Fußball-Regionalliga:Aufwärtstendenz

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19 Punkte Vorsprung: Die SpVgg Unterhaching nutzt die letzten 13 Spiele bereits zur Vorbereitung auf die Relegation - die 3. Liga soll aber nicht Endstation sein.

Von Stefan Galler

Vor knapp fünf Jahren sprang Claus Schromm ins kalte Wasser. Im Mai 2012 gab er seine Festanstellung als Trainer beim Bayerischen Fußball-Verband (BFV) auf, um sich der SpVgg Unterhaching anzuschließen. Ein nicht zu unterschätzendes Wagnis, schließlich befand sich der frühere Bundesligist nicht gerade auf dem aufsteigenden Ast. "Ich verlasse das warme Bett des BFV", sagte der Familienvater damals. Nun ist Schromm dabei, den Verein wieder nach oben zu steuern; Haching führt die Tabelle der Regionalliga Bayern vor Beginn der Restrunde mit 19 Punkten Vorsprung an. Bei 13 noch ausstehenden Spielen. Die Teilnahme an den ungeliebten Aufstiegsspielen zur 3. Liga - die Meister der Regionalligen steigen bekanntlich nicht direkt auf - scheint nur noch Formsache zu sein. Und Schromm kann seine Gefühle kaum zurückhalten, er ist richtiggehend euphorisiert. Dementsprechend blickt der 47 Jahre alte Fußballlehrer zufrieden zurück auf seine Entscheidung im Sommer 2012: "Ich hätte es mir niemals verziehen, wenn ich es nicht gemacht hätte", sagt er. "Aber ich bin auch so selbstbewusst zu sagen, dass ich ein guter Trainer bin. Wenn es bei Haching nicht geklappt hätte, dann wäre es anderswo weitergegangen."

Im Vergleich zu seiner Tätigkeit als Verbandstrainer ging es bei der SpVgg jedenfalls um einiges turbulenter zu: Zunächst war Schromm als Nachfolger des aus privaten Gründen zurückgetretenen Heiko Herrlich Hachings Cheftrainer; Herrlichs Assistent Manuel Baum wurde Teamchef. Von Januar 2014 an war dann Baum Chefcoach und Schromm Sportdirektor der SpVgg. Im März 2014 wiederum musste Baum gehen und wurde in der Folgezeit Nachwuchscoach beim FC Augsburg, Christian Ziege übernahm den Trainerposten. Doch finanzielle Probleme und eine sportliche Talfahrt führten dazu, dass der ehemalige Nationalspieler im Frühjahr 2015 seinen Posten aufgab. Schromm rückte wieder in die sportliche Verantwortung, konnte den Abstieg aus der dritten Liga jedoch nicht mehr verhindern.

"Demut pur": Stephan Hain, mit 23 Toren bester Schütze aller Regionalligen, läuft am meisten

Seit damals bastelt man im Sportpark an der Rückkehr in den bezahlten Fußball. Und es sieht so aus, als ob das Konzept in diesem Jahr aufgehen sollte. "Ich habe noch nie mit einer solchen Mannschaft arbeiten dürfen", sagt Schromm über das Team. Er meint nicht nur die fußballerischen Qualitäten, sondern auch die Einstellung. Kaum einer im Kader, der nicht dazu bereit ist, auch mal Extraschichten zu schieben. Zusatzangebote wie Fitnesseinheiten mit Athletiktrainer Georg Wallner werden dankbar angenommen. Dazu kommt der menschliche Faktor: Die Kameradschaft sei bei allem Konkurrenzkampf vorbildlich, keiner habe die Bodenhaftung verloren. "Früher war es eher eine Strafe, wenn man zu sozialen Projekten herangezogen wurde", sagt Schromm. "Heute empfinden es meine Spieler tatsächlich als Belohnung, wenn sie ins Kinderdorf oder in die Krebsklinik gehen und dabei die Chance bekommen, über den Tellerrand hinauszuschauen."

"Ich bin so selbstbewusst zu sagen, dass ich ein guter Trainer bin": Claus Schromm. (Foto: Claus Schunk/imago)

Beispiel Stephan Hain: Der erfolgreichste Torschütze aller fünf Regionalligastaffeln (23 Saisontreffer) verkörpere für ihn "Demut pur", sagt Schromm. "Wir haben die Spiel- und Trainingsdaten ausgewertet und Stephan, der es von seiner Position als Mittelstürmer gar nicht müsste, ist derjenige, der am meisten läuft." Jeder stelle sich in den Dienst der Mannschaft, das sei eines der Erfolgkriterien.

Der Ablauf der verbleibenden Partien ist von Schromm und seinen Assistenten Steffen Galm und Sebastian Friedl generalstabsmäßig geplant. So sollen jene 16 bis 18 Spieler, auf die man auch in den beiden Relegationsspielen zählen will, regelmäßig in Rotation eingesetzt werden. "Wichtig ist, dass jeder Einzelne im Rhythmus bleibt", sagt der Cheftrainer. Auch die Operationen von Kapitän Josef Welzmüller (Schambein und Leiste) und Jim-Patrick Müller (Knie) sind so geplant gewesen, dass beide bis zum Mai wieder rechtzeitig in Form sein können. Beide seien im Plan, Welzmüller steht unmittelbar vor seinem Comeback, während Müller in zwei Wochen wieder mit dem Lauftraining beginnen will.

Außenstürmer Alexander Piller, der ebenfalls unter einer Schambeinentzündung litt und fast die gesamte Vorrunde aussetzen musste, ist bereits zurück. Damit kann Hachings Trainer beim Punktspielstart an diesem Samstag (14 Uhr) im Auswärtsspiel gegen den FC Augsburg II aus dem Vollen schöpfen. "Eine ambitionierte Mannschaft mit hoher individueller Qualität", sagt Schromm, der die Nachwuchsförderung bei den Schwaben nicht nur deshalb für vorbildlich hält, weil sie sein alter Kumpel Manuel Baum perfektionierte, ehe er Mitte Dezember nach der Entlassung von Dirk Schuster auf den Chefsessel kletterte.

"Zu uns kommen zunehmend junge Spieler, die sich explizit für Unterhaching entscheiden."

Zurückhaltender äußert sich der Trainer zu den Münchner Rivalen Bayern und Sechzig. Das neue Nachwuchsleistungszentrum im Münchner Norden werde dem FCB zwar großartige Voraussetzungen eröffnen, sagt Schromm. "Aber für eine erfolgreiche Nachwuchsarbeit muss man auch die notwendige Einstellung in die Jungs reinbekommen. Und das ist oftmals nicht so einfach." Bei den Löwen, für die Schromm selbst zwischen 2003 und 2009 als U19-Trainer tätig war, sei die Kluft zwischen Senioren und Nachwuchs zu groß geworden: "Man muss natürlich auch sehen, dass es nach dem Weggang von Ernst Tanner als Leiter des Nachwuchsleistungszentrums ganz schwer war, das Niveau zu halten", sagt der Unterhachinger Übungsleiter. Tanners Weggang - erst nach Hoffenheim, später zu Red Bull nach Salzburg - ist allerdings bereits fast acht Jahre her.

Claus Schromm über...

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(Foto: imago/Jan Huebner)

Den FC Bayern und Hermann Gerland: "Natürlich schafft der FC Bayern mit dem neuen Nachwuchsleistungszentrum großartige Voraussetzungen."

Claus Schromm über...

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(Foto: imago sportfotodienst; Imago)

Den TSV 1860 und Ernst Tanner: "Die Kluft zwischen Senioren und Nachwuchs ist bei den Löwen leider zu groß geworden."

Claus Schromm über...

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(Foto: imago sportfotodienst)

Den FC Augsburg und Manuel Baum: "Die Nachwuchsarbeit beim FC Augsburg ist richtig gut, das liegt auch, aber nicht nur an Manuel Baum."

Schromm sieht sich mit Haching in einer guten Position: "Es kommen zunehmend Spieler zu uns, die auch in andere große Nachwuchszentren wechseln könnten, sich aber explizit für Unterhaching entscheiden." Ganz zu Beginn seiner Trainerlaufbahn war Schromm schon einmal U 19-Coach der SpVgg gewesen. Seit 2012 haben seine Kollegen und er nun eine Reihe von Talenten entwickelt, die ihren Weg in den Profifußball gemacht haben: Janik Haberer, Florian Niederlechner (Freiburg), Alexander Hack (Mainz), Andreas Voglsammer (Heidenheim), Quirin Moll (Braunschweig) oder Kenny Redondo (Union Berlin) zum Beispiel.

Um die starke Jugendarbeit auch in Zukunft gewährleisten zu können, müsste sich der Verein wirtschaftlich konsolidieren, doch das dürfte in der 3. Liga unter den aktuell dort herrschenden Voraussetzungen kaum möglich sein. "Eigentlich wären wir von der Ausrichtung her ein klassischer Drittligist", sagt Schromm. "Aber solange die finanzielle Ausstattung so ist wie zurzeit, muss man versuchen, diese Spielklasse so schnell wie möglich hinter sich zu lassen, sonst kann man finanziell nicht überleben." Immerhin sei man im Gegensatz zu 2015 aktuell in der Lage, sich überhaupt wieder nach oben zu orientieren. "Die Lizenzunterlagen sind fristgerecht an den DFB gegangen. Jetzt warten wir mal ab", sagt Schromm.

Kein Zweifel, sie werden alles für den Aufstieg versuchen. Wenn nicht, würden sie sich das wohl nie verzeihen.

© SZ vom 04.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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