FC Bayern München Basketball:Kopfsprung ins Haifischbecken

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Der FCB hofft nach dem Trainerwechsel auf Schwung, vor allem für die Euroleague. Die Partie gegen ZSKA Moskau ist für Oliver Kostic kein Maßstab, aber eine Gelegenheit.

Von Ralf Tögel, München

„Ich bin dankbar, dass mir der Verein die Möglichkeit gibt, so eine Mannschaft zu trainieren“: Der Serbe Oliver Kostic, 46, kann durchaus energisch werden – wie hier beim Coaching der zweiten Mannschaft. (Foto: Claus Schunk)

Moskau? Oliver Kostic lacht. "ZSKA? Was soll ich sagen, jeder kennt die Qualität dieser Mannschaft." Der 46-jährige Serbe ist seit Dienstag neuer Chefcoach der Basketballer des FC Bayern München, und ZSKA Moskau ist an diesem Freitag (20.30 Uhr) ihr Gegner in der Euroleague. Der Titelverteidiger ist eines jener Teams, die mit vielen Millionen subventioniert nach der europäischen Krone greifen - und sich einen entsprechend ausstaffierten Kader leisten können. Zum Beispiel mit einer ganzen Reihe hochkarätiger Guards: Der Vorjahres-Topscorer Mike James, Ron Baker und Darrun Hilliard haben NBA-Erfahrung, Daniel Hackett und Janis Strelnieks viele Jahre Euroleague für diverse Topteams auf dem Buckel. Natürlich sind alle Positionen bei den Russen ähnlich prominent besetzt.

Und die Bayern? Kostic grinst. Er hoffe auf T.J. Bray. Der US-Amerikaner war sieben Monate verletzt und soll nun die lahmende Offensive beleben. Bray kam aber nicht aus der NBA, sondern aus Vechta, wo er immerhin eine derart starke Saison in der Basketball-Bundesliga gezeigt hat, dass ihn der Meister verpflichtete. Die Euroleague ist indes Neuland für den Point Guard. Dort wirkte bislang in erster Linie Maodo Lo, denn der nach Brays Verletzung nachverpflichtete DeMarcus Nelson konnte nie überzeugen und ist schon wieder weg. Diego Flaccadori ist kein Guard mit Euroleague-Niveau, er soll bei den Bayern erst zu einem werden. Wie gedenkt nun der neue Coach, der seit Dienstag für Dejan Radonjic den Chefposten innehat, die Chance auf die K.-o.-Runde in der europäischen Königsklasse zu wahren? Kostic sagt: "Viel reden. Nicht über das, was war, sondern das, was kommt. Und wir müssen unser Euroleague-Gesicht ändern."

Es war ein bemerkenswert entspannter erster Auftritt des neuen Trainers. Kostic ist ein lockerer Typ, ein kommunikativer dazu, was ihn zuvorderst für diese Aufgabe qualifiziert. Das findet zumindest Sportdirektor Daniele Baiesi, der die fehlende Chemie des Vorgängers zu den Spielern als Hauptgrund für dessen Entlassung nennt. Die Mannschaft habe in den Trainingseinheiten nicht geantwortet, nicht reagiert, spielte blutleer, bröselte zuletzt in der Euroleague regelmäßig auseinander und kassierte böse Pleiten. Der Kitt war offenbar raus aus dem Trainer-Spieler-Gefüge.

Nun also der Assistenzcoach, der schon im ersten offiziellen Auftritt wie eine frische Brise wirkt. Während Radonjic um jedes einzelne Wort kämpfte (was auch an seinen überschaubaren Englischkenntnissen lag), lächelt Kostic seine Botschaften charmant in die Runde: "In so kurzer Zeit kann man nicht viel ändern, aber viel reden, mit jedem Spieler." Die Defensive soll zu alter Stabilität zurückfinden, im Angriff will der Serbe das zweifellos vorhandene Potenzial zum Leben erwecken, "einen kreativen Fortschritt" schaffen.

Darauf setzen die Verantwortlichen, dass diese Maßnahme Wirkung zeigt. "So ein Wechsel bringt immer neuen Schwung mit, im Training gibt es neuen Input und einen neuen Kick", sagt etwa Kapitän Danilo Barthel. Der Zeitpunkt der Entlassung scheint nur auf den ersten Blick ungewöhnlich, denn bis zu den entscheidenden Spielen bei Olympiakos Piräus und Panathinaikos Athen hat Kostic zehn Tage Zeit, um das Team einzuschwören und an ein paar Stellschrauben zu drehen. Im Basketball für Klubs wie die Bayern, die parallel zwei komplette Wettbewerbe spielen, ist das eine kleine Ewigkeit.

Gegen Favorit Moskau hat Kostic einen Freischuss, dann beginnt seine Bewährungszeit

Die Moskau-Partie nun ist wie ein Test für den neuen Trainer und den neuen Spielmacher Bray: Es gibt nicht viel zu verlieren. Dass sich sofort alles zum Guten wendet, ist nicht zu erwarten, wohl aber eine klare Steigerung. Die Fußballsparte hat es ja vorexerziert, die Basketballer wären mit einem ähnlichen Ergebnis wie beim Flick-Kovac-Wechsel sicher zufrieden. Und im Gegensatz zum Fußball-Kollegen bekam Kostic die Sicherheit mit auf den Weg, dass er bis zum Saisonende auf dem Chefsessel verweilen darf. "Wir suchen keinen neuen Trainer, wir haben einen", sagte Baiesi, was zudem ein Engagement für die nächste Spielzeit andeuten sollte. Freilich ist Kostic lange genug im Geschäft, um zu wissen, in welches Haifischbecken er da mit einem Kopfsprung eingetaucht ist. Fortan wird seine Arbeit unter dem Brennglas beobachtet, er sitzt nun auf dem begehrtesten Trainerstuhl der Republik - mit Strahlkraft nach Europa.

Eine Niederlagenserie genügt, um den frischen Wind in einen eisigen zu verwandeln, im Profisport bleibt bekanntlich kein Platz für Romantik. Kostic weiß das. Er habe viel Erfahrung in Europa gesammelt, er fühle sich bereit. Der Serbe hat bei Spitzenklubs wie Belgrad, Kaunas und zuletzt den Bayern die Nachwuchsprogramme geleitet, große Erfolge gefeiert. Er war bei vielen Topklubs in Europa Co-Trainer, bei Sofia in Bulgarien verantwortlich. Zuletzt trainierte er die zweite Münchner Mannschaft, ehe ihn Radonjic zu den Profis holte. Der ist nun weg. "Das ist das Leben der Trainer", sagt Kostic. Dabei lacht er.

© SZ vom 10.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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