Frauenfußball:Zentrale Position

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Gleich in ihren ersten Spielen für den FC Bayern deutet Europameisterin Melanie Leupolz an, warum der Bundesligist sie unbedingt wollte: Mit der 20-Jährigen verbindet der Klub die Hoffnung, endlich dem Top-Trio Wolfsburg, Frankfurt und Potsdam Konkurrenz machen zu können

Von Anna Dreher, München

Silvia Neid kommt nicht allzu oft nach München, um die Spiele des hiesigen Frauenfußball-Bundesligisten zu beobachten. Den Saisonauftakt des FC Bayern gegen den 1. FFC Frankfurt vor zwei Wochen (1:1) aber schaute sich die Bundestrainerin gemeinsam mit dem Torwarttrainer der Nationalmannschaft, Michael Fuchs, live an. Die beiden saßen auf den oberen Rängen des Grünwalder Stadions, geschützt vor dem Regen und mit guter Sicht auf das Spielfeld. Insgesamt sieben Spielerinnen der DFB-Auswahl standen auf dem Platz. Und Neid gefiel, was sie sah: Sie lächelte viel und wirkte sehr entspannt.

Auf Seiten des FC Bayern München fiel vor den anstehenden WM-Qualifikationsspielen am kommenden Samstag gegen Russland und nächste Woche Mittwoch gegen Irland nicht nur die DFB-Stammkraft Melanie Behringer auf. Zugang Melanie Leupolz demonstrierte, warum Neid die 20-Jährige in die Nationalmannschaft berufen hat und warum der FC Bayern die Mittelfeldspielerin unbedingt verpflichten wollte. Schon im Februar stand ihr Wechsel vom SC Freiburg an die Säbener Straße fest. "Melanies spielerisches Potenzial ist für ihr Alter enorm. Sie ist sehr begabt, spielintelligent, athletisch und flexibel einsetzbar", sagt Bayern-Trainer Thomas Wörle. "Sie kann mit sehr wenigen Kontakten schnell nach vorne spielen und die entscheidenden Pässe geben."

Der bayerische Erstligist war schon lange an Leupolz interessiert, und spätestens seit dem Gewinn der Europameisterschaft im Juli 2013 wurde sie mit zum wertvollsten Transfer dieser Saison. Ihr Wechsel ist im Verein mit der Hoffnung verbunden, nicht mehr der beste Club hinter dem scheinbar unantastbaren Trio VfL Wolfsburg, 1. FFC Frankfurt und 1. FFC Turbine Potsdam zu sein, sondern wieder um Titel mitspielen zu können. FCB-Managerin Karin Danner bewertet den Kader - gespickt mit Nationalspielerinnen aus neun Ländern - als stärksten der vergangenen Jahre und durchaus konkurrenzfähig.

Im Projekt Titeljagd spielt Melanie Leupolz, die beim FC Bayern einen Dreijahresvertrag bis 30. Juni 2017 unterschrieben hat, eine zentrale Rolle. Aussichten, die die ehrgeizige Fußballerin überzeugt haben, Angebote anderer Vereine auszuschlagen und nach München zu wechseln. "Thomas Wörle hat ein gutes Konzept. Er hat mir genau gesagt, wie er mit mir und der Mannschaft arbeiten will. Hier muss ich mich wieder neu beweisen, der Konkurrenzkampf ist hart. Aber nur so kann ich mich entwickeln", sagt sie. "Ich hatte sehr hohe Erwartungen an den Trainer und das Team und war erstaunt, wie gut dann alles tatsächlich war." Am Sonntag feierte der FC Bayern den ersten Saisonsieg, ein 2:1 bei Leupolz' altem Klub in Freiburg.

"Begabt, athletisch, flexibel": Melanie Leupolz beim 1:1 gegen Frankfurt, ihrem Bundesliga-Debüt für den FCB. (Foto: Imago)

In ihrem Umfeld habe sich durch ihre sportlichen Erfolge nichts geändert, alle würden sie ganz normal behandeln, und das sei ihr auch wichtig. Leupolz genießt die Nähe zu ihrer Familie im Allgäu, wo sie einst beim TSV Ratzenried begann. Abgesehen davon hatte der Wechsel zum FC Bayern noch einen weiteren angenehmen Nebeneffekt: Sie läuft jetzt ab und zu ihrem Vorbild Bastian Schweinsteiger über den Weg. Den EM-Gewinn hat sie ihm voraus, mit dem WM-Titel 2015 in Kanada könnte sie ihrem Idol nacheifern. "Ich habe ein gutes Bauchgefühl, wir sind eine gute Mannschaft", sagt Leupolz. "Es darf sich nur niemand verletzten. Bei Lena Lotzen hat man ja gesehen, wie schnell und ohne fremdes Einwirken das gehen kann." In ihren Worten schwingt ein bisschen Angst mit.

Die U-20-WM hatte sie wegen Rückenproblemen absagen müssen und verpasste so einen weiteren Titel. In der Nationalmannschaft will Melanie Leupolz eine zentrale Spielerin werden. In Nadine Keßler und Lena Goeßling vom deutschen Meister und Champions-League-Sieger VfL Wolfsburg hat sie aber zwei starke Konkurrentinnen. "Die sind natürlich total aufeinander eingestimmt, aber ich möchte mich ins Team kämpfen", sagt Leupolz. "Was ich mache, mache ich richtig. Ich will gut sein."

Beim SC Freiburg, zu dem sie vor vier Jahren vom TSV Tettnang wechselte, zählte sie schnell zu den Leistungsträgerinnen. Gleich in ihrem ersten Jahr feierte sie den Aufstieg in die erste Bundesliga. Inzwischen hat die 1,73 Meter große Mittelfeldspielerin 62 Bundesliga-Partien absolviert und sieben Tore erzielt. Parallel zur Vereinskarriere durchlief Leupolz von der U15 an alle Auswahlmannschaften des Deutschen Fußball-Bundes. Mit der U17 wurde sie EM-Dritte (2011), mit der U20 WM-Zweite (2012), 2013 dann Europameisterin mit der A-Nationalmannschaft. "Das ist manchmal noch wie ein Traum für mich, alles ging so schnell", sagt Leupolz. "Früher habe ich die ganzen Spielerinnen im Fernsehen gesehen und jetzt sitze ich neben ihnen im Bus. Irgendwie ist das schon alles verrückt. Aber schön verrückt."

© SZ vom 09.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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