Fußball:Bis der Gegner schlapp macht

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Gold wert: Die Dribblings von Thomas Steinherr (re., im Spiel gegen Rosenheim) beleben das Hachinger Spiel - vor allem von der 60. Minute an. (Foto: Claus Schunk)

Der unermüdliche Thomas Steinherr ist ein wichtiger Erfolgsfaktor bei der SpVgg Unterhaching

Von Christoph Leischwitz, Unterhaching

Manfred Schwabl hat ein Gespür dafür, wenn sich Fußballer einsam fühlen. Wann ein guter Zeitpunkt wäre, sie anzurufen. "Es war eine brutal schwere Zeit", sagt Thomas Steinherr über die Saison 2014/15. Er war damals vom Drittligisten SpVgg Unterhaching zum Zweitligisten VfR Aalen gewechselt, ein logischer Schritt in der Karriere eines 21-jährigen, quirligen Mittelfeldspielers. Doch dann: kein einziger Einsatz. Auch für die zweite Mannschaft bestritt er nur zwei Spiele - zwei weite Auswärtsfahrten, bei denen er plötzlich eingesetzt wurde. "So etwas hatte ich in der Form noch nie erlebt, dass ich so gar nicht spiele", sagt er heute. Das Problem war freilich: Wer gar nicht spielt, kann sich auch für keinen anderen Verein empfehlen. Dann kam der Anruf aus Unterhaching. Sekunden später war die Rückkehr - obwohl Haching inzwischen abgestiegen war - die beste Option.

Steinherr spricht nicht gerne über die Zeit in Aalen. Doch es ist wichtig, sie zu erwähnen. Denn sie erklärt, wie Unterhaching für das Talent aus dem Landkreis Friedberg zur neuer Heimat wurde, warum er hier so viel Spaß hat. Und ein bisschen auch, warum umgekehrt Unterhaching zurzeit so viel Spaß an ihm hat.

"Auf oder neben dem Platz?", fragt Trainer Claus Schromm zurück, wenn er über Steinherrs Stärken sprechen soll. Er sei für beides wichtig, und das, obwohl er in der aktuellen Startelf des Regionalliga-Spitzenreiters der zweitjüngste Spieler ist. Er macht in der Kabine offenbar ebenso Betrieb wie auf der linken Mittelfeldseite. Er ist irgendwie einfach immer da. "Schon lange vor dem Training, und lange danach", ergänzt Schromm. Manchmal höre man noch Stunden nach dem Training Musik aus der Kabine. Die erwartbaren Anführer, das waren andere: Sascha Bigalke, Stephan Hain oder Dominik Stahl haben eben schon höherklassig gespielt. Doch Steinherrs Qualitäten seien "Gold wert", sagt Schromm: Seine vier Tore und acht Vorlagen sind dafür sogar noch ein eher schwaches Indiz. Steinherr macht mit seinen Sprints, Solos und Eins-gegen-eins-Situationen so viel Tempo, dass allein schon dank der gelaufenen Kilometer ein Plan aufgeht: "Da merkt man in dieser Liga, dass ab der 60. Minute ein paar Gegner wegbrechen. Und wir können eben bis zur 90. Minute weitermachen", sagt Steinherr. Zumindest, sofern das nötig ist.

Es ist deshalb auch kein Zufall, dass sich gegen Steinherr besonders viele Gegner nur mit Fouls zu helfen wissen. "Ich bekomme heuer schon besonders viel ab", sagt er selbst. Eine Szene, die Steinherrs Einstellung zum Spiel besonders gut beschreibt, ist seinem Trainer im Gedächtnis geblieben: Bei der SpVgg Bayreuth vor einem Monat sah sein Gegenspieler kurz vor der Pause die rote Karte, doch laut Schromm hätte er sie schon früher sehen können. "Der Tom macht bei dem harten Foul eine Flugrolle, kommt aber wieder auf den Füßen auf und zeigt dem Schiedsrichter an: Vorteil", also weiterspielen. Mit anderen Worten: Oft ignoriert Steinherr die Härte der Gegner einfach. Fliegen kann er bisweilen auch nach eigenen Toren, die er gerne mit einem Salto feiert.

Er hat sich eben immer durchbeißen müssen. "Ich habe das oft gehört in der Jugend, auch von gegnerischen Trainern: Na ja, der ist halt zu schwach." Steinherr ist nur 1,70 Meter groß und eher schmächtig, wobei er in den vergangenen Jahren gut erkennbar an seiner Robustheit gearbeitet hat. Ebenso an seinem Defensivspiel und am ersten und letzten Kontakt. Er scheint solche Schwächen schnell loswerden zu können, wenn er entsprechend gefördert wird: Beim FC Stätzing ist zu hören, dass Steinherr in der Kindheit eigensinnig spielte und alle Tore selbst schießen wollte. Davon ist heute nichts mehr zu sehen.

Am Wochenende spielt Haching bei Greuther Fürth II, dort ist heute Aalens Ex-Trainer Stefan Rutenbeck Chefcoach. Alles andere als ein Sieg wäre eine Überraschung. Steinherr findet, der aktuelle Kader zeige qualitativ kaum Unterschiede zum damaligen Aalener Zweitliga-Kader. Doch auch, wenn in der Relegation etwas schief laufen sollte und es mit dem Aufstieg doch nicht klappt - Unterhaching ist seine Heimat geworden. Der Verein kann Spielern wie ihm zwar nicht viel zahlen, dafür haben sie ihm eine Ausbildung in einem Hachinger Reisebüro besorgt, mit sehr flexiblen Arbeitszeiten. "Ich kann mir vorstellen, dass ich hier nie mehr weggehe. Außer, der FC Bayern ruft an", sagt er und lacht. Schromm erzählt, Steinherr habe "einfach immer seine Bappn offen". Aber auch was dort herauskomme, sei fast nur positiv.

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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