FC Bayern München II:Tiraden vom Torwart

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Doppelpack: Timo Kern verwandelt den Elfmeter zum 3:2 für Bayern und dreht damit das Gastspiel beim SV Wehen Wiesbaden. Zuvor hatte er bereits den 1:1-Ausgleich erzielt. (Foto: Imago/Rene Schulz)

Der Drittligist setzt sich beim SV Wehen Wiesbaden nach zweimaligem Rückstand noch 4:2 durch und klettert auf Rang neun. Trainer Seitz zeigt sich beeindruckt vom Offensivspiel seiner jungen Mannschaft.

Von Stefan Galler, München

Ein Etappenerfolg wäre es gewesen für den SV Wehen Wiesbaden, diesen Vorsprung in die Pause zu retten. Doch drei Minuten vor dem Halbzeitpfiff konnte Angelo Stiller den Ball unbedrängt aus dem linken Halbfeld zur Mitte flanken und Leon Dajaku traf für den FC Bayern II per Kopf zum 2:2. Und weil Fans wegen der Pandemie draußen bleiben mussten, konnten alle Zuschauer zu Hause an ihren Endgeräten genau verstehen, wie Wehens Torwart Tim Boss dieses Gegentor fand: "Wir müssen in den sch... Zweikampf."

Wer behauptet, dass die Zuschauer in Corona-Zeiten beim Sport deshalb so sehr fehlen, weil sie für die entsprechende Atmosphäre sorgen, mag damit selbstverständlich richtig liegen. Doch Emotionen auf dem Spielfeld gibt es auch ohne Kulisse, dafür war das spannende und vor allem in der ersten Halbzeit umkämpfte Drittligaspiel am Sonntagmittag ein gutes Beispiel. Weil nach dem Wechsel ihre spielerische Klasse zum Tragen kam, siegten die kleinen Bayern am Ende verdient 4:2 (2:2) und verbesserten sich in der Tabelle auf Rang neun. "Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit der Leistung meines Teams", sagte Trainer Holger Seitz in der anschließenden Pressekonferenz. "Es hat überwiegend Spaß gemacht zuzuschauen, wie die Jungs ins Rollen gekommen sind und wie sie das Spiel mit dem Ball aufgezogen haben."

Zu den Momenten, in denen ihm das Zuschauen weniger Vergnügen bereitet hat, dürfte jener in der neunten Minute gehören, als die Wehener vor dem Bayern-Strafraum ungehindert kombinieren konnten, Sascha Mockenhaupt die Kugel mit Gefühl zur Mitte chippte und Gianluca Korte volley zum 1:0 abschloss (9.). Die Münchner versuchten, ihrer spielerischen Linie treu zu bleiben, eine erste Ausgleichschance hatte Nicolas Kühn, der per Kopf die Latte traf (13.). Und obwohl die Gäste, wie Trainer Seitz später richtigerweise feststellte, "bei Umschaltmomenten sehr aufmerksam" waren und "die wichtigen Zweikämpfe in der Defensive für uns entschieden", brauchte es einen Freistoß für den Ausgleich: Stiller flankte, Chris Richards köpfte und Torwart Boss konnte den Ball nur abklatschen - im Fallen bugsierte ihn Timo Kern über die Linie (33.).

Doch auch die Wehener haben offenbar einen Hang zu Standardsituationen. Korte flankte aus dem rechten Halbfeld, Jakov Medic bugsierte die Kugel mit einem technisch perfekten Volleyschuss aus zwölf Metern zur neuerlichen Führung für die Gastgeber ins Bayern-Tor (39.). Es folgten das eingangs geschilderte 2:2 - und die Tirade von Torwart Boss.

In der zweiten Hälfte war dann für die Hessen nicht mehr viel zu machen, was auch daran lag, dass die Seitz-Elf perfekt startete: Stiller wurde im Strafraum von Medic von den Beinen geholt, Kern verwandelte den Elfmeter sicher (48.). "Ich bin stolz auf unsere wieder mal sehr junge Mannschaft", sagte der 30-jährige Doppeltorschütze, sozusagen der Vater der Kompanie, später bei Magentasport. "Wir sind zweimal zurückgekommen, haben uns mit allen Mitteln gegen einen physisch starken Gegner gewehrt." Lediglich die Torausbeute habe am Ende nicht ganz gestimmt, fand Kern: "Wir haben noch einige Dinger liegen gelassen, das hätte auch noch höher ausgehen können."

Es hätte am Ende aber auch noch enger werden können, etwa wenn Maurice Malone eine seiner beiden Großchancen (57., 75.) genutzt hätte. Vor allem Letztere hatten sich die Bayern selbst zuzuschreiben, weil ausgerechnet Stiller, der an den ersten drei Bayern-Toren beteiligt gewesen war, einen viel zu kurzen Rückpass spielte und Malone zu lange mit dem Abschluss zögerte, ehe ihn Jamie Lawrence doch noch abfing. Dajaku und Kühn verpassten die vorzeitige Entscheidung, die dann aufs Konto von Zugang Rémy Vita ging: Einen starken Konter über Arp und Kühn schloss der Neue aus Troyes per Abstauber entschlossen zum 2:4 ab (82.). Dass sich Kühn und Arp bei einem weiteren Gegenstoß in der Nachspielzeit verhedderten, spielte keine Rolle mehr.

Die Wehener ärgerten sich hinterher ganz fürchterlich: "Gegen eine zweite Mannschaft mit so hoher individueller Qualität musst du viel körperlicher zu Werke gehen", sagte Kapitän Mockenhaupt. Trainer Rüdiger Rehm stellte zudem fest, dass man "nicht giftig genug" gewesen sei. Die Bayern dagegen sind in Fahrt - und das früher als letzte Saison, an deren Ende der Titel stand. Das wollte Timo Kern nicht kommentieren. Nur so viel: "Wir sind auf einem guten Weg."

© SZ vom 02.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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