Fußball:Immer am Ball

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Einmal Löwe, immer Löwe: Benny Lauth könnte sich gut vorstellen, irgendwann wieder für den TSV 1860 München tätig zu sein. (Foto: Lukas Barth/dpa)

Der frühere Profi und Kurzzeit-Nationalspieler Benny Lauth kommentiert heute Fußballspiele. Und ein bisschen fiebert er auch mit Sechzig.

Von Stefan Galler

Benjamin Lauth, den gemeinhin alle als Benny kennen, ist im Sinne der Work-Life-Balance, derentwegen man sich im Privatleben mit etwas anderem beschäftigen sollte als im beruflichen Alltag, kein Vorbild. Der frühere Löwen-Stürmer und Kurz-Nationalspieler ist auch eineinhalb Jahre nach dem Ende seiner aktiven Karriere im wahrsten Sinne des Wortes am Ball geblieben. "Ich bin immer schon interessiert gewesen, am deutschen Fußball sowieso, aber auch international", sagt er. Seit einem knappen Jahr arbeitet Lauth als Experte und Co-Kommentator beim neuen Internet-Sport-Streamer DAZN, der sich gerade um die Übertragungsrechte für die Champions League von 2018 an bewirbt und bereits die großen europäischen Ligen aus England, Spanien, Italien und Frankreich live berichtet. Bevorzugtes Einsatzgebiet sind die englische Premier League und die spanische Primera Division, auch WM-Qualifikationsspiele begleitet er regelmäßig.

Bei der ungarischen Auswahl kennt sich der 35-Jährige besonders gut aus, dort setzte er in der Saison 2014/15 den Schlusspunkt unter seine Karriere - als Pokal- und Ligapokalsieger mit dem Traditionsverein Ferencváros Budapest. Er mag die Erinnerung nicht missen, die Europa-League-Qualifikation, in der man knapp am FC Rijeka scheiterte, die Zusammenarbeit mit Trainer Thomas Doll, der ihn zuvor schon beim Hamburger SV gefördert hatte. Die positiven Erinnerungen überwiegen, auch wenn der Meistertitel verpasst und sein Engagement ein Jahr vor Vertragsende beendet wurde, weil der ungarische Verband die Ausländerregelung strenger fasste. "Sensationell waren die Fans, der Verein hat einen unglaublich treuen Anhang", sagt der ehemalige Profi.

Am Ende des Jahres hatte er 31 Pflichtspiele für Budapest bestritten, dabei 16 Tore erzielt. "Die Familie konnte mit dem Direktzug zu Besuch kommen, das war alles nicht so schlimm", erinnert sich Lauth an diese Zeit des Pendelns nach Ungarn. Es hätte auch anders kommen können, denn 2014 hatte ihn neben Budapest auch Australiens Meisters Brisbane Roar gelockt. Die schickten Thomas Broich vor, der unter anderem bei der SpVgg Unterhaching gespielt hatte und in Australien zum "Spieler des Jahrzehnts gewählt wurde. "Thomas hat mir viele tolle Dinge erzählt, aber nach Australien fliegt man halt nicht einfach mal so."

Benny Lauth, geboren in Hausham, aufgewachsen in Fischbachau, ist immer bodenständig geblieben - und angenehm zurückhaltend. Er brachte es auf 188 Zweitliga- und 140 Bundesligapartien sowie fünf Länderspiele, in denen er unter anderem auf Größen wie Gianluigi Buffon und Francesco Totti oder auf Rául und Xavi traf. Womöglich wäre mehr drin gewesen, darüber spricht er ungern, es ist sein kleines persönliches Trauma: "Ich habe immer sehr hohe Erwartungen geweckt, dabei finde ich, dass man das, was ich erreicht habe, erst einmal hinkriegen muss." Jeder kleine Junge, der im Verein spielt, wünsche sich doch, irgendwann Bundesliga und Nationalmannschaft zu spielen - "und genau das habe ich geschafft, so verkehrt kann es nicht gewesen sein". Dann merkt er aber an: "Dass ich mehr Zweitliga- als Erstligaspiele gemacht habe, das habe ich mir anders vorgestellt."

Was natürlich auch an seiner besonderen Beziehung zum TSV 1860 München lag, zu dem er als Elfjähriger fand und gleich nach dem Abitur in die zweite Mannschaft kam. Insgesamt 18 Jahre verbrachte Lauth bei den Löwen, natürlich beobachtet er die aktuelle Situation emotional: "Ich habe jedes Jahr Hoffnung, dass es besser wird, aber plötzlich sind wir dann doch wieder mittendrin im Abstiegskampf."

Das Wörtchen "wir" ist ihm rausgerutscht, eigentlich versucht er trotz aller Verbundenheit, Abstand zu wahren. "Das gehört dazu, wenn man nicht mehr für einen Verein spielt. Ich rumpel auch nicht mehr zu jedem Heimspiel." Das könnte sich aber ändern, er kann sich gut vorstellen, irgendwann in offizieller Funktion an die Grünwalder Straße zurückzukehren: "Wenn ich dem Verein helfen kann, tue ich das gerne." Die Voraussetzungen hat er schon während seiner Zeit in Budapest geschaffen, als er ein Fernstudium in Sportmanagement abschloss. Lauth besitzt die Uefa-Youth-Trainerlizenz, den A-Schein. Und trainiert die F-Jugend des TSV Grünwald, in der sein älterer Sohn spielt. "Ich nehme überall etwas mit, um für meine zweite Karriere gut vorbereitet zu sein", sagt Lauth, der sich eher im Managementbereich als auf der Trainerbank sieht. "Das Geschäft ist so brutal geworden, selbst wenn du ein Team zum Aufstieg führst, kann es sein, dass sie dich nach ein paar Wochen in der neuen Liga feuern."

Bei Sechzig sieht er trotz der prekären Lage gute Ansätze. Er schätzt Trainer Vítor Pereira, auch die Vereinsführung wähnt er auf einem guten Weg, schließlich habe man mit vernünftigen Transfers wie Aigner oder Ba, sowie der Verpflichtung des neuen Geschäftsführers Ian Ayre vom FC Liverpool, viel auf den Weg gebracht: "Es reicht nicht, die Mannschaft auf Biegen und Brechen in die erste Liga zu bringen. Man muss auch erstligareife Bedingungen schaffen, etwa was das Trainingsgelände angeht."

Als Profi war Lauth zweimal bei Sechzig unter Vertrag, zunächst von 2002 bis 2004, als er in der Bundesliga in 61 Spielen 22 Mal traf und vor einer Teilnahme an der Europameisterschaft 2004 stand. Doch er brach sich im Saisonendspurt den Fuß und musste tatenlos zusehen, wie zunächst die Löwen abstiegen und schließlich Schweinsteiger und Podolski, neben denen er nicht wenigen als Hoffnungsträger des deutschen Fußballs galt, zur großen Karriere ansetzten. Ohne ihn. Schon damals geriet der TSV 1860 finanziell ins Schlingern, der talentierte Mittelstürmer wurde an den Hamburger SV verkauft - mehr oder weniger ohne gefragt zu werden. Wegen Verletzungen spielte Lauth im Norden erst eine durchwachsene Saison, der er eine richtig gute mit Platz vier und der Qualifikation für die Champions League folgen ließ. Danach lief es wieder schlecht, richtig schlecht: Zum Jahreswechsel 2006/07 war der HSV Letzter, Lauth spielte unter Trainer Doll, mit dem er später in Ungarn wieder zusammenarbeiten sollte, kaum mehr eine Rolle - und wechselte zum VfB Stuttgart. "Die richtige Entscheidung", sagt Benny Lauth im Rückblick. Immerhin gewannen die Schwaben in jener Saison unter der Leitung von Trainer Armin Veh die Meisterschaft - und dieser Titel steht damit auch in Lauths sportlicher Biografie, er trug elf Einsätze und ein Tor bei. Vom damaligen Coach Veh war er vor allem wegen seiner gnadenlosen Ehrlichkeit beeindruckt: "Wenn er im Trainingslager in Südeuropa mit den Platzbedingungen nicht zufrieden war, hat er dem Leiter der Anlage Bescheid gegeben: ,Entweder ihr richtet den Platz her oder wir fahren wieder heim'", erzählt Lauth.

Schließlich spielte er noch eine Saison bei Hannover 96, "die einzige Station, wo es sportlich nicht so gepasst hat", erinnert er sich, nimmt allerdings seinen damaligen Trainer Dieter Hecking von dieser Kritik aus: "Er ist ein richtig guter Trainer." Lauth ging zurück zu 1860, absolvierte in sechs Jahren seine 188 Zweitligaspiele (63 Tore, 27 Vorlagen) - und wurde dann 2014 für ihn reichlich überraschend vor die Tür gesetzt. "Wenn man sportlich andere Wege gehen will, mag das in Ordnung sein. Aber wie man es verpackt, ist eine Frage des Charakters", sagt der 35-Jährige heute. Er wurde eines Montags ins Büro der Verantwortlichen gerufen, dort teilte man ihm mit, dass der Vertrag nicht verlängert wird - das war's. "Die Leute von damals sind alle nicht mehr da", sagt Lauth. Weswegen er auch kein grundsätzliches Problem mit dem Verein hat.

Dass er nach dem Ungarn-Abenteuer seine Karriere beendete, passt zu seiner Lebensplanung. Nichts soll erzwungen werden, er blickt gelassen in die Zukunft. Und einmal pro Woche schnürt er auch noch die Fußballschuhe, er spielt regelmäßig mit einer Gruppe ehemaliger Profis, die sich in München angesiedelt haben - wie Miroslav Klose oder Torben Hoffmann. "Mein Terminkalender für die Woche ist voll", sagt Lauth. "Aber Stress ist etwas anderes."

© SZ vom 20.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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