Fußball:"Die Zeit der Mäzene ist vorbei"

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"Ich bin so geradlinig, dass es manchmal wehtut. Aber ich muss auch einstecken können": Manfred Schwabl, Präsident der SpVgg Unterhaching. (Foto: Imago)

Manfred Schwabl spricht im SZ-Interview über das strukturelle Defizit der SpVgg Unterhaching, Ritte auf Rasierklingen und seinen präsidialen Führungsstil

Interview von Stefan Galler und Christoph Leischwitz

Im Juni 2012 übernahm der ehemalige Profi Manfred Schwabl, 49, das Präsidentenamt bei der SpVgg Unterhaching. Schwabl folgte in unruhigen Zeiten auf Engelbert Kupka, der den Verein 39 Jahre lang geführt hatte. Zur Ruhe gekommen ist der Klub auch in Schwabls Amtszeit nie. Sportlich folgte der Abstieg in die Fußball-Regionalliga, wirtschaftlich kämpft die SpVgg nach wie vor um ihre Existenz. Im Zentrum der Kritik: Manfred Schwabl.

SZ: Herr Schwabl, mittlerweile steht fest, dass am 7. April die Mitgliederversammlung der SpVgg Unterhaching stattfinden wird. Zuletzt hat Kassenprüfer Christoph Hütt Sie scharf attackiert; er werde den Mitgliedern empfehlen, Sie nicht zu entlasten. Werden Sie trotzdem wieder für das Amt des Präsidenten kandidieren?

Manfred Schwabl: Zunächst warten wir mal ab, mit welcher Begründung wir nicht entlastet werden sollen, nachdem letztes Jahr die Entlastung mit einem Minus im Ergebnis erfolgte und jetzt ein Gewinn in Höhe von knapp 100 000 Euro ausgewiesen wurde. Die Nichtbenennung eines Schatzmeisters ist sicherlich ein Verstoß unsererseits gewesen. Die nächste Frage ist dann, ob ich überhaupt noch einmal antreten dürfte laut Herrn Hütt. Das wird sich noch klären. Unabhängig davon habe ich stets betont, dass ich gerne ins zweite Glied zurückgehen würde, um mich nur noch um den sportlichen Bereich kümmern zu können. Aber dafür muss jemand anderes seinen Hut in den Ring werfen und in dem Sinne weitermachen wie zuletzt, also weiter auf Nachwuchsarbeit setzen. Ich gehe ergebnisoffen in die Versammlung. Wenn es ein neues Präsidium gibt und meine Mitarbeit weiter gewünscht wird, kann ich mir das vorstellen.

Bereuen Sie angesichts der heftigen Kritik, das Amt übernommen zu haben?

Überhaupt nicht. Wenn man den Kopf vorne raushält, ist doch klar, dass man Wind abbekommt. Aber ich muss schon zugeben, dass ich nicht gedacht hätte, dass es so schwer ist, einen Verein zu leiten. Ich kann da nur den Hut ziehen vor meinem Vorgänger Engelbert Kupka und Toni Schrobenhauser (ehemaliger Schatzmeister, Anm. d. Red.), wie die das über so viele Jahre gemacht haben.

Ihnen wird - wie Ihren Vorgängern - vorgeworfen, Sie informierten nicht transparent über finanzielle Belange im Verein.

Ich kann doch nicht mit den Zahlen jeden Tag über den Marktplatz laufen. Der jährliche Aufwand für eine Regionalligasaison beläuft sich auf zwei bis 2,5 Millionen Euro. Wir bekommen kein Fernsehgeld, hatten Einnahmen über den DFB-Pokal und über den Verkauf von Florian Niederlechner an Mainz. Viele vergessen, wie viel das Nachwuchs-Leistungszentrum (NLZ) mit seinen hauptamtlichen Mitarbeitern kostet. Wir haben jeden Monat 120 000 Euro Personalkosten im Gesamtverein. Ausgeschüttet an Team, Trainer und Mitarbeiter der Geschäftsstelle haben wir nach dem DFB-Pokal-Achtelfinale etwa 250 000 bis 300 000 Euro. Damit bleiben uns aus dem Pokal etwa 700 000 Euro und inklusive Niederlechner-Nachvergütung 1,3 Millionen - das kommt aber nicht jedes Jahr. Da fehlt also grundsätzlich immer etwas. Wir haben den Verein mit etwa 850 000 Euro negativem Eigenkapital übernommen, jetzt sind wir bei etwa einer Million. Dabei haben wir keine Großspende erhalten. Es gibt noch das Darlehen einer Privatperson, für das ich privat bürge. Wenn ich als Präsident nicht will, dass wir komplett in Richtung Breitensport gehen, muss ich diese finanziellen Lücken selbst schließen.

Der Vorwurf der persönlichen Bereicherung ist also aus der Luft gegriffen?

Ich habe einen siebenstelligen Betrag gemeinsam mit meiner Familie in den Verein investiert. Wie soll ich mich bereichern an einer Firma, in der ich selbst voll engagiert bin? Das ist doch völlig paradox. Die Lizenzierung ist in Unterhaching immer ein Ritt auf der Rasierklinge, das war bei meinen Vorgängern auch schon so. Ich bin selbst ins Risiko gegangen, sonst gäbe es den Verein in dieser Form nicht mehr.

Ärgert es Sie, dass im Verein so großer Widerstand aufkam, als Sie Pro Sieben Sat 1 als möglichen strategischen Partner an der Angel hatten?

Man will hier Profifußball, man will solche Pokalabende wie die gegen Leipzig und Leverkusen, man will ein NLZ. Aber manche wollen keine Ausgliederung der Profiabteilung und keinen strategischen Partner, weil man damit angeblich das Tafelsilber hergibt. Dann bleibt doch nur noch das Mäzenatentum, denn Sponsoring ist nicht so einfach, speziell hier in Unterhaching, das haben die Volleyballer zum Schluss extrem erfahren müssen. Man muss sehen, wie der Gegenwert für einen Sponsor ist, wenn er in die Regionalliga investiert. Dass uns etwa die Firma Swiss Life mit einem sehr hohen Betrag die letzten Jahre im Jugendbereich unterstützt hat, kann ich mir selbst zuschreiben. Das lief alles durch persönliche Gespräche.

Ist das Thema Investor vom Tisch?

Ich habe in den Gesprächen gemerkt, dass die Verantwortlichen nicht mehr so euphorisch waren. Das lag wohl an der Gesamtsituation, aber auch an der Stimmung im Verein. Der potenzielle Partner bekam ja ständig das Gefühl vermittelt: Die wollen uns gar nicht.

Wie weit waren die Gespräche denn?

Fakt ist: Es gab ganz konkrete Verhandlungen, die sehr weit waren und mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Und zwar mit den Geschäftsführern des Konzerns. Man hat von Seiten des potenziellen Partners sehr genau darauf geachtet, was veröffentlicht wurde. Immer wenn etwas in der Zeitung stand, war wieder eine gewisse Unruhe da. Dass ich den Verein verramschen wollte, ist pure Polemik. Im Verhandeln bin ich, glaube ich, nicht so schlecht.

Sie stecken eigenes Geld in den Verein, ohne Rückendeckung zu spüren - warum?

Weil mich das Projekt reizt, weil mein Herz aufgeht, wenn ich unsere Talente auf dem Platz sehe. Und eine soziale Ader muss man natürlich auch haben, wenn man so etwas macht. In den vergangenen drei Jahren hat jedenfalls nie einer meiner Kritiker einen Blick in die Bücher geworfen, sonst hätte derjenige feststellen müssen, dass der Verein ohne finanzielle Zuwendungen durch die Verantwortlichen gar nicht überleben würde.

Ein anderer Vorwurf gegen Sie lautet: monarchistisches Verhalten. So ist zum Beispiel Schatzmeister R obert Perchtold im vergangenen März zurückgetreten, bekannt wurde das aber erst im August.

Robert Perchtold war nicht nur als Schatzmeister im Präsidium, seine Kanzlei hat auch die gesamte Buchhaltung übernommen - und daran hat sich bis heute null Komma null geändert. Wir sind im permanenten Austausch mit der Kanzlei, die einen überragenden Job macht. Wir haben uns mittlerweile auch ausgesprochen. Es geht schon mal härter zu, wenn ein Verein ständig im Überlebenskampf ist. Ich kann ihn auch ein bisschen verstehen. Er ist komplett durchstrukturiert, das sind wir hier eben nicht - aus welchen Gründen auch immer. Und dass Perchtold dann auch mal sagt: Macht euer Zeug doch selber, da habe ich ihn schon verstanden. Der Fehler war, nicht sofort einen Nachfolger geholt zu haben. Das ist ehrlich gesagt aber auch nicht so leicht.

Auch Ihr Führungsstil wird kritisiert.

Na ja, ich höre seit Herbst immer, ich verliere die Gefolgschaft, dass zum Beispiel alle Jugendtrainer zurücktreten - dabei sind Stand heute immer noch alle da. Ich verstehe mittlerweile den Wildmoser. Der hat bei 1860 auch ständig ums Überleben gekämpft. Es ist wie auf dem Spielfeld: Ab und zu musst du dazwischenhauen. Und jeder hat da eine andere Art. Ich bin so geradlinig, dass es manchmal wehtut. Aber ich muss auch einstecken können.

Gab es in den vergangenen drei Jahren etwas, das Sie sich selbst vorwerfen?

Fehler passieren natürlich genug, auch bei mir. Wenn es mal wieder finanziell gebrannt hat, dann habe ich oft selbst überbrückt. Ich muss mir vorwerfen, das einfach immer getan zu haben, anstatt zu sagen: Leute, jetzt brauchen wir Hilfe von außen. Deshalb war ich jetzt auch ein bisschen enttäuscht, dass man schon im Vorfeld einen möglichen strategischen Partner ablehnt - ohne Details zu kennen -, wo man jahrelang gesucht hat. Dieses Ziel verfolgten auch schon meine Vorgänger.

Die laufende Saison ist angeblich noch nicht durchfinanziert. Wie viel fehlt?

Ich schätze 300 000 Euro. Aber es braucht keiner Angst zu haben, dass ich nicht bis zum Ende meiner Amtszeit dastehe.

Wenn Sie am 7. April jemand ablöst, muss er also erst einmal viel Geld mitbringen.

Oder eine ganz andere Idee. Die Kernfrage lautet doch: Will die SpVgg bezahlten Fußball? Selbst wenn jetzt noch ein Mäzen kommt, irgendwann ist die Zeit des Mäzenatentums auch vorbei. Wenn ich das NLZ behalten und bezahlten Fußball haben will, dann wird das ohne Ausgliederung wohl nicht gehen. Das ist meine Überzeugung auf Basis von drei Jahren Erfahrung.

© SZ vom 12.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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