Fußball:Auferweckung der Totgesagten

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In die Parade gefahren: Raphael Obermair, links, beim FC Bayern für nicht gut genug befunden, stoppt in dieser Szene den Münchner Jann Fiete Arp und erzielt später das entscheidende 2:0 für den 1. FC Magdeburg. (Foto: Jan Huebner/imago)

Beim 1:2 des FC Bayern II in Magdeburg treffen ausgerechnet zwei Spieler für das Schlusslicht, die einst von der Säbener Straße weggeschickt wurden.

Von Stefan Galler, München

Gefürchtet ist der FC Bayern bei der Konkurrenz in der Fußball-Bundesliga ja nicht nur wegen seiner dominierenden Rolle und der Tatsache, dass man schon mal böse unter die Räder kommen kann, wenn der Rekordmeister so richtig in Fahrt ist. Auch auf dem Transfermarkt sollte man schnell die Rollläden runterlassen, wenn die Münchner auf Shoppingtour sind. Bevorzugt haben es die Bayern dabei seit Jahrzehnten auf jene Spieler abgesehen, die ihnen selbst das Leben schon mal schwer gemacht haben: Von Calle Del'Haye bis Robert Lewandowski hat sich diese Einkaufspolitik eisern gehalten.

Und weil die Bayern in den vergangenen Dekaden eben eher ein Käufer- als ein Ausbildungsverein waren, schafften es beim Branchenführer nur die wenigsten Talente, sich für höhere Weihen zu empfehlen. Wer schon in der Jugend weggeschickt wird, der hat dann womöglich noch eine Rechnung offen. Das könnte auf Maximilian Franzke und Raphael Obermair zutreffen, denen die große Karriere an der Säbener Straße verwehrt blieb - und die beide mittlerweile beim Drittligisten 1. FC Magdeburg gelandet sind.

Am Samstagnachmittag schlug dann gegen den FC Bayern II endlich die große Stunde des Duos: Mit ihren Toren verhalfen sie dem bisherigen Tabellenschlusslicht zum zweiten Saisonsieg - am Ende hieß es 2:1 (0:0) für das Team von Trainer Thomas Hoßmang, der dadurch vermutlich bis auf Weiteres seinen Arbeitsplatz gesichert hat. "Kompliment an die Jungs, sie haben neunzig Minuten gefightet und sich gegenseitig unterstützt", sagte Hoßmang sichtlich euphorisiert.

Bayern-Coach Holger Seitz war nach der Partie wenig überraschend nicht ganz so guter Laune wie sein Gegenüber: "Der Sieg für Magdeburg ist verdient, weil wir es von der ersten Sekunde an nicht geschafft haben, unser Spiel durchzudrücken", grantelte er. Die Gründe dafür lieferte der Fußballlehrer gleich nach: "Mit dem Ball hatten wir zu viele Ungenauigkeiten, zu viele kleine Fehler im Passspiel, im Freilaufverhalten und im Positionsspiel. Und im Defensivspiel fehlte es uns an Entschlossenheit, Zweikampfhärte und Zielstrebigkeit, um Eins-gegen-eins-Situationen zu gewinnen." Kurz: Es fehlt an allem.

Dabei hätte die Partie womöglich eine völlig andere Wendung genommen, wären die Münchner mit ihrer ersten Chance erfolgreich gewesen: Leon Dajaku brachte eine Flanke aus dem rechten Halbfeld vors Tor, Nicolas Kühn scheiterte aus kurzer Distanz am glänzend reagierenden Morten Behrens im FCM-Tor (8.). Und als Fiete Arp nach gut 20 Minuten einen Freistoß aus etwa 22 Metern um die Mauer herum ans Außennetz setzte und später Timo Kern nach einer Ecke knapp am Tor vorbei köpfelte (42.), dachte man, die spielerische Klasse der Münchner werde sich schon irgendwann durchsetzen.

Doch diese von Klub-Legende Joachim Streich vor dem Spiel als "tote Mannschaft" bezeichneten Magdeburger erwachten dann doch zum Leben. Kurz vor der Pause konnte Jamie Lawrence gerade noch gegen Luka Sliskovic blocken (44.). Gleich nach dem Wechsel bereitete dann Obermair vor, der gebürtige Münchner Franzke - zwischen 2010 und Januar 2020 bei den Bayern - ließ FCB-Verteidiger Kilian Senkbeil ins Leere laufen und traf zum 1:0 (49.). Und gut zehn Minuten später war dann der gebürtige Priener Obermair selbst an der Reihe. Er war zwischen 2016 und 2018 bei den Roten und unter Carlo Ancelotti sogar mal mit den Profis im Trainingslager. In der 60. Minute ließ er Dennis Waidner im Laufduell keine Chance und erhöhte auf 2:0.

Erst in der Schlussphase kamen die Bayern noch einmal auf. Arp wurde im Strafraum von Dominik Fürst zu Boden gezogen, den folgenden Elfmeter verwandelte Timo Kern zum 2:1-Anschlusstor. Die einzige Ausgleichschance vergab dann Lawrence in der Nachspielzeit nach einem Eckball. "Ich frage mich, warum es einen 0:2-Rückstand gebraucht hat, bis wir die Dinge so angegangen sind, wie es in der dritten Liga notwendig ist", sagte FCB-Coach Seitz, der am Mikrofon von Magentasport auf ein angebliches Abseitstor von Fiete Arp beim Stande von 1:0 nicht eingehen wollte: "Heute müssen wir woanders ansetzen als über Schiedsrichterentscheidungen zu sprechen."

© SZ vom 09.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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