellner, der seinem nunmehr ehemaligen Klub nur das Beste wünscht für den Abstiegskampf. Dessen Waffen seien aber eher stumpf, das Gefälle in der Regionalliga riesig: "Wenn ich sehe, dass Schweinfurt ein Jahresbudget von 1,4 Millionen hat, dann ist das schon schwierig."

Der gebürtige Niederbayer will mit dem Ende seiner Tätigkeit in Garching seine Laufbahn noch nicht beenden. "Auch nach Corona geht der Fußball weiter, vielleicht dann ja ein bisschen vernünftiger. Und dann will ich auch wieder mit Leuten aus diesem Bereich zusammenkommen", sagt Trifellner. Er hofft, dann seine Torwartfortbildungen beim BFV wieder aufnehmen zu können, und würde auch eine neue Aufgabe im Scouting anstreben. Er hatte einst die Talentsichtung bei Greuther Fürth aufgebaut und danach länger als ein Jahrzehnt für den Hamburger SV Nachwuchsspieler aus dem süddeutschen und österreichischen Raum beobachtet.

In welcher Funktion auch immer, Trifellner will zurück in den Fußball, dazu liebt er den Sport zu sehr. Er sagt es mit Trapattoni: "Ich habe noch nicht fertig."

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