Fußball:Mit gebremstem Hurra

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Die SpVgg Unterhaching will beim Karlsruher SC etwas erwachsener auftreten - das gelingt. Doch die Badener steigern sich nach der Pause und erzielen zwei späte Treffer zum 3:1-Erfolg.

Von Christoph Leischwitz, Karlsruhe/Unterhaching

Die tiefsten Furchen in den ohnehin bemitleidenswerten Rasen rissen die Spieler des Karlsruher SC in der 86. Spielminute, beim Jubeln. Marcel Mehlem rannte Richtung Seitenlinie und rutschte mit erhobenen Armen dahin, die anderen hinterher, es war ein Grasnarbenmassaker. Die Gäste der SpVgg Unterhaching stemmten kurz die Hände in die Hüften, dann versuchten sie es weiter, am Ende aber siegte der Zweitliga-Absteiger gegen den Viertliga-Aufsteiger verdient 3:1 (1:1). Was die Hachinger immerhin geschafft hatten: Die an sich weißen Trikots der Gegner waren schon lange vor den entscheidenden Toren matschig-braun gewesen.

Winkler statt Bauer: Schromm probiert es in der Viererkette etwas defensiver als gewohnt

Das mit dem Achtungserfolg ist in diesem Fall gar nicht so unwichtig. "Es war das erwartet schwere Spiel", sagte hernach Karlsruhes Trainer Alois Schwartz. "Wir wollten ein bisschen vernünftiger und ein bisschen erwachsener spielen", sagte Unterhachings Trainer Claus Schromm. Und das sei ja über weite Strecken auch gelungen. Etwas mehr Sicherheitspässe im Spielaufbau, etwas weniger Risiko im Mittelfeld, konzentriertere Abschlüsse. All dies ist Teil eines Plans, damit die Mannschaft seltener unter die Räder kommt als in der Hinrunde. Auch wenn das im Umkehrschluss bedeutet, dass es dadurch auch weniger Hurra-Fußball gibt, mit dem die Hachinger sich zur Winterpause immerhin auf Rang fünf gekickt hatten. In der Praxis hieß das, dass der 25-jährige Innenverteidiger Alexander Winkler anstelle des 22-jährigen Maxi Bauer als Linksverteidiger auflief. Schromm sagt, Winkler sei in der Jugend Außenverteidiger gewesen, zuletzt hatte er auch Testspiele auf dieser Position bestritten. Winkler interpretiere die Rolle dort wohl "einen Tick defensiver", das habe gegen den starken KSC, der jetzt nur noch einen Punkt hinter den Hachingern steht, den Ausschlag gegeben. Und außerdem: "Auch Maxi Bauer braucht ein bisschen Konkurrenz." So wie es auf vielen anderen Positionen gang und gäbe ist.

Erst bejubelte Orestis Kiomourtzoglou seinen Treffer zum 1:1, dann wendete er sich enttäuscht vom Jubel der Karlsruher ab. (Foto: imago/Eibner)

Die ersten Spielminuten agierte Unterhaching beim Badener Traditionsklub recht verhalten, hatte dann aber die erste gute Torchance: Nach einem scharfen Freistoß von Winkler zielte Stephan Hain mit dem Kopf auf das rechte Eck, Karlsruhes Keeper Benjamin Uphoff musste sich strecken. Danach war Unterhaching spielbestimmend, der Schromm-Elf war auch nicht anzumerken, dass in Dominik Stahl ein wichtiger Mann im defensiven Mittelfeld kurzfristig wegen einer Erkältung ausgefallen war. Trotzdem fiel das erste Tor überraschend auf der Gegenseite: Marvin Wanitzek traf zuerst mit einem Schuss vom Strafraumrand den Innenpfosten, Fabian Schleusener hatte beim Nachschuss mehr Glück. Hachings Torwart Korbinian Müller sah dabei nicht glücklich aus, wenngleich ihm in dieser Szene ein wenig die Sicht verdeckt war.

Trainer Claus Schromm gewann dem Spiel auch positive Seiten ab. (Foto: imago/Eibner)

Was dem Trainer besonders gut gefallen hat an diesem Spiel: "Wir bleiben nach dem Tor ruhig, wir machen unser Ding." Die umformierte Viererkette mit Winkler auf der Außenposition ließ auch weiterhin nicht viel zu. Und dann gelang der Ausgleich, das erste Gegentor für den KSC nach 582 Minuten: Stahl-Vertreter Orestis Kiomourtzoglou traf nach einer Ecke mit einem verdeckten Schuss.

Beim ausgewechselten Steinherr gibt es Entwarnung, Stürmer Hain muss genauer untersucht werden

Der Unterhachinger Erwachsenenfußball währte allerdings nur bis zur 55. Minute. Da hatte Thomas Steinherr die letzte nennenswerte Torchance für die SpVgg, mit einem Schuss aus spitzem Winkel. Der KSC warf sich immer beherzter in die Zweikämpfe, mit zunehmender Spieldauer fand Unterhaching so immer seltener den Weg in den gegnerischen Strafraum. Auch dann nicht mehr, als das 2:1 (86.) gefallen war und Torwart Müller mitstürmte. Im Gegenteil, mit dem Schlusspfiff fiel das 3:1 (90+4) durch Florent Muslija. Am Ende, sagte Schromm, sei es "nur noch eine Frage der Zeit gewesen", wann das Siegtor für Karlsruhe fallen würde. Ein wenig ungewöhnlich war der Auftritt nach dem Seitenwechsel aber schon: Die Hachinger sind normalerweise nach der Pause gefährlicher als davor, auch im Hinspiel hatten sie durch Stefan Schimmer das später Siegtor zum 3:2 erzielt.

Angeschlagen war nach dem Spiel Thomas Steinherr, der nach einem Zusammenprall mit dem ehemaligen Hachinger Anton Fink benommen vom Platz musste. "Ihm geht's aber schon wieder ganz gut", sagte Schromm. Einer vorsorglichen Untersuchung muss sich noch Angreifer Stephan Hain unterziehen, dem ein Gegenspieler mit Wucht aufs Knie gefallen war. Kapitän Josef Welzmüller wird diese Woche wieder voll ins Training einsteigen, doch gerade in der Viererkette schließt Schromm mittlerweile nichts mehr aus. "Das ist keine Garantie", sagt der Coach über den 28-jährigen, der Ab- und Aufstieg miterlebt hat. Das hört sich nach bedingungslosem Konkurrenzkampf an. Aber das trägt womöglich ja zum Erwachsenwerden bei.

© SZ vom 22.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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