SpVgg Unterhaching:Francisco, Fonsi, Flo

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Einer für die Ahnengalerie? Stürmer Patrick Hasenhüttl verkörpert bei Drittligist SpVgg Unterhaching die Hoffnung auf mehr offensive Wucht.

Von Stefan Galler

Wer würde ihn wohl besser kennen als sein eigener Vater. Also angefragt bei Hasenhüttl senior. Wenig später: Southampton calling! "Über seine fußballerischen Stärken und Schwächen kann ich nicht viel sagen, ich sehe ihn ja so gut wie nie spielen", sagt Ralph Hasenhüttl über seinen Sohn Patrick, den neuen Mittelstürmer der SpVgg Unterhaching. "Aber er investiert unheimlich viel, ist sehr fit, achtet sehr auf seine Ernährung. Alles, was er sich bisher erarbeitet hat, ist darauf zurückzuführen, dass er sehr professionell ist und den richtigen Drive hat", lobt der Papa, der ein bisschen was davon verstehen sollte: Seit Dezember 2018 ist Ralph Hasenhüttl einer von 20 Cheftrainern in der Premier League, der für viele besten Liga der Welt.

Zu einem Engagement beim FC Southampton fehlt für Patrick Hasenhüttl zwar noch ein Stück, dennoch ist er auf einem guten Weg, sich im Profifußball zu etablieren: Mit Türkgücü München ist er in der vergangenen Saison aufgestiegen, weil der Klub zum Zeitpunkt des Lockdowns souverän auf Platz eins der Regionalliga stand. In 23 Einsätzen gelangen ihm 13 Tore - ein Treffer alle 103 Minuten. Dennoch sah er sich frühzeitig nach einer neuen Herausforderung um, auch weil ihm vermutlich bewusst war, dass bei seinem mittlerweile ehemaligen Verein kein Stein auf dem anderen bleiben würde. "Es war keine Entscheidung gegen Türkgücü, sondern für Unterhaching. Es war gleich eine Verbindung da, Haching hat sich einfach mehr um mich bemüht", sagt Patrick Hasenhüttl. Er habe sich zuvor intensiv mit seinen Eltern besprochen. "Es ist bei vielen jungen Spielern so, dass sie sich Rat holen in der Familie. Dass mein Vater von der Materie ein bisschen was versteht, ist natürlich von Vorteil."

Noch muss der Neue um einen Stammplatz kämpfen. Wenn an diesem Samstag (14 Uhr) beim FSV Zwickau die neue Drittligasaison für die SpVgg Unterhaching beginnt, wird Hasenhüttl wohl erst mal auf der Bank Platz nehmen. "Er spielt eine gute Rolle, auch wenn er etwas gebraucht hat, um sich zurechtzufinden", sagt der neue Hachinger Trainer Arie van Lent, der selbst ein bulliger Stürmer (u.a. Bremen, Gladbach, Frankfurt) war. Dass Hasenhüttl sich in jedem Spiel förmlich aufreibt, bereitet dem Coach gemischte Gefühle: "Ja, er ist laufstark und sehr engagiert. Aber manchmal läuft er sogar zu viel, dann besteht die Gefahr, dass er müde wird. Wir sind aber auf einem guten Weg, um das zu optimieren." Und auch wenn der Neue in Zwickau nicht von Beginn an dabei sein dürfte, sei er "froh, dass wir ihn haben", so Van Lent. Womöglich wird der 23-Jährige, der in Belgien geboren wurde, weil Vater Ralph damals gerade beim KV Mechelen spielte, noch ein wenig warten müssen, bis er in der Ahnengalerie der großen Hachinger Stürmer einen festen Platz erhält. Aber es ist die Hoffnung der Hachinger, dass sich der 1,90 Meter große Stürmer in der Spitze robuster durchsetzen kann als seine neuen Kollegen, die in den letzten elf Spielen der abgelaufenen Saison nur noch zehn Treffer erzielten.

Van Lent hadert ein wenig mit der Ladehemmung der Unterhachinger Offensivkräfte, die sich nach dem ernüchternden Saisonfinale auch in der Vorbereitung fortgesetzt hat. "Die Torausbeute ist wirklich sehr gering, ich hoffe, dass der Knoten bald platzt. Es ist eine Frage des Instinkts und ich hoffe sehr, mein Assistent Robert Lechleiter und ich als ehemalige Stürmer können da weiterhelfen."

Anders als etwa der FC Bayern, nach dessen Finalsieg in der Champions League mehr von Torhüter Neuer als von Torschütze Coman die Rede ging, war die SpVgg Unterhaching immer dann stark, wenn ihre Stürmer stark waren, angefangen bei Publikumsliebling Alfonso Garcia, nach dem in den Neunzigern zwar nicht unbedingt Kinder benannt wurden, aber vor wenigen Wochen immerhin das neue Hachinger Maskottchen "Fonsi". Ein Volkstribun wie der stets gut gelaunte Deutsch-Spanier, der wie eine schwäbelnde Version von Claudio Pizarro wirkte, war Altin Rraklli nie. Dennoch wussten die Fans und der damalige Cheftrainer Lorenz-Günther Köstner, dass man sich auf den quirligen Albaner verlassen konnte. Notfalls zwang er Gegner dazu, den Ball ins eigene Netz zu grätschen, wie in jener sagenumwobenen Bundesliga-Partie im Mai 2020 gegen Leverkusen, als Haching die Bayern am letzten Spieltag zum Meister machte: Bevor Rraklli hätte abstauben können, lenkte der junge Michael Ballack einen Querpass ins Leverkusener Unglück.

Nicht selten hatten die großen Unterhachinger Torjäger eine Vergangenheit beim Erzrivalen aus Giesing. Anton Fink etwa, der 2008/09 unter der Führung eines gewissen Ralph Hasenhüttl Torschützenkönig der dritten Liga wurde, oder Stephan Hain, der den Klub 2016/17 mit 32 Toren in 28 Spielen fast im Alleingang zum Regionalligameister machte. Hain zählt noch immer zum Kader, aber sein schmächtiger Körper scheint für die Belastungen des Profibetriebs nicht gebaut zu sein; aktuell fällt der 31-Jährige mit Knieproblemen aus. Den beiden eher stillen Zeitgenossen weinten die Löwen lange nach. Das dürfte bei Florian Niederlechner nicht anders sein, der nach vier Jahren in der 1860-Jugend weggeschickt wurde und später in Haching, nach einem Umweg über eine Ausbildung zum Industriekaufmann und die Landesliga, doch noch den Durchbruch schaffte. Mittlerweile ist der gebürtige Ebersberger ein gestandener Bundesligaspieler beim FC Augsburg.

Und dann ist da noch einer mit einer besonderen Biografie, die in mehr als einer Hinsicht eng mit Haching verbunden ist: Francisco Copado, wie Garcia Deutsch-Spanier, aber eher eine stark polarisierende Version, ein Partytiger, der für die SpVgg mehr als 60 Pflichtspieltore erzielte, später mit der Tochter von Klub-Mäzen Anton Schrobenhauser eine Familie gründete, sich aber immer mit den Trainern anlegte, ganz gleich ob sie Köstner, Wolfgang Frank oder Hasenhüttl hießen.

So schließt sich der Kreis. Hasenhüttl, der Ältere, startete einst von Haching aus seine bereits jetzt beeindruckende Trainerkarriere und hat nach den Stationen Aalen, Ingolstadt und Leipzig als erster österreichischer Coach den Sprung in die Premier League geschafft, wo er beim FC Southampton trotz einer 0:9-Rekordniederlage gegen Leicester im vergangenen Oktober seinen Vertrag bis 2024 verlängern durfte. "Er hat es bisher nicht einfach gehabt, auch weil er einen bekannten Namen trägt", sagt Vater Ralph über Sohn Patrick. Der räumt ein, er habe nach einer herausragenden Zeit im Jugendbereich, in der er zum österreichischen Juniorennationalspieler avancierte, etwas nachgelassen: "Beim FC Ingolstadt habe ich es nicht in den Profikader geschafft, jetzt will ich versuchen, bei Unterhaching erfolgreich zu sein. Mal sehen, wo die Reise hingeht." Erst mal muss er sich gegen Felix Schröter, 24, acht Saisontore, durchsetzen und gegen Dominik Stroh-Engel, den bald 35-jährigen, aber mit neun Treffern erfolgreichsten Schützen der vergangenen Saison.

© SZ vom 19.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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