Fußball:Außenstelle Eichin

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"Ich sehe mich da auch als Moderator": Die Zusammenarbeit mit Investoren kennt Thomas Eichin schon aus seiner Zeit bei den Kölner Haien. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Bis Anfang August will sich der neue Sportchef der Münchner Löwen vom Tagesgeschäft fernhalten. Mit Vermittlern telefoniert er natürlich trotzdem. Zurzeit sind die Flügelstürmer Andrade und Ukra als Zugänge im Gespräch, Kapitän Christopher Schindler wechselt für 1,5 Millionen Euro in die zweite englische Liga

Von Markus Schäflein, München

Am Montagmittag stellte sich beim Fußball-Zweitligisten TSV 1860 Thomas Eichin im Pressecontainer vor, der neue - ja, der neue was eigentlich? "Ich bin erst mal als Head of Sports engagiert", erklärte der 49-Jährige, "die Bezeichnung ist egal. Ich übernehme die Verantwortung im sportlichen Bereich, dabei wird es erst mal bleiben." Erst mal. Denn wie zuletzt bei Werder Bremen soll Eichin auch bei 1860 Geschäftsführer sowohl für den Sport als auch für die Finanzen werden, die beiden zuletzt getrennten Bereiche sollen wieder vereint werden. Allerdings firmieren derzeit Markus Rejek (Finanzen) und Noor Basha (Sport) noch als Geschäftsführer, wenngleich der jordanische Investor Hasan Ismaik schon vor Monaten deren Demission gefordert hatte. Solange deren Zukunft nicht final geklärt ist, bezeichnet sich Eichin also als Head of Sports. "Man kann auch Sportchef sagen. Geschäftsführer sind Rejek und Basha", erklärte Präsident Peter Cassalette, "was sich da noch verschiebt, war heute nicht das Thema. Mal schauen, welche Verantwortungsbereiche Thomas Eichin noch dazu übernimmt."

Seine Räumlichkeiten nahm der Neue schon in Augenschein, er zog aber noch nicht an der Grünwalder Straße 114 ein. "Meine Bedingung war, dass ich erst am 1. August hier in der Geschäftsstelle beginne", erklärte er, "ich war zwar heute schon oben, aber ich werde mich die nächsten Wochen ganz stark darauf konzentrieren, die Mannschaft zusammenzustellen. Wenn du direkt im Office anfängst, zerfrisst dich das Tagesgeschäft." Vorerst arbeitet Eichin also quasi als externer Kaderplaner, und ob er hierbei von München aus telefoniert oder von anderswo, spielt keine Rolle. "Viele, viele Agenten wollen mich sprechen und Spieler anbieten", berichtete Eichin.

Sein erster Zugang könnte der 20-jährige Brasilianer Victor Andrade von Benfica Lissabon werden, der laut portugiesischen Medienberichten am Dienstag bereits zum Medizincheck nach München kommen soll. Zuletzt war der Flügelstürmer an Vitória Guimarães ausgeliehen und kam dort auf sieben Einsätze in der ersten portugiesischen Liga. "Er ist ein guter, talentierter Spieler", sagte Eichin, "schauen wir mal, ob das passt." Zudem ist Ukra, 28, ein weiterer Flügelstürmer aus dieser Spielklasse, im Gespräch. Er spielte zuletzt bei Rio Ave, zuvor stand er auch beim FC Porto und beim SC Braga unter Vertrag.

Dass in der Giesinger Gemengelage mit einem jordanischen Investor als Mit- oder faktischem Hauptgesellschafter schon etliche Vorgänger nicht unbedingt an sich selbst gescheitert sind, scheint Eichin tatsächlich nicht zu stören. "Mich interessiert relativ wenig, was vorher war. Ich finde diese Situation mit zwei Gesellschaftern hier bei 1860 sehr beeindruckend", sagte er, wobei beeindruckend ja eine durchaus treffende Formulierung ist. "Ich habe sehr überzeugende Gespräche gehabt, auch mit Hasan Ismaik. Und ich bin es gewohnt, mit Investoren zu arbeiten, aus meiner Zeit bei den Kölner Haien. Ich sehe mich da auch als Moderator." Bei dem Eishockey-Klub hatte der frühere Gladbacher Bundesliga-Fußballer mehr als zehn Jahre lang als Geschäftsführer gearbeitet.

Eichin hält es für eine "spannende Aufgabe, aus dem Verein das Mögliche herauszuholen". Er weiß, dass bei Sechzig mittlerweile so viel namhaftes Personal an dem Konstrukt gescheitert ist, dass er fast nur gewinnen kann. "Wichtig ist, dass wir loslegen und nicht so viel Zeit verstreichen lassen", sagte er. Es gebe allerdings "viele Situationen, die noch ungeklärt sind" - gemeint sind Spieler, die noch unter Vertrag stehen, aber gehen dürfen oder sollen wie etwa Michael Liendl oder Ilie Sanchez. Auch bei einer derzeitigen Bestandsaufnahme hat Sechzig allerdings bereits elf Spieler abgegeben; dass Kapitän Christopher Schindler nach Huddersfield in die zweite englische Liga geht, findet Eichin "sehr schade", es sei aber nicht zu verhindern gewesen: "Er hatte die Möglichkeit, mit einer Klausel aus seinem Vertrag rauszukommen." Gut 1,5 Millionen Euro Ablöse soll Sechzig erhalten.

Er werde nun "mit dem Trainer analysieren, wo der Schuh drückt", sagte Eichin. Er kenne die bestehende Mannschaft sehr gut, schließlich habe er in der vergangenen Spielzeit wegen des Bremer Leihspielers Levent Aycicek "fast jedes Spiel" der Löwen gesehen. Eichin dürfte daher erahnen, wie viel zu tun ist: "Die Mannschaft muss ein Profil bekommen, damit wir erst einmal in die Liga reinfinden und den ersten Schritt gehen können." Er sei am Sonntag "mit Kosta schon drei Stunden zusammengesessen" und habe debattiert. Von Trainer Runjaic hält Eichin sehr viel, er sagte: "Wenn ich damals schon in der Verantwortung gewesen wäre, hätte ich mich auch für ihn entschieden."

© SZ vom 28.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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