Fußball:Giesinger Spalier

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Nach einem versehentlichem Tor aus 35 Metern, das eigentlich eine Rückgabe nach einer Verletzungs-Unterbrechung hätte sein sollen: Der TSV Turnerbund München erhält den Fairplay-Preis des Deutschen Fußball-Bundes.

Von Andreas Liebmann, München

Zum Bayern-Treffer des Monats hätte es vermutlich gereicht, hätte nur eine Videokamera diese Szene aufgezeichnet: Aus etwa 35 Metern Torentfernung zog Finn Friedrich vom TSV Turnerbund München ab, von der Außenlinie des Spielfelds, eigentlich eine wenig verheißungsvolle Position. Doch der Schwabinger Torwart in diesem Kreisklasse-Duell war machtlos, die Kugel schlug hinter ihm ins Tor ein zum 1:1.

Vergleichbare Treffer lassen sich auf Youtube finden. Etwa 2012, Francisco Javier Muñoz Llompart, genannt Xisco: Trifft den Ball in der ersten georgischen Liga, nach einem Einwurf nahe der Seitenlinie, schwungvoll mit links, schaut nicht mal richtig, doch sein Schuss aus gut 40 Metern passt perfekt, der Ball senkt sich unter die Latte zum 1:0 für Dinamo Tiflis. Oder 2014, norwegisches Erstliga-Spiel zwischen Lilleström SK und Brann Bergen: Kapitän Erik Nævdal Mjelde drischt aus gut 65 Metern Entfernung einfach drauf, der Ball hüpft auf - und über Lilleströms Torwart ins Netz.

Was diese drei Tore gemeinsam haben? Sie waren alles andere als beabsichtigt. Sie waren den Schützen sogar peinlich. Denn in allen Fällen war eine Fairplay-Aktion gründlich schief gegangen.

Xisko wie Mjelde hatten den Ball lediglich nach Verletzungsunterbrechungen an den Gegner zurückgeben wollen. Und Finn Friedrich wollte eine solche herbeiführen. Ein Spieler war verletzt liegen geblieben, andere hatten gefordert, den Ball ins Aus zu schlagen, also bolzte er ihn vermeintlich ins Nirgendwo, vielleicht mit etwas Frust wegen der schönen Konterchance, die dadurch verloren ging. Und mitten in diesem Nirgendwo stand dummerweise das Tor im Weg.

Der Turnerbund löste das Problem auf die gleiche Weise wie seinerzeit auch die Profis von Bergen und Tiflis: Sie signalisierten Schwabings Patrick Müller-Hauke vom Anstoß an, dass er ungestört auf ihr Tor zulaufen dürfe und standen für dessen Treffer zum 2:1 reglos Spalier. Dafür wurden die Spieler nun vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) im Rahmen der Aktion "Fair ist mehr" geehrt: Vor seinem Heimspiel gegen den FC Bosna i Hercegovina am vergangenen Sonntag erhielt das Giesinger Team (in dem übrigens Anton Beckenbauer spielt, ein Enkel der Münchner Fußballlegende) die Fairplay-Urkunde des Verbands. Der Kreisvorsitzende Bernhard Slawinski überreichte sie. Er zeigte sich "fasziniert" und "begeistert": Die Aktion des Turnerbunds zeige ebenso wie die Vielzahl an Fairplay-Auszeichnungen, die zuletzt regelmäßig an Spieler, Betreuer und Mannschaften im Kreis München gingen, "dass sich hier in den letzten Jahren sehr viel Positives getan hat".

Lobenswert war übrigens auch, dass wirklich alle Turnerbund-Spieler wussten, was sie da vorhatten. Ganz anders als Piotr Leciejewski, der Torwart von Brann Bergen. Denn als dessen Team vor drei Jahren kollektiv Spalier stand für das ausgleichende Gegentor, hatte der Pole offensichtlich nichts mitbekommen und versuchte wacker, Lilleströms Stürmer abzudrängen. Der traf zwar trotzdem, aber es sah doch unfreiwillig komisch aus.

© SZ vom 08.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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