Fußball:Hang zur Bande

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Die Verbände wollen Futsal etablieren, doch viele Klubs halten am alten Hallenfußball fest

Von Stefan Galler, München

Roman Tyce kann die ganze Aufregung nicht verstehen. In seiner Heimat Tschechien ist Futsal seit mehr als zehn Jahren das Nonplusultra, was Fußball in der Halle angeht. "Wir haben eine Nationalmannschaft und die meisten meiner Freunde, die im Sommer draußen spielen, kicken in irgendeiner Futsaltruppe mit", sagt der 37 Jahre alte ehemalige Profi, derzeit Co-Trainer beim Landesligisten FC Deisenhofen. Auch er selbst hat Spaß an diesem Indoor-Kick mit Auslinien statt Banden, an dieser einzigen vom Weltverband Fifa offiziell anerkannten Hallenfußballvariante. Mit einigen Deisenhofener Kollegen und verstärkt von Kickern aus Bad Tölz und Raisting ist er am Wochenende beim Finalturnier um die bayerische Futsal-Meisterschaft angetreten. Und das ziemlich erfolgreich: Das bunt gemischte Team um Trainer Thomas Dötsch holte sich den Titel - dank eines 6:5 (1:1)-Finalerfolgs nach Sechsmeterschießen gegen Olympia Neugablonz. Markus Mayer hatte in der regulären Spielzeit den Ausgleich zum 1:1 erzielt, Marco Finster später den entscheidenden Sechsmeter verwandelt. Coach Dötsch war rundum zufrieden: "Ich ziehe den Hut vor der Leistung."

Dass auch in diesem Jahr die Resonanz eher zurückhaltend war und nur wenige Vereine an den Vorausscheidungen auf regionaler Ebene teilgenommen hatten, ist für Roman Tyce nachvollziehbar: "Futsal gibt es in Bayern erst seit ein, zwei Jahren. Die Regeln sind noch nicht allen klar und man ist hier noch sehr an Soccer Five und Hallenfußball mit Bande gewöhnt", sagt der 25-malige Nationalspieler. "Aber es hat viele Vorteile, etwa dass bei weitem nicht so hart gespielt wird." Für Tyce, der in seiner Karriere viele schwere Verletzungen zu überstehen hatte, ein schwerwiegendes Argument. "Hier kommt es nicht auf Dribbling und Zweikämpfe an, sondern eher auf Spielzüge, aufs Passen und Bewegen. Ein bisschen wie beim Eishockey oder Basketball."

Nicht jeder, der im Fußball etwas zu sagen hat, teilt diese Begeisterung. Michael Tarnat etwa, Nachwuchskoordinator des FC Bayern München, kann sich mit Futsal überhaupt nicht anfreunden. Am Rande der Münchner Stadtmeisterschaft der Juniorenkicker in Milbertshofen hatte er die Regeln, vor allem die Auslinien und die kleinen Tore, harsch kritisiert ("Katastrophe. Sinn und Zweck werden komplett verfehlt"). Auf Nachfrage erläutert er seine Kritik: "Meistens ist der Ball im Aus, es fallen kaum noch Treffer und von Budenzauber und verrückten Aktionen, die den Hallenfußball mit Bande ausgezeichnet haben, ist nichts mehr zu sehen." Deshalb erwäge der FC Bayern, seine Jugendteams generell nicht mehr zu Turnieren im Futsal-Stil zu schicken. "Wir werden das intern noch diskutieren", sagt Tarnat.

Der Deutsche Fußball-Bund hat sich auf Futsal als Zukunft des Hallenfußballs festgelegt. Doch längst nicht alle Vereine teilen seine Begeisterung. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Er vertritt keineswegs eine Einzelmeinung, im Gegenteil: Viele Vereine verweigern sich der neuen Indoor-Spielart - oder setzen sich erst gar nicht mit ihr auseinander. Der FC Unterföhring etwa hat fast ein Jahrzehnt lang die Münchner Hallenmeisterschaft der Männer ausgetragen und dabei auch mit der eigenen Vertretung manchen Erfolg gefeiert. Seit Futsal gespielt wird, ist das Kapitel für den Bayernligisten erledigt. "Mit den Regeln haben wir uns im Verein bisher nicht anfreunden können", sagt Vorstandsmitglied Manuel Prieler. "Dass wir die Münchner Meisterschaft nicht mehr veranstalten, liegt in erster Linie an der Umstellung auf Futsal." Dazu komme, dass der aktuelle Trainer Andreas Pummer ebenso wenig ein Freund des Budenzaubers ist wie sein Vorgänger Walter Werner. "Aber als Ausrichter hätten wir abgesehen davon sicherlich eine Mannschaft gestellt", so Prieler, der den guten alten Zeiten des Hallenfußballs nachweint: "Da kamen schon mal 1500 Zuschauer zu oberbayerischen Meisterschaften. Das war Unterhaltung pur. Ich bin gespannt, ob Futsal jemals so eine Resonanz finden wird." Auch wegen des Zuschauerinteresses laden Vereine im Zweifel lieber zu Privatturnieren im althergebrachten Hallenfußball ein.

Zumindest ein Verein im Großraum München hat sich längst vorbehaltlos der neuen Variante verschrieben: Beim TSV Neuried wird schon seit 2011 Futsal gespielt, mittlerweile hat der Klub sogar eine eigene Abteilung gegründet. Er ist einer von fünf Klubs, die seit Herbst in der neu geschaffenen Bayernliga antreten - die Konkurrenz kommt aus Bayreuth, Nürnberg, Regensburg und Schwandorf. Im Würmtal setzen sie voll auf die in Deutschland noch so unbeleckte Disziplin, die Verantwortlichen hoffen darauf, dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) schon bald eine durchgängige Ligenstruktur bis zur Bundesliga ins Leben ruft. Und dass Futsal noch mehr Aufmerksamkeit erhält: "Jeder, der mal live ein gutes Futsalspiel gesehen hat, kann sich dann wirklich seine Meinung bilden - und meistens ist diese dann gar nicht so schlecht", sagte Christopher Utz, Geschäftsführer des TSV Neuried, kürzlich dem Online-Portal Futsal Germany. Auch zum angeblichen Wettstreit mit dem traditionellen Fußball hat Utz eine klare Meinung: "Ich behaupte nicht, dass alle bis zur U14 nur noch Futsal spielen sollten. Vielmehr sollte Futsal in die Ausbildung integriert werden."

© SZ vom 29.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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