Fußball:Fischer am Rand

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Helfer in der Not: Bernd Klemm hat ein Herz für junge Asylsuchende. (Foto: Claus Schunk)

Bernd Klemm, Fußball-Abteilungsleiter beim SVN München, gibt jungen Flüchtlingen Starthilfe in ihr neues Leben

Von Stefan Galler, München

In diesen Tagen will sich Bernd Klemm mit der Inneren Mission in Verbindung setzen. Diese betreut unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die aus Krisengebieten in den Raum München kommen und hier Asyl suchen. Unter denjenigen, die ihre Heimat verlassen müssen, um am Leben zu bleiben, ist das vielleicht die Gruppe, die am meisten Unterstützung benötigt - und auch verdient: Sie sind Opfer, ohne auch nur im Ansatz schuldig zu sein.

Bernd Klemm möchte dabei helfen, diese Kinder und Jugendliche, die ohne Eltern in ein fremdes Land kommen, aufzufangen und ihnen den Start zu erleichtern. Er will sie integrieren in seinen neuen Klub, den SVN München. Erst vor kurzem hat er einen Vertrag als Fußball-Abteilungsleiter bei diesem Mammutverein mit seinen 6000 Mitgliedern unterschrieben. In Neuperlach, wo der Verein beheimatet ist, haben sie viel vor: Derzeit entsteht ein nagelneues Trainingsgelände, der SVN-Sportpark, der neben einer großen Dreifach-Mehrzweckhalle mit Tribüne zwei Rasen- und zwei Kunstrasenspielfelder umfasst; dazu unter anderem ein Kletter- und Boulderzentrum, Kleinspielfeld, Basketball-Court und einen Komplex für Büros und Umkleiden. 5,5 Millionen Euro trägt der SVN in Eigenleistung, rund zehn Millionen Euro werden insgesamt verbaut. "Und alles auf einem sozialen Sockel", sagt Klemm. Eröffnung ist am 10. Oktober.

Klemm hat ein Herz für diejenigen, die am Rand stehen. Er kommt aus der Gemeinde Taufkirchen vor den Toren der Stadt. Dort gibt es ein großes soziales Gefälle, nette Reihenhaussiedlungen einerseits, Sozialwohnungen in Hochhäusern auf der anderen Seite. In diesem Umfeld hat der Polizeibeamte gelernt, wie wichtig es auch für den sozialen Frieden ist, die Benachteiligten zu stützen. Der Fußballsport hat sein Leben geprägt, in den siebziger Jahren spielte er in der Jugendabteilung des TSV 1860 München. "Dann habe ich feststellen müssen, dass es für eine Profikarriere nicht reicht", sagt der heute 53-Jährige. Er spielte später für die beiden Taufkirchner Vereine, SV und DJK, war in beiden Klubs Trainer und beim SV irgendwann Abteilungsleiter. Das wurde er dann auch im 2000 fusionierten SV DJK Taufkirchen.

Klemm, der viele Jahre für die CSU im Gemeinderat saß, hat sich damals in der Fußballszene im Raum München einen Namen gemacht, weil er neben der sportlichen Komponente auch die soziale, die integrative Seite betonte. Und so kam er 2009 zum traditionsreichen FC Wacker München. Unter der Führung des sportlichen Leiters Klemm und des Präsidenten Marcus Steer wurde dann nicht nur der sportliche Abwärtstrend gestoppt, sondern auch das Integrationsprojekt für Flüchtlinge eingeleitet. Streckenweise gehörten dem Klub aus Sendling Fußballer aus 27 Nationen an. Die Funktionäre unterstützten die Asylbewerber bei Behördengängen, später nach ihrer Anerkennung dann bei der Suche nach Wohnung und Job. Steer tut das auch weiterhin, Klemm jedoch verließ den FC Wacker Anfang November nach mehr als fünf Jahren. "Es hat atmosphärische Störungen gegeben, nach den jüngsten Neuwahlen in der Abteilung passte es halt nicht mehr", sagt Klemm. "Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass meine Einstellung zu Fußball und Integration nicht mehr so geteilt wird wie früher." Ausdrücklich betont er, dass das nichts mit Präsident Steer zu tun habe: "Wir haben in den letzten Tagen zweimal miteinander telefoniert. In der Integration darf es gar keinen Groll geben, sonst funktioniert das nicht."

Nachdem durchgesickert war, dass er bei Wacker aufhört, klingelte sein Telefon ständig. Auch Norbert Kreitl, Vorstand des SVN, rief an. "Unser Abteilungsleiter Siegbert Schmidt war gerade zurückgetreten", sagt der umtriebige Klubpräsident. Klemm entschied sich für Neuperlach, "für uns ein Glücksfall", sagt Kreitl. Ähnlich klingt Klemm: "Mit Wacker habe ich den Münchner Integrationspreis gewonnen, der SVN hat 2012 den Bayerischen Integrationspreis erhalten. Ich wechsle sozusagen in die Champions League."

Die Pläne des Duos sind klar umrissen: Sie wollen das Thema "Junge Flüchtlinge und Fußball" auf die Agenda der Stadt München setzen. Kreitl hat einen offenen Brief an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) geschrieben, in dem er ein stadtweites Programm fordert. "Dazu bedarf es einer Koordinierung durch das Referat für Bildung und Sport und dem Sozialreferat, verbunden mit einem Aufruf an die Münchner Sportvereine", schreibt Kreitl. "Uns muss als Münchner (...) Bürger nicht nur die Unterbringung am Herzen liegen, sondern auch die Betreuung und Integration."

Doch auch abgesehen von allen sozialen Aspekten hat der neue starke Mann in der Fußballsparte des SVN einen klaren Auftrag: "In zwei bis drei Jahren wollen wir mit der ersten Mannschaft die Bezirksliga angreifen", sagt Klemm. Zur Winterpause liegt das Team in der Kreisliga 3 auf dem vierten Rang, jedoch bereits elf Zähler hinter Tabellenführer SC 1906. "Es liegt ein Sportentwicklungskonzept vor", sagt Kreitl. "Wir wollen mit allen Mannschaften mittelfristig höherklassig spielen. Aber mehr als die Bezirksliga ist nicht finanzierbar. Das machen wir nicht mit."

Bernd Klemm wird als erste Amtshandlung bei seinem guten Bekannten Manfred Schwabl anfragen, ob er wie zu Wacker-Zeiten Freikarten für ein Drittliga-Heimspiel der SpVgg Unterhaching bekommt. Damit er mit den jungen Flüchtlingen dort hingehen kann. "Das ist ein tolles Erlebnis für die Jugendlichen, da können sie wenigstens vorübergehend ihre schlimmen Erfahrungen vergessen."

© SZ vom 02.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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