Fußball:Hilfe von Lindsey Vonn

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Der Blick geht immer nach oben: Luca Marseiler hält auch den Aufstieg mit der Unterhachinger Spielvereinigung für möglich. (Foto: Marcel Lorenz/imago)

Der Unterhachinger Mittelfeldspieler Luca Marseiler hat seine verletzungsbedingte Leidenszeit überstanden. Nun ist er stärker denn je, will seinen Stammplatz sichern und träumt von der Champions League.

Von Stefan Galler, Unterhaching

Nur gut, dass die Pubertät vorbei ist. Denn von Jungs im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren ist bekannt, dass sie sich in den seltensten Fällen daran halten, was ihnen von Erwachsenen geraten wird. Erst recht nicht, wenn es sich beim Tippgeber um den eigenen Vater handelt. Luca Marseiler ist im Februar 21 Jahre alt geworden und damit raus aus dem beratungsresistenten Alter. Papa Michael war früher selbst Fußballer, kickte für die DJK Taufkirchen in den Neunzigerjahren unter anderem in der Bezirksliga und war als treffsicherer Stürmer in der Region München bekannt. Er wusste also, wovon er sprach, als er seinem Jungen den Hinweis gab, ruhig mal öfter selbst den Torabschluss zu suchen: "Er hat mir erklärt, dass es viel bringt, gut zu spielen. Aber Statistiken sind es, die dich in die Zeitung und nach oben bringen", sagt Sohnemann Luka nun, der meist im rechten Mittelfeld bei der SpVgg Unterhaching spielt.

In der noch jungen Drittligasaison hat Marseiler, der Jüngere, bereits zweimal ins Schwarze getroffen, jeweils mit fulminanten Distanzschüssen in den Winkel. Das sind so viele Treffer wie ihm in den ersten drei Jahren im Seniorenbereich insgesamt gelungen waren. "Vielleicht hat mir früher auch ein bisschen die Kraft gefehlt für so harte Abschlüsse aus der Ferne."

Dass sich der 21-Jährige so gut fühlt und vor Selbstvertrauen nur so strotzt, liegt paradoxerweise am bislang schlimmsten Rückschlag in seiner noch jungen Karriere: Am 29. März 2017 riss er sich bei einem Toto-Pokalspiel in Burghausen das Kreuzband, es folgte eine gut zehnmonatige Leidenszeit, ehe er im Februar 2018 beim Drittliga-Auswärtsspiel gegen Fortuna Köln (0:0) sein Comeback geben konnte. "Wenn man das sagen kann, dann bin ich nach der Verletzung stärker zurückgekommen als ich zuvor war - sowohl körperlich, als auch vom Kopf her", sagt Marseiler.

In der Reha habe er so manches tiefe Tal durchquert: "Wenn du vier, fünf Monate jeden Tag drei bis vier Stunden alleine deine Übungen machen musst, dann wird es irgendwann schwierig für den Kopf. Ich habe meine Physios öfter mal gebeten, mir ein paar Tage freizugeben." Beim entscheidenden Aufstiegsspiel der Hachinger in Elversberg im Mai 2017 war er zwar als Zaungast dabei, doch die anschließende Reise des Teams nach Mallorca musste der ohnehin bereits rekonvaleszente Marseiler wegen einer zusätzlich nötig gewordenen Sprunggelenkoperation auslassen. "Es war eine schwere Zeit damals", sagt er.

Diese schwarzen Stunden zu überstehen, habe ihn belastbarer gemacht, seinen Ehrgeiz und Siegeswillen weiter gestärkt. Wichtig sei gewesen, dass sowohl die Trainer, aber auch Freunde und Familie - sein jüngerer Bruder Luis spielt beim Bayernligisten SV Pullach - immer ein offenes Ohr für ihn gehabt hätten. Auch Videos bekannter Sportler, die nach schweren Verletzungen zurückgekommen sind, hätten ihn motiviert, sagt Luca Marseiler: "Den Film über die Skirennläuferin Lindsey Vonn habe ich mir immer wieder angeschaut." Doch nicht nur seine mentale Stärke sei in dieser schlimmen Zeit deutlich gewachsen, parallel stellte er auch in Sachen Lebensplanung wichtige Weichen, nicht zuletzt auf sanften Druck seiner Mutter: "Ich habe mittlerweile ein BWL-Studium begonnen. Es tut gut, neben dem Fußball auch etwas für den Kopf zu tun."

Von der Gefühlswelt vergleichbar war diese bittere Phase der Rehabilitation vermutlich mit jener Situation, in der die Karriere des Mittelfeld-Allrounders schon einmal am Scheideweg stand: Mit 15 Jahren erklärte ihm sein damaliger Trainer in der B-Jugend des FC Bayern, dass es für ihn nach fünf Jahren im Nachwuchsleistungszentrum an der Säbener Straße nicht weitergehen würde. Er sei zu klein für eine Profilaufbahn, sagte man dem hochveranlagten Fußballer, der gleichsam mit links wie rechts schießen und flanken kann. "Komisch war, dass ich in jedem Jahrgang gespielt habe, obwohl ich stets zu den Kleinsten gezählt habe. Aber manchmal kommt dann halt ein Trainer, der nicht auf dich steht. Da kann man nichts machen", sagt Marseiler, mittlerweile 1,76 Meter groß, der das Rad der Zeit jedoch nicht zurückdrehen will, wie er betont, schließlich hätten viele seiner damaligen Kameraden es bei weitem nicht so weit gebracht wie er.

Und für den 21-Jährigen soll, was seine sportlichen Erfolge angeht, in der dritten Liga längst nicht Schluss sein. "Ich bin ein Typ, der große Ziele braucht", sagt der Mittelfeldspieler. "Irgendwann will ich Bundesliga oder sogar Champions League spielen." Zunächst aber gehe es darum, seinen Stammplatz bei Haching zu verteidigen, Tore zu erzielen und womöglich mit seinem Verein aufzusteigen.

Dass das in dieser Saison eventuell schon möglich sein könnte, hält er nicht für ausgeschlossen: "Ursprünglich dachten wir angesichts der erheblich stärkeren Liga, dass wir zufrieden sein müssten, wenn wir die Klasse halten. Aber wir haben 17, 18 richtig gute Leute im Kader. Es wäre schon toll, wenn wir lange oben dabei sein könnten."

© SZ vom 29.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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