Fußball:Ein Rückschlag wie ein Pfostentreffer

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SpVgg Unterhaching verliert zwei Punkte, aber gewinnt im Toto-Pokal

Von Christoph Leischwitz, Unterhaching

So ein möglicher Zwei-Punkte-Abzug, sagt Claus Schromm, sei in gewisser Weise wie ein Schuss an den Innenpfosten beim Stand von 1:1: Der Ball könne wieder zurück ins Feld springen, und es bleibt bei einem Punkt, der Ball könnte aber auch ins Netz rollen: Sieg, drei Punkte. Zentimetersache. Der Trainer der SpVgg Unterhaching saß am Donnerstagmittag im Biergarten des Sportparks, die Pressekonferenz war nach draußen verlegt worden, und Schromm lächelte. "Bei dem Wetter geht's mir immer gut", sagte er. Er sprach dann noch von dem glücklichen Pokalsieg am Mittwochabend beim Regionalligisten FV Illertissen, vom nächsten anstehenden Drittliga-Spiel bei Borussia Dortmund II. Dann bekam Schromm einen Anruf, Präsident Manfred Schwabl war dran. Es war der Moment, in dem die finanzielle Lage des Vereins die sportliche Lage, im wahrsten Sinne, nach unten drückte.

Schromm nimmt' s weiterhin sportlich, obgleich seine Mannschaft nun eine noch schwierigere Ausgangsposition hat, die Liga zu halten: Der DFB hat am Donnerstag den Zwei-Punkte-Abzug für Haching wegen eines Verstoßes gegen Lizenzierungsauflagen bestätigt, schlagartig fehlen drei Punkte auf den ersten Nichtabstiegsplatz. Am vergangenen Wochenende, beim unglücklichen 0:1 in Osnabrück, wurden in Yannic Thiel und Benjamin Schwarz zwei Stammspieler mit Gelb-Rot vom Platz geschickt, sie fehlen am Sonntag in Dortmund. Ebenso Torwart Stefan Marinovic, für den die Saison beendet ist: Er muss sich wegen einer ausgekugelten Schulter womöglich einer Operation unterziehen. Defensivspieler Fabian Götze ist immer noch krank. Der Einsatz von Kapitän und Abwehrchef Mario Erb (Außenbandriss) ist fraglich. Bezüglich eines Einsatzes von Alon Abelski (Mittelfußprellung) habe er noch Hoffnung. Als Schromm das sagt, erblickt er Abelski auf dem Parkplatz. "Naja, wie er da humpelt - eher nicht." Es ist erstaunlich, wie gelassen der 45-Jährige wirkt, während der Verbleib des Vereins im Profifußball mehr und mehr infrage steht.

Es gibt sie eben noch, die guten Nachrichten. Zum Beispiel einen Unterhachinger Schuss an den Innenpfosten, der ins Tor trudelt. So geschehen am Mittwoch in Illertissen in der 87. Spielminute, Pascal Köpke erzielte so das überglückliche 2:2. Die Gastgeber hatten die Hachinger lange Zeit erfolgreich vom eigenen Tor fern gehalten und zwei ihrer vier Großchancen verwerten können (47., 53.). Als dann der eingewechselte Dominik Widemann in der 83. Minute das 1:2 erzielte, war dies nach 81 Spielminuten der erste Hachinger Torschuss gewesen, Köpkes Innenpfosten-Treffer war der zweite. "Ich habe nicht mehr dran geglaubt", sagte Präsident Schwabl nach dem Spiel und gab zu, dass Illertissen "überlegen" gespielt habe.

Auch im Elfmeterschießen hatte Haching Glück: Widemann war der fünfte Schütze, und er dachte, dass der Illertisser Torwart Patrick Rösch seinen Schuss gehalten hätte. Er konnte nicht sehen, wie der Ball hinter dem liegenden Torwart über die Linie kullerte. "Ich wollte ihn eigentlich hoch in die Mitte schießen, aber ich war weggerutscht", erzählte Widemann. Danach habe er sich gewundert, warum seine Mitspieler am Mittelkreis jubelten. Den entscheidenden Elfmeter verwandelte dann Lucas Hufnagel als sechster Schütze, Illertissens Ulrich Klar setzte seinen Schuss an den Pfosten.

"Dem Präsidenten war das Elfmeterschießen etwas wichtiger als mir", sagte Schromm mit Blick auf die finanzielle Lage. "Mir war vor allem wichtig, dass sich die Mannschaft belohnt hat. Zu wissen, dass es funktioniert." Immerhin war sein taktischer Plan aufgegangen, das Tempo hoch zu halten und gegen erschöpfte Gastgeber am Schluss die Tore zu machen.

Bei Borussia Dortmund II, das in der Drittliga-Tabelle noch einmal drei Punkte hinter den Hachingern steht, sprechen sie vom "Spiel des Jahres" am kommenden Sonntag. Schromm bleibt gelassen. Er halte wenig davon, ein Finale auszurufen, wenn danach noch sechs Punktspiele zu bestreiten sind. Die Mannschaft sei in der Lage, zu punkten, sie habe auch in Osnabrück "ihre Sache gut gemacht". Das hatte ihm auch Heiko Herrlich bestätigt, der mit nach Niedersachsen gereist war. Der 43-jährige ehemalige Profi, zurzeit noch als U17-Trainer beim FC Bayern München, war der Wunschkandidat des Vereins gewesen, nachdem Trainer Christian Ziege vor zwei Wochen zurückgetreten war. Doch der FC Bayern wollte Herrlich, dessen Vertrag bis Ende Juni läuft, nicht freistellen, zumindest nicht bei Lohnfortzahlung. Schromm sagt aber, dass Herrlich zu Beginn der nächsten Saison Trainer in Unterhaching werde, und zwar auch dann, wenn die Mannschaft in der Regionalliga spielt.

Bis dahin hat Schromm zumindest einen neuen Co-Trainer, der gerade zum Fußball-Lehrer ausgebildet wurde: Daniel Wimmer, 33, war bis vergangenen Herbst noch U19-Coach. "Er hat sich entschieden, dem Verein zu helfen." Schromm fügt an: "Hut ab." Er lächelte in diesem Moment ausnahmsweise nicht. Das meinte er völlig ernst.

© SZ vom 10.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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