Fußball:Applaus fürs Lebenswerk

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Neuer Geschäftsführer, alter Präsident: Uli Bergmann (li.) arbeitet künftig hauptamtlich für den FC Pipinsried. Konrad Höß lebte das Ehrenamt. (Foto: Günther Reger)

Konrad Höß tritt nach einem halben Jahrhundert als Präsident des FC Pipinsried ab - der Klub wird umstrukturiert.

Von Christoph Leischwitz, Pipinsried

Das Vereinsheim ist jener Ort, an dem die Geschichte eines Fußballklubs am ehesten sichtbar wird. Dort hängen Wimpel von prominenten Gäste-Mannschaften, dort stehen Pokale, und dort hängen Fotos von Gründervätern, die oftmals nur noch die Herren am Stammtisch persönlich gekannt haben. In Pipinsried ist das ein wenig anders. An der Stirnseite der Stube kann man auf einem etwas unscharfen Schwarz-Weiß-Foto sehen, wie Konrad Höß mit kurzer Hose und einem Fußball im Arm in ein Auto steigt. Dieser junge, grinsende Höß blickte am vergangenen Freitagabend auf ein Szenario, von dem trotz jahrelanger Ankündigung viele dachten, es würde nie passieren: Er blickte auf den 50 Jahre älteren Höß, wie er als Präsident des FC Pipinsried abtrat, zehn Tage nach seinem 77. Geburtstag. Der einerseits von den 88 erschienenen Mitgliedern viel Applaus bekam. Andererseits aber ein "komisches Gefühl im Magen" hat, was die Zukunft des Klubs angeht.

Noch vor der nächsten Saison soll die erste Mannschaft in eine GmbH ausgegliedert werden

Wahrscheinlich ist das normal. Wer ein halbes Jahrhundert lang sein Herzblut in eine Sache steckt und dann mit ansieht, wie andere dieses Lebenswerk übernehmen, dem darf schon mal etwas mulmig werden. Er übergebe einen Verein in einem "hervorragenden Zustand", zuletzt habe er sogar noch die Hecken geschnitten, sagte er. Auch wenn es natürlich ein wenig problematisch ist, dass es seit 14 Jahren keine satzungsgemäße Mitgliederversammlung gegeben hat, geschweige denn eine Wiederwahl. Es sei aber jedes Jahr sauber abgerechnet worden, versichert Höß.

Im Moment könne er auch noch gar nicht sagen, wie viel Zeit er noch in den Verein stecken will. Ob er zum Beispiel weiter den Rasen pflegt, sein größtes Steckenpferd. Denn in Zukunft soll mehr trainiert werden, und vielleicht kommt er dann mit der Pflege nicht mehr hinterher. Doch wahrscheinlich, sagt Höß, rufen sie sowieso noch oft bei ihm an, weil sie Fragen haben: "Die wissen ja nicht mal, wo man die Heizung an- und ausschaltet", glaubt Höß.

Die, das sind Roland Küspert, der Höß-Nachfolger auf dem Posten des Ersten Vorsitzenden, und Martin Schmidl, ehemaliger Spieler und nun Stellvertreter. "Ja ja, er bezeichnet uns gerne als seine Lehrlinge. Aber die Lehrzeit wird kurz sein", sagt Küspert. Außerdem werden der aktuelle Manager Roman Plesche sowie Uli Bergmann, der parallel Abteilungsleiter beim Landesligisten SC Oberweikertshofen bleibt, als hauptamtliche Geschäftsführer arbeiten. Sie konnten die Mitglieder davon überzeugen, dass der Verein neu strukturiert werden muss. Fast alle Wahlen am Freitag fielen einstimmig aus, jene bezüglich der Ausgliederung der ersten Mannschaft in eine GmbH verzeichnete drei Gegenstimmen. Das Präsidium wolle die Ausgliederung noch vor der nächsten Saison auf den Weg bringen, erklärt Küspert.

Selbst Höß sagt, dass dieser Schritt sinnvoll ist - "wenn man in der Regionalliga bleiben will". Der Arbeitsaufwand sei ja ehrenamtlich kaum zu stemmen. Er ist sogar einer der Gründe, warum Höß nun aufhört, abgesehen von seinen gesundheitlichen Problemen und jenen seiner Frau. Die Ausgliederung juristisch auf den Weg gebracht und den Mitgliedern in der vierstündigen Sitzung schmackhaft gemacht hatte übrigens Höß' Sohn Reinhard. Besorgte Mitglieder erkundigten sich, ob man Gefahr laufe, die 50+1-Regel auszuhöhlen, man wolle keinesfalls Zustände wie bei 1860, wo ein vereinsfremder Investor aufgrund finanzieller Not die Macht habe an sich reißen können. Küspert, lautete die Antwort, werde als Präsident zu 51 Prozent an der GmbH beteiligt sein. "Ich werde nichts tun, was den Mitgliedern gegen den Strich geht", betont Küspert selbst.

Der neue und alte Sportliche Leiter Roman Plesche betont außerdem, dass man das Image des Dorf- und Kultklubs unbedingt beibehalten wolle. Es wird auch weiterhin die legendären Wurstsemmeln geben, auch wenn sie nicht mehr von Höß' Frau geschmiert werden. Plesche und die anderen hatten es vor der Wahl nicht gesagt, doch hätten die Mitglieder einer Ausgliederung nicht zugestimmt, dann wären er und einige andere nicht mehr lange für Pipinsried tätig gewesen. "Doch man hat gemerkt: Die Mitglieder wollen", sagt Plesche. Das einstimmige Votum versteht er als Signal, den FCP trotz aller Widrigkeiten möglichst hochklassig spielen zu lassen. Das bedeutet für ihn im Umkehrschluss: "Sollten wir absteigen, kämpfen wir mit aller Macht um den Wiederaufstieg."

Kurz vor der Versammlung hätte es beinahe noch einen Eklat gegeben. Der Verein hatte in einer E-Mail darauf hingewiesen, dass keine Presse zugelassen werde - vermutlich aufgrund der Gefahr, dass die eine oder andere vereinsrechtliche Ungereimtheit publik wird. Als Höß davon erfuhr, soll er stinksauer gedroht haben, die Veranstaltung sofort abzubrechen, falls Journalisten der Eintritt verwehrt wird. Es war wohl seine letzte erfolgreiche Amtshandlung.

Ob er loslassen kann? Während Konrad Höß am Tag danach darüber sinnierte, ob er sich noch um den Rasen kümmern sollte oder nicht, klingelte das andere Telefon. "War meine Frau", sagte Höß: "Die ist unverbesserlich." Sie fahre gerade gemeinsam mit Küspert zum Testspiel nach Landshut.

© SZ vom 19.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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