FC Bayern München II:Hörprobe aus Liga drei

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Ich kann euch nicht verstehen: Der Münchner Kwasi Wriedt feiert seine drei Torerfolge in Münster auf ungewöhnlich stille Art. (Foto: Marco Steinbrenner/imago)

Die U23 setzt sich klar bei Preußen Münster durch. Mann des Spiels ist der treffsichere Angreifer Kwasi Wriedt. Ob ihn das dem Profikader näherbringt?

Von Christoph Leischwitz, München

Nicht auszuhalten, dieser Jubel. Vielleicht steckte sich Kwasi Wriedt aber auch die beiden Zeigefinger in die Ohren, weil er die Empörung der gegnerischen Fans nicht hören wollte. Jedenfalls tat er das am Samstag schon in der vierten Spielminute, es sah aus wie die recht introvertierte Variante eines Torjubels. Er tat das dann erneut in der 31. Minute, was besonders schlecht ankam, weil er selbst im Spielaufbau, offenbar ohne es bemerkt zu haben, einen Gegenspieler im Zweikampf zu Boden gestreckt hatte. Ein drittes Mal in der ersten Halbzeit steckten die Finger in der 43. Minute in den Ohren. Der Stürmer des FC Bayern München II erklärte später bei Magentasport, dass diese erste Halbzeit schon "hammergut" gewesen sei, und dass er einst mit dem VfL Osnabrück sein Drittliga-Debüt in diesem Stadion gegeben hatte. Diesmal schoss er, mithilfe von Oliver Batista-Meier, dem das zwischenzeitliche 2:0 gelang (12.), die jungen Bayern zu einem unerwartet klaren 4:1-Sieg bei Preußen Münster. Der einzige Treffer für Münster durch Rufat Dadashov fiel erst kurz vor Schluss.

"Die erste Halbzeit haben wir wie aus einem Guss gespielt", schwärmte Trainer Sebastian Hoeneß, der sonst nicht zu überschwänglichen Formulierungen neigt. Kritik übte er trotzdem noch. In der zweiten Halbzeit hätte er sich, bei allem Verständnis angesichts der deutlichen Führung, eine konzentriertere Leistung gewünscht, "vor allem hätte ich gerne zu null gespielt", sagte er. Doch er war froh, dass die Effektivität vor dem Tor endgültig zurückgekehrt ist, vor allem bei Wriedt, der zuvor vier Spiele lang nicht getroffen hatte. "Wir haben ihn auch in gute Abschlusssituationen gebracht", so Hoeneß.

Vor gut zwei Jahren war Wriedt nach München gewechselt, ein bisschen auch immer wegen der Option, mal bei den Profis mitmischen zu können. Ohne den 25-jährigen Torschützenkönig der vergangenen Saison in der Regionalliga wären die Bayern wohl nicht aufgestiegen. Es ist also auch ihm zu verdanken, dass sich nun Spieler wie Michael Cuisance oder Alphonso Davies in der dritten Liga austoben können. Oder müssen, je nach Sichtweise. Jedenfalls hatte Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge in seinem vereinseigenen Geburtstags-Interview angekündigt, dass Spieler wie die neu hinzugekauften Jungprofis regelmäßig bei der U23 eingesetzt werden sollen. Was im Umkehrschluss aber auch bedeutet: Die aktuell größten Talente aus dem eigenen Nachwuchs-Leistungszentrum spielen dort dann wohl seltener. Zu ihnen zählen Batista-Meier, 18, oder auch Joshua Zirkzee, 18, der gegen Münster eingewechselt wurde und in der 85. Minute den Pfosten traf. Am vergangenen Samstag stellte sich die Frage nicht, weil die Profis fast gleichzeitig in Paderborn spielten und Cuisance und Davies dort im Kader standen. Doch das könnte schon am kommenden Sonntag anders aussehen, wenn die U23 der Bayern Eintracht Braunschweig empfängt.

Fraglich ist, ob Rummenigges Plan eigentlich auch für Spieler wie Wriedt gilt, wonach man über die Spielpraxis in der dritten Liga "Fuß fassen" könne bei den Profis? Dass etwa solch ein "hammergutes" Spiel auch dazu führen kann, dass Wriedt eine Chance bekommt, wenn Robert Lewandowski mal verhindert ist? Und wie ist es mit Sarpreet Singh, der nicht nur, aber vor allem das erste der vier Tore sehenswert vorbereitete?

Hinter all dem steckt die Frage, ob sich der 70-Millionen-Euro-Campus eigentlich rentiert, wenn die selbst ausgebildeten Talente keine Perspektive bekommen und tendenziell eher ausgeliehen werden. Adrian Fein zum Beispiel spielte gerade beim Hamburger SV, Marco Friedl ist bereits an Werder Bremen verkauft. Für den Moment überwiegt aber erst einmal die Freude, in der dritten Liga angekommen zu sein. Das war den Spielern anzusehen bei dem enormen Kabinenjubel, den der FC Bayern selbst in den sozialen Medien verbreitete. Die einzige zweite Mannschaft in Liga drei steht derzeit auf Rang zehn, und das hat der U23-Kader größtenteils ohne Profis hinbekommen.

© SZ vom 30.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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