FC Bayern München II:Meisterprüfung

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Gleich viermal muss Ron-Thorben Hoffmann den Ball aus dem Tor des FC Bayern holen. (Foto: Ulrich Gamel/kolbert-press/imago images)

Nicht mal ein Jahr nach dem Titelgewinn muss die U23 des FC Bayern den Abstieg befürchten. Den Ernst der Lage schienen beim 0:4 gegen Saarbrücken noch nicht alle Spieler verstanden zu haben

Von Christoph Leischwitz

Jamie Lawrence saß, noch im Trikot und mit hochgezogenen Stutzen, in der Halbzeit in Reihe zwei auf der Haupttribüne im Grünwalder Stadion, ein Mitspieler tröstete ihn. Das hatte sich der 18-Jährige, der sich in den vergangenen Wochen sehr viel Aufmerksamkeit erspielt hatte, sicherlich anders vorgestellt. Das Lawrence-Experiment wurde nach 26 Minuten beendet, da lag der FC Bayern II gegen den 1. FC Saarbrücken aber auch schon 0:2 zurück. Die jungen Bayern wirkten mit den überfallartigen Angriffen der Gäste völlig überfordert, sogar schon vor dem ersten Tor durch Minos Gouras (11.). Am Ende verlor die U23 des Rekordmeisters 0:4 - womit ihr nun tatsächlich droht, als aktueller Meister der dritten Liga abzusteigen. Die Mannschaft steht auf dem drittletzten Tabellenplatz, vier steigen ab.

"Jeder Spieler muss sich fragen, was auf dem Platz passiert ist", forderte Trainer Danny Schwarz nach dem Spiel. Solche Sätze bekommt man meistens dann zu hören, wenn es ernst wird. Es steht nicht nur der Nimbus der einzigen Ausbildungsmannschaft im deutschen Profifußball auf dem Spiel; die qualitative Lücke der Spieler vom Campus zu den Profis war nach dem Aufstieg vor zwei Jahren kleiner geworden, auch wenn Chefcoach Hansi Flick lediglich Jamal Musiala dauerhaft in die erste Liga befördert hat.

Routinier Welzmüller wird nicht mal eingewechselt - ein rätselhafter Umstand

Schwarz hatte Recht: Es nun alleine an Jamie Lawrence festzumachen, "das wäre zu billig". Der Innenverteidiger war überraschend als einziger Sechser vor der Viererkette postiert worden, und besonders überraschend war daran, dass in Maximilian Welzmüller ein erfahrener defensiver Mittelfeldspieler auf der Bank saß. Zugleich ist ein weiterer der wenigen routinierten Ü23-Spieler, Timo Kern, zurzeit verletzt, er wird wegen Achillessehnenproblemen in der aktuellen Saison auch nicht mehr spielen. Welzmüller wurde am Montagabend nicht eingewechselt - ein geradezu rätselhafter Umstand. Zumal die Mannschaft nicht erst seit dem Spiel gegen Saarbrücken im Abstiegskampf steckt.

Die Idee sei gewesen, erläuterte Schwarz nach dem Spiel, dass der zwei Meter große Lawrence mit seiner "körperlichen Präsenz" bestechen sollte, die er fraglos hat. Diese Position habe er auch schon öfter gespielt, es sei deshalb "gar nicht so abwegig" gewesen, ihn dort einzusetzen. "So ist es im Trainer-Business: dass Dinge manchmal nicht aufgehen." Das Duo Schwarz und Martin Demichelis räumte sich selbst also sehr wohl eine Teilschuld ein. Aber eben nur eine Teilschuld. Auf die Frage, wie man die Spieler nun aufrichten könne, sagte Schwarz: "Erst einmal gar nicht. Das ist einfach so, das hinterlässt Spuren."

"Das war Herrenfußball gegen Juniorenfußball", sagte Trainer Schwarz

Der sportliche Leiter am Bayern-Campus, Jochen Sauer, deutete kurz nach Schlusspfiff an, dass man Welzmüller durchaus hätte einwechseln können. "Es ist im Moment ziemlich viel Wirbel drin", gestand er ein. Damit meinte er vor allem, dass dem Team eingespielte Abläufe fehlen. Das ist zwar für eine U23 in gewisser Weise der Normalfall, andererseits hatte diese U23 nun schon 39 verschiedene Spieler im Kader. Vor gut drei Wochen entschieden sich die Bayern, dann auch auf der Trainerposition das zu tun, was man mit vielen Spielern tut: den Jüngeren schon einmal Drittliga-Erfahrung mit auf den Weg geben. Der bisherige Trainer Holger Seitz ging also wieder zurück ins Büro und, während der Partien, auf die Haupttribüne, er ist eigentlich Sauers Kollege für den organisatorischen Bereich.

Alle Verantwortlichen gemeinsam bemerkten nun, dass offenbar viele Spieler den Ernst der Lage noch nicht erkannt haben. "Das war Herrenfußball gegen Juniorenfußball", sagte Schwarz. "Das war in der ersten Viertelstunde kein Abstiegskampf", sagte Sauer. Und so geht der Blick nun nicht mehr nur nach unten, um zu sehen, welche Talente noch eine Drittliga-Bewährungschance erhalten sollten. Sondern auch noch oben, um zu sehen, welche Profis in den verbleibenden vier Spieltagen eingesetzt werden könnten, um der Mannschaft zum Beispiel am Mittwoch kommender Woche beim MSV Duisburg mehr Stabilität zu verleihen. Am vorletzten Spieltag, am 15. Mai, steht übrigens auch noch das Derby gegen den TSV 1860 an. Dabei gilt es zwar ein paar komplizierte Einsatzregeln zu beachten, theoretisch wäre der Einsatz von Spielern wie Marc Roca oder Bouna Sarr jedoch gut möglich. Es ist aber auch möglich, dass mehr eingebaute Spieler den besagten Wirbel nicht verringern, sondern eher noch vergrößern.

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